Der junge Forscher Samuel Heiniger steht vor einem unscheinbaren Schuppen auf dem Gelände der ETH Zürich am Hönggerberg. In dem Schuppen stehen drei grosse silbrige Tanks. Was in diesen Tanks geschieht, darum geht es.
Zunächst zeigt Heiniger im Schuppen eine Apparatur, die mit Strom Wasser zu Wasserstoff umwandelt. «Diesen Wasserstoff leiten wir über diese dünnen Rohre hier in die Tanks», sagt Heiniger.
In den Tanks ist Eisenerz, etwa so fein gekörnt wie Sand, drei Tonnen pro Tank. «Der Wasserstoff reagiert in den Tanks mit dem Eisenerz zu Eisen», erklärt Heiniger. Der Clou: Diese Reaktion lässt sich beliebig umkehren: «Wenn wir nachher Wasserdampf auf das Eisen leiten, entstehen wieder Eisenerz und Wasserstoff.»
Der Wasserstoff lässt sich dann wieder zu Strom umwandeln. Und das bedeutet: Im Sommer lässt sich überschüssiger Solarstrom nutzen, um Wasserstoff herzustellen. Dieser Wasserstoff wird dann in der sogenannten «Eisen/Eisenerz-Batterie» gespeichert und kann bei Bedarf, zum Beispiel im Winter, wenn die Sonne kaum scheint und es kalt ist, wieder genutzt werden.
Es gibt allerdings einen Haken: Die Umwandlung von Wasserstoff in Strom ist extrem ineffizient. Das ist ein wichtiger Grund, warum Wasserstoff als Energiespeicher bisher kaum eine Rolle spielt.
Sinn macht das Ganze deshalb nur, wenn Energie im Überfluss vorhanden ist, etwa im Sommer, wenn die Sonne auf Solarzellen niederbrennt, aber keiner die Energie benötigt. Man könne die Energie dann oft nur wegwerfen, sie bleibe also komplett ungenutzt, so Heiniger. In dieser Situation sei das Speichern im Eisenerz dann doch sinnvoll.
Lösungen für saisonale Energieengpässe sind gefragt
Unter Fachleuten ist die saisonale Speicherung, also vom Sommer in den Winter, schon lange Thema, sagt Christian Schaffner, Energieexperte ebenfalls von der ETH, aber nicht am Projekt beteiligt: «Alles, was uns hilft, saisonal Energie zu speichern, wird wichtig sein.» Für eine nachhaltige Energieversorgung brauche es praktische Lösungen. Eisenspeicher für Wasserstoff könnten hier sehr nützlich werden, sagt Schaffner.
Für Privathaushalte sind die Eisenenergiespeicher weniger geeignet, sagt Heiniger, doch für ein «ganzes Stadtquartier, in dem Haushalte zusammengeschlossen werden, oder für ein ganzes Dorf» seien sie eine interessante Option.
Die Kosten würden sich nach Heinigers Schätzungen auf etwa 20 bis 40 Milliarden Franken belaufen. Das wäre nötig, um in den Eisenspeichern im Sommer genug Wasserstoff zu speichern, um die Winterenergielücke der Schweiz zu schliessen - so dass die Schweiz keinen Strom mehr aus dem Ausland kaufen müsste im Winter.
Vom Prototyp zu einem schweizweiten System?
An der ETH ist jetzt geplant, dem kleinen Prototyp mit drei Tanks einen grösseren folgen zu lassen. Ab 2026 soll er Solarstrom von den Dächern des Forschungscampus aufnehmen, ausreichend, um 20 Prozent des Winterstrombedarfs am Campus Hönggerberg zu decken. Schritt für Schritt soll so die Praktikabilität eines Systems getestet werden, das prinzipiell in der ganzen Schweiz funktionieren könnte.