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Wie unsere Hirnwellen sich aufeinander eintunen
Aus Wissen allgemein vom 25.02.2022.
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Perfekte Harmonie Hirnwellen im Gleichklang

Das menschliche Hirn ist ein soziales Organ. Geschaffen für ein Leben in der Gruppe. Tun Menschen Dinge gemeinsam, schwingen ihre Hirnwellen synchron.

Unser Gehirn kennt einen Rhythmus, bei dem es einfach mitmachen muss: der Groove des sozialen Handelns.

Wenn zwei Menschen etwas miteinander tun, – musizieren, sprechen oder spielen, – dann passen sich ihre Gehirnwellen einander an. Sie synchronisieren sich. «Interbrain Synchrony» heisst dieses Phänomen, das in den vergangenen Jahren einen wahren Forschungsboom ausgelöst hat.

Was ist «Interbain Synchrony»?

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«Interbrain Synchrony» bezeichnet die Wechselwirkung und Übereinstimmung der Aktivität von zwei oder mehr Gehirnen.

Die Erforschung der Hirnsynchronisation ist eine relativ junge Wissenschaft. Kritiker monieren, dass der Begriff der «Interbrain Synchrony» unzureichend definiert sei und dass es an Best Practice-Richtlinien, also an klar definierten und bewährten Forschungsmethoden fehle – insbesondere was die Datenerhebung, die Analyse und die Interpretation der Ergebnisse angehe.

Gehirne im Duett

Besonders eindrücklich zu beobachten, ist diese Synchronisierung im Gehirn von Musikerinnen und Musikern, die im Duett spielen. Das zeigt die Forschung von Daniela Sammler, Neuropsychologin am Frankfurter Max-Planck-Institut für empirische Ästhetik. Sammlers Team hat 28 Pianistinnen und Pianisten ins Gehirn geschaut. Die erhielten eine Kappe mit 64 Elektroden verpasst zur Messung der Hirnströme (EEG).

Was passiert wann und wo im Gehirn: EEG und MRT als Messmethoden

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Ein EEG (Elektroenzephalografie) zeichnet die elektrische Aktivität der Nervenzellen des Gehirns auf. Die Aktivität der Nervenzellen zeigt sich in sehr kleinen elektrischen Spannungen, die man auf der Kopfhaut mit Elektroden messen kann. Das EEG misst die elektrischen Entladungen der Hirnzellen zeitlich sehr genau. Es kann aber nicht abbilden, wo genau die Aktivitätsänderungen im Gehirn stattfinden.

Um Gehirnaktivitäten genau zu lokalisieren, kommt beispielsweise die MRT (Magnetresonanztomografie) zum Einsatz. Wenn ein Bereich des Gehirns aktiv ist, fliesst dort mehr Blut und der Sauerstoffgehalt verändert sich. Diese Veränderungen lassen sich mit der Magnetresonanztomografie messen.

Musizieren auf gleicher Wellenlänge

Die Forscherinnen fokussierten auf die Gamma-Wellen im Gehirn: «Wir konnten sehen, dass diese Schwingungen miteinander synchronisieren. Wenn die Hirnwelle eines Musikers hoch war, war sie gleichzeitig auch beim andern Musiker hoch, und wenn sie beim einen im niedrig war, war sie das auch beim andern.»

Wenn die Hirnwelle eines Musikers hoch war, war sie gleichzeitig auch beim andern Musiker hoch.
Autor: Daniela Sammler Neuropsychologin am Frankfurter Max-Planck-Institut

Doch die Wissenschaftlerinnen wollten mehr wissen: Ist die Synchronisation ein Produkt des gemeinsamen Musizierens, weil die Musiker einander hören und sich anpassen? Oder ist die Synchronisation vielmehr eine Voraussetzung dafür, dass das Zusammenspiel überhaupt gelingt?

Gehirne passen sich einander an, bevor es los geht

Um dies zu testen, bauten die Forscherinnen eine Pause ins Experiment ein. In dieser Spielpause sagten sie den Pianisten getrennt, ob sie nach der Pause schneller oder langsamer weiterspielen sollen. Mal sagten sie beiden das Gleiche, mal nicht.

Es zeigte sich: Die Synchronisation fand schon in der Pause statt. «Obwohl da überhaupt kein Ton zu hören war, sahen wir, dass die Gehirne der Musiker bereits vor dem Spiel miteinander synchronisieren». Erhielten beide Pianisten dieselbe Anweisung, glichen sich ihre Gehirnwellen perfekt an und entsprechend gut gelang danach das Duett. Planten die Musiker jedoch ein unterschiedliches Tempo, war die Synchronizität der Gehirnwellen niedrig und das anschliessende Spiel schlechter.

Keine exklusiv menschliche Begabung

Auch andere soziale Tiere synchronisieren ihre Gehirnwellen. Zum Beispiel jene Vögel, die Susanne Hoffmann vom Max-Planck-Institut für Ornithologie erforscht. Hoffmann studiert die Gehirnaktivität von Mahaliwebern – einer exzellent im Duett und im Chor singenden afrikanischen Webervogelart: «Pärchen, die miteinander singen, stimmen ihre Töne sekundengenau aufeinander ab und man sieht, dass die Gehirnaktivität des einen Vogels perfekt mit der des anderen Vogels übereinstimmt

Ein Mahaliweber steht in Äthiopien auf trockenem Boden.
Legende: Auch die Mahaliweber synchronisieren ihre Gehirnaktivitäten, wenn sie mit ihren Artgenossen singen. So sind die Töne sekundengenau aufeinander abgestimmt. IMAGO / imagebroker

Neuronal geschaffen für ein Leben in der Gruppe

Wie das Gehirn des Menschen ist auch dasjenige der Mahaliweber perfekt entwickelt für ein Leben in der Gruppe und damit nicht nur fürs Duett-Pfeifen, sondern auch fürs Singen im Chor der Vogelkolonie.

Daniela Sammler vom Max-Planck-Institut für empirische Ästhetik bleibt vorerst beim menschlichen Duett. Ihre nächste Studie soll zeigen, wo genau die Synchronisation im Gehirn von Musikern stattfindet. Dafür werden die Pianistinnen und Pianisten in die Röhre geschoben, in den Hirnscanner (MRT) – zusammen mit extra für diesen Zweck konstruierten Mini-Klavieren.

Radio SRF2 Kultur, 25.02.2022, 17:18 Uhr

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