Spielt Carolina Mazalesky Geige auf der Slackline, ist sie im Flow. Was dieses angenehme Gefühl ist, wie es entsteht und wie man es selbst erreichen kann, weiss der Sportpsychologe und ZHAW-Dozent Jan Rauch.
SRF Wissen: Viele sind auf der Suche nach dem Flow – was macht diesen Zustand so erstrebenswert?
Jan Rauch: Flow ist das Gefühl völliger Versunkenheit in eine Aufgabe. Die ganze Aufmerksamkeit und Konzentration werden von dieser einen Beschäftigung beansprucht. In diesem Zustand können Menschen Raum, Zeit und alle negativen Gedanken vergessen, weil die schlicht keinen Platz haben. Das fühlt sich für viele wie eine Belohnung für eine ausserordentliche Leistung an. Darum will man die Tätigkeit, bei der man Flow erlebt, wiederholen.
Sie sprechen von Konzentration auf eine einzige Tätigkeit. Wir haben Carolina Mazalesky getroffen (siehe Video) und sie schafft es, Geige auf der Slackline zu spielen. Wie kommt sie so in den Flow?
Sie muss beides wahnsinnig gut können und viele Elemente der Bewegungsausführungen automatisiert haben. Sonst würde das eine das andere stören. Um Flow zu erreichen, müssen mein Können und die Anforderungen im Gleichgewicht sein. Was ich tue, muss also meinen Fähigkeiten entsprechen.
Sonst funktioniert es nicht?
Nein: Sobald man unter- oder überfordert ist, erreicht man den Zustand nicht mehr. Am besten gelingt es, wenn die Anforderungen am oberen Rand des eigenen Könnens oder minimal darüber liegen.
Das heisst?
Beim Joggen zum Beispiel. Nehmen wir an, Sie schaffen eine fünf Kilometer lange Runde in 30 Minuten. Um den Flow zu erreichen, könnten Sie sich das Ziel setzen, die Runde in 29 Minuten zu schaffen – also am oberen Rand Ihres Könnens, aber durchaus machbar. Bei 20 Minuten wären Sie überfordert, bei 40 unterfordert.
Also kann ich nach diesem Interview losrennen und erlebe Flow?
Leider nicht. Sie denken dann wahrscheinlich daran, wie Sie Flow erreichen können und konzentrieren sich nicht vollständig auf das Rennen. Die kleinste Ablenkung von der Aufgabe reicht schon und es funktioniert nicht. Das ist der Witz am Flow: Will ich ihn erreichen, darf ich mich nicht darauf konzentrieren. Ich muss entspannt und wertfrei sein.
Was muss ich also tun?
Die Sportpsychologie untersucht das schon lange, dennoch gibt es leider keine eindeutigen Tricks, um Flow zu erreichen. Es hilft aber, störungs- und stressfreie Momente zu schaffen. Zeit für nur eine Sache zu reservieren und nicht von äusseren Störfaktoren abgelenkt zu werden. Der Fokus muss auf das Hier und Jetzt gerichtet sein. Dies gelingt im Alltag vielen Menschen bei Aufgaben, die sie mit Hingabe ausführen und ihre volle Konzentration beanspruchen – wie beispielsweise Velofahren, Stricken, Gamen oder Kochen.
Das Gespräch führte Sina Alpiger.