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Die selbsterfüllende Prophezeiung ist ein Geschenk
Aus Ratgeber vom 23.01.2023. Bild: Imago Images / Cavan Images
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Psychologie des Gelingens Die selbsterfüllende Prophezeiung ist ein Geschenk

Wer sich Positives prophezeit, kann vieles schaffen. Aber Achtung: Man kann sich selbst auch negativ beeinflussen.

Kennen Sie das? Sie wünschen sich etwas – zum Beispiel befördert zu werden – und dann trifft es tatsächlich ein. Das ist keine Magie, sondern Self-Fulfilling Prophecy. Eine Vorhersage, die sich selbst erfüllt. Weil wir unbewusst entsprechend der Prophezeiung handeln. Nicht immer aber prophezeien wir uns Positives.

Die selbsterfüllende Prophezeiung ist etwas zutiefst Menschliches. Wer hat sich nicht schon mal positiv oder negativ selbst beeinflusst? Vielleicht haben Sie den Traummann oder die Traumfrau getroffen, bei einer Prüfung sensationell gut abgeschnitten oder endlich den lang ersehnten Auftrag erhalten?

Unsere Gedanken können unser Verhalten beeinflussen

Diesen Mechanismus kennt auch die Psychologin und Psychotherapeutin Sandra Figlioli Hofstetter: «Unsere Gedanken können unser Verhalten beeinflussen. Nur vergessen wir das oft.» Dabei ist die selbsterfüllende Prophezeiung sehr wertvoll, davon ist sie überzeugt. Was ich über eine bestimmte Situation oder einen bestimmten Menschen denke, beeinflusst schlussendlich diesen Menschen oder diese Situation. In den 1960er-Jahren wählten amerikanische Wissenschaftler einige Schüler zufällig aus und erklärten den Lehrern, dass diese Kinder besonders begabt seien. Nach einem Jahr zeigte sich, dass die zufällig ausgewählten Schüler ihre Leistungen viel mehr steigerten als die Kontrollgruppe.

«Das ist durchaus beeindruckend», gibt Figlioli Hofstetter zu. Sie betrachtet die selbsterfüllende Prophezeiung auch als Geschenk.

Wer sich selbst etwas prophezeit, handelt unbewusst automatisch in diese Richtung.
Autor: Sandra Figlioli Hofstetter Psychotherapeutin

Die Expertin empfiehlt, sich ein Ziel zu setzen und immer wieder über dieses Ziel zu reden und anderen davon zu erzählen. Auf diese Weise denke man mehr über das Ziel nach – und beeinflusse sich gewissermassen selbst positiv.

Indem man anderen von diesem Ziel berichtet, schafft man auch eine positive Umgebung, in welcher die Prophezeiung gedeihen kann. «So ist das Erreichen des Ziels wahrscheinlicher, als wenn wir niemandem davon erzählen», sagt die Psychologin. Wer befördert werden möchte, tut gut daran, sein Interesse am Aufstieg auf der Karriereleiter auch kundzutun. Also: Mut zur selbsterfüllenden Prophezeiung! Lassen Sie Ihre Träume wahr werden.

Die negative selbsterfüllende Prophezeiung

Auch zutiefst menschlich ist es, sich selbst negativ zu beeinflussen. Man lässt sich – zum Beispiel vor einem Vortrag – dermassen ins Bockshorn jagen, dass man anschliessend prompt versagt. «Dabei hätten wir es in der Hand, uns positiv zu beeinflussen und uns nicht über Vorurteile den Kopf zu zerbrechen», sagt die Expertin. Hier geht es eigentlich um Vorurteile, sich selbst, aber auch anderen gegenüber.

Auch in der Wissenschaft ein Thema

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Den Begriff «selbsterfüllende Prophezeiung» schuf der österreichische Ökonom Otto Neurath 1911. Der amerikanische Soziologe Robert K. Merton beschrieb 1948 in einem Aufsatz den Mechanismus der «Self-Sulfilling Prophecy».

Im gleichen Aufsatz beschrieb Merton auch die selbstzerstörende Prophezeiung, allerdings nur in einer Fussnote.

Zusammen mit der selbsterfüllenden Prophezeiung wird oft auch der Placebo-Effekt genannt. In der Medizin werden Tabletten ohne Wirkstoffe abgegeben, um auf psychologischem Weg eine Wirkung bei den Patienten zu erzielen. Auch der Nocebo-Effekt gehört dazu. Hier werden ebenfalls Tabletten ohne Wirkstoffe abgegeben, die Patienten berichten dann von den erwarteten schädigenden Folgen.

Eine australische Studie zeigte auf, dass die Angst, zu stürzen, bei Seniorinnen und Senioren zu mehr Stürzen führt.

Sandra Figlioli Hofstetter macht ein Beispiel: «Wenn ich meinem Nachbarn jedes Mal, wenn ich ihn sehe, in Gedanken unterstelle, dass er mich nicht mag, beginnt mit der Zeit eine gefährliche Abwärtsspirale – ich grüsse schroff oder mit der Zeit gar nicht mehr – und er mag mich schlussendlich wirklich nicht.»

Die Psychologin empfiehlt, sich auf eine positive selbsterfüllende Prophezeiung zu konzentrieren. Das gelingt besonders gut, wenn man sich vor einem Vortrag in Gedanken gut zuredet – so, wie man es bei einem Freund oder einer Freundin auch machen würde. Vielleicht wird dann aus dem vermeintlich feindlichen Nachbarn sogar ein Freund.

Radio SRF 1, Ratgeber, 23.01.2023, 11:10 Uhr

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