Mit gerade einmal 22 Jahren hebt die Ostschweizerin Margaret Fusbahn am 11. April 1930 zu einem Rekordflug ab: Mit ihrem Leichtflugzeug steigt sie bis auf 4614 Meter auf und überbietet damit den bestehenden internationalen Höhenrekord um beinahe 600 Meter.
«Margaret Fusbahn bewies damit sportlichen Ehrgeiz. Wie viele Fliegerinnen damals war sie eine sportbegeisterte Frau», sagt Barbara Waibel. Sie arbeitet als Historikerin im Archiv des Zeppelinmuseums in Friedrichshafen und hat sich intensiv mit der Geschichte der frühen Pilotinnen beschäftigt.
Schnurstracks zum nächstgelegenen Flugplatz
Margaret Fusbahns Höhenrekord fällt in die Blütezeit der Sportfliegerei: Ab der zweiten Hälfte der 1920er-Jahre boomen Flugshows und Geschicklichkeitswettbewerbe. Pilotinnen und Piloten müssen dabei Postsäcke punktgenau abwerfen oder mit ihren Flugzeugen möglichst exakt landen. Margaret Fusbahn ist einige Jahre lange ganz vorne mit dabei – und beweist sich damit in einer absoluten Männerdomäne.
Pilotinnen der ersten Stunde
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Bild 1 von 5. Amelia Earhart:. Die US-Amerikanerin ist die erste ausgebildete Pilotin weltweit. 1932 überquert sie als erste Frau im Alleinflug den Atlantik, 5 Jahre nach dem ersten Mann, Charles Lindbergh. Earhart braucht jedoch nur 13 statt 34 Stunden. 1937 will sie um den Äquator fliegen, doch sie stürzt ab. Ihr Verschwinden gibt bis heute Rätsel auf. Bildquelle: Getty Images.
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Bild 2 von 5. Marga von Etzdorf:. Sie ist eine umjubelte Luftpionierin und nimmt sich doch mit 25 Jahren das Leben. Warum, ist bis heute unklar. 1931 fliegt sie mit ihrem Flugzeug «Kiek in die Welt» 11'000 Kilometer nach Japan. Berühmt ist Marga von Etzdorf auch, weil sie als erste – und bis 1984 letzte – Frau in Europa als Linienpilotin arbeitet, als Co-Pilotin bei der Lufthansa. Bildquelle: Getty.
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Bild 3 von 5. Elly Beinhorn. Die Abenteurerin aus Deutschland fliegt 1931/32 als erste Frau allein um die Welt. Möglich ist ihr das, weil sie durch einen Alleinflug nach Afrika berühmt geworden war: Nach einer Notlandung galt sie als verschollen – doch sie überlebte. Ihren Flugschein behält die Grande Dame der Lüfte lange. Mit 72 gibt sie ihn zurück. Bildquelle: Imago.
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Bild 4 von 5. Raymonde de Laroche:. Lange gilt die Französin als erste Frau, die überhaupt ein Flugzeug geflogen ist. Mittlerweile wird das angezweifelt. Sicher ist aber, dass sie 1910 als erse Frau den Pilotenschein macht. Die willensstarke und technikinteressierte Pilotin arbeitet später als Testpilotin und stürzt 1919 bei einem Testflug ab. Bildquelle: Getty Images.
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Bild 5 von 5. Lydia Zvereva. Sie gilt offiziell als erste russische Pilotin, seit sie 1911 ihren Flugschein machte. Berühmt wird Zvereva, weil sie als erste Pilotin einen Akrobatikflug macht: Sie fliegt einen Looping. Ab 1914 stellt sie ihre Begabung in andere Dienste, sie konstruiert mit ihrem Ehemann Kampfflugzeuge. Bildquelle: Wikipedia/отография ателье Буллы.
Die zierliche Frau mit den blonden Locken kommt als Margaret Billwiller 1907 in St. Gallen zur Welt und wächst in einer wohlhabenden Familie auf. Mit 20 Jahren heiratet sie den Ingenieur Heinz-Werner Fusbahn aus Stuttgart und zieht für ein paar Jahre nach Deutschland.
An einem Frühlingstag 1928 ist sie mit dem Auto unterwegs von der Ostschweiz Richtung Heidelberg. Da fliegt ein Motorflugzeug über sie hinweg – woraufhin sie angeblich schnurstracks zum nächst gelegenen Flugplatz fährt: nach Böblingen nahe Stuttgart.
Frauen waren beste Reklame
Dort herrscht Ende der 1920er-Jahre ein erstaunlich reger Flugbetrieb. Denn eigentlich ist die Fliegerei in Deutschland nach dem ersten Weltkrieg weitgehend verboten: zu gross die Angst der Alliierten, dass Deutschland erneut eine Luftwaffe aufbaut
Wenn Frauen so ein Flugzeug handhaben können, dann war klar: Jeder kann es.
Doch der Ingenieur Hanns Klemm tüftelt in Böblingen an Segelflugzeugen, die er mit Motorradmotoren ausstattet. Er erfindet ein schwachmotoriges, für militärische Zwecke ungeeignetes Leichtflugzeug. Dieses eignet sich bestens für die Sportfliegerei, die wieder aufkommt.
Den Frauen mit Flugambitionen weht auf vielen Flugplätzen ein rauher Wind entgegen. «Die Piloten fürchteten, die Frauen würden ihnen den Nimbus wegnehmen, würden ihre Leistungen schmälern», sagt Barbara Waibel.
Hanns Klemm waren die Flugschülerinnen wie Margaret Fusbahn hingegen willkommen: Frauen, die mit Klemm-Flugzeugen abhoben, seien für ihn beste Reklame gewesen, so Waibel. «Wenn Frauen so ein Flugzeug handhaben können, dann war klar: Jeder kann es.»
Nach der Höhe die Weite
Margaret Fusbahn und ihr Mann werden bekannt als das fliegende Ehepaar. Sie unternehmen immer weitere Flüge mit ihrem kleinen Klemm-Flugzeug. 1932 fliegen sie ein erstes Mal nach Äthiopien und sind tief beeindruckt.
Heinz-Werner Fusbahn unternimmt fortan fast jährlich eine Flugreise nach Afrika – Margaret Fusbahn hingegen tritt ab 1934 nicht mehr als Pilotin in Erscheinung.
Fliegerei wird militarisiert
Auch viele andere Pilotinnen geben die Fliegerei ab Mitte der 1930er-Jahre auf, sagt die Historikerin Barbara Waibel. «Die Fliegerei wird zunehmend militarisiert, und es passiert dasselbe wie vor dem Ersten Weltkrieg: Die Frauen werden aus der Fliegerei gedrängt.»
Und das für lange Zeit: Erst in den 1980er-Jahren werden die ersten Frauen in Europa als Linienpilotinnen angestellt.
Revolver, Jagdgewehr und Schnaps
Margaret Fusbahn unternimmt 1937 noch einmal eine Afrikareise – diesmal im Auto, gemeinsam mit einer Ostschweizer Freundin. Die beiden Frauen packen je einen Revolver, ein Jagdgewehr und zwei Flaschen Schnaps gegen Erkrankungen ins Gepäck – und schaffen es wohlbehalten bis nach Kamerun. Doch als Margaret Fusbahn zurück nach Basel kommt, liegt ihre Ehe in Scherben.
Sie lässt sich scheiden und meldet sich in Basel ab. Ihr Zielort: Afrika. In der portugiesischen Kolonie Angola heiratet sie wenige Monate später und bringt eine Tochter zur Welt.
Dann verliert sich ihre Spur. In den Akten ihres Bürgerorts, der Stadt St. Gallen, steht lediglich, dass sie 2001 fast 94-jährig in Portugal stirbt.
Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Wissenschaftsmagazin, 5.8.2017, 12.40 Uhr