«Die ist schon recht angefressen. Da ist was gegangen in den letzten zwei Monaten!» Was der Zürcher Bio-Landwirt Markus Götsch an diesem späten Junimorgen aus seinem Acker gegraben hat, erinnert nur noch entfernt an das Textil, das es einmal war. Von der ehemals blütenweissen Unterwäsche sind nur ein paar unappetitliche Fetzen und die Bündchen aus Gummibändern übrig. Und das nach nur acht Wochen im Erdboden!
Damals, Anfang Mai, öffnete Götsch ein Paket, das er sich von der Agroscope, der Schweizer Forschungsanstalt für Landwirtschaft, Ernährung und Umwelt, hatte kommen lassen. Darin befanden sich zwei Unterhosen, sechs Teebeutel und eine Gebrauchsanleitung, die ihn anwies, die Unterhosen zusammen mit den Teebeuteln an einer Stelle seiner Wahl zu vergraben.
Es tut weh, einen Boden zu sehen, der einfach weggeschwemmt oder weggeweht wird.
Damit nahm Markus Götsch, wie auch landesweit über 1000 andere Schweizerinnen und Schweizer, teil an einer wissenschaftlichen Studie, die mittlerweile weltweit Aufsehen erregt hat: dem Projekt «Beweisstück Unterhose».
Preiswerte Analyse unserer Böden
Die Initiatoren des Projekts sind Marcel van der Heijden und Franz Bender – beide sind Bodenökologen an der Agroscope Zürich. Ihr Ziel: Die breite Öffentlichkeit auf die ebenso lebenswichtige wie auch stark bedrohte Ressource Erdboden aufmerksam zu machen. «Es tut weh, einen Boden zu sehen, der einfach weggeschwemmt oder weggeweht wird», sagt Franz Bender, denn damit verbunden sind dann, besonders in Entwicklungsländern, Hunger und Not.
Zudem wollen die Zürcher Experten mit ihrem Projekt eine verblüffend einfache, preiswerte und weltweit anwendbare Analysemethode für den Zustand eines Bodens entwickeln. Dabei gilt: Je stärker eine Unterhose zersetzt ist, desto aktiver sind die Lebewesen im Erdboden und desto besser ist seine Qualität – zum Beispiel für die Produktion von Nahrungsmitteln. «Das ganze System funktioniert einfach besser, wenn die Biodiversität hoch ist», so Marcel van der Heijden.
Im Boden das pralle Leben
Bis zu 10 Milliarden Lebewesen finden sich in einer Handvoll gesunder Erde: Insekten, Spinnentiere, Würmer, Pilze und Bakterien. Die Tiere wirken alle in einem vielschichtigen System, das dafür sorgt, dass zum Beispiel Getreidepflanzen überhaupt Nährstoffe aufnehmen können. In seiner Komplexität sei der Boden, so Franz Bender bisher nur wenig erforscht: «Der Boden ist wirklich eine grosse unbekannte Masse.»
Das ganze System funktioniert einfach besser, wenn die Biodiversität hoch ist.
Nach rund acht Wochen im Schweizer Boden erreichen immer mehr Pakete mit mehr oder weniger zersetzten Unterhosen das Labor der Agroscope. Sie alle werden feinsäuberlich dokumentiert und per spezieller Software auf ihren Zersetzungsgrad hin untersucht. Zudem haben die Teilnehmenden auf der Website des Projektes zusätzliche Informationen wie die genaue Position oder die Strategie der Boden-Bewirtschaftung hinterlegt.
Erste Zwischenergebnisse zeigen regional grosse Unterschiede im Grad der Zersetzung. Die ebenfalls am Projekt beteiligte Biologin Noemi Peter hat dazu bereits eine Idee: «Wir haben die Vermutung, dass die Bewirtschaftung einen Einfluss auf die Aktivität von Boden-Mikroorganismen hat, die auch am Abbau des Baumwollstoffs beteiligt sind.»
Schutz für den Lebensraum Boden
In den kommenden Wochen soll die Analyse der eingesammelten Erdproben zeigen, ob ein direkter Zusammenhang besteht zwischen dem Einsatz von Pestiziden oder zu viel Dünger und dem Leben im Boden. Wenn ja, so wäre dies sicherlich ein weiterer Weckruf für den dringend notwendigen Schutz eines ebenso wichtigen wie auch sensiblen Lebensraum.