Bremerhaven an der deutschen Nordseeküste: In der Laboranlage des Thünen-Instituts schwimmen verschiedene Fischarten in gut einem Dutzend Wasserbassins.
Ein leicht muffiger Geruch liegt in der Luft. «Wegen der Feuchtigkeit», erklärt Ulfert Focken. Der Wissenschaftler beschäftigt sich seit Jahren mit Aquakulturen, also der Erzeugung von Organismen, die im Wasser leben.
Zuchtlachs als Nischenmarkt
Im Gegensatz zur Fangfischerei zieht die Fischindustrie in der Aquakultur Karpfen, Doraden, Tilapia, Krebstiere, Muscheln und Algen unter kontrollierten Bedingungen auf. Ist die Produktion jeder Fischart sinnvoll und nachhaltig, um alle Menschen zu sättigen?
Was ist mit Raubfischen wie Lachs, Thunfisch, Dorade und Wolfsbarsch, die ein hohes Grundbedürfnis an Nahrungsqualität haben. «Das sind alles Fische, die nicht für die Welternährung gezüchtet werden», sagt Reinhold Hanel, der Leiter des Thünen-Instituts für Fischereiökologie, «sondern um einen lukrativen Nischenmarkt zu bedienen».
Nicht-nachhaltige Transportwege
In ihrem natürlichen Habitat ernähren sich Raubfische von anderen Fischen und Krebsen. In der Aquakultur kriegen die Zuchtfische in der Regel keine zehn Prozent Fischanteil mehr. Woraus bestehen die restlichen 90 Prozent des Futters? «Einerseits aus Tiermehlen, der überwiegende Teil sind auf Soja basierende Pflanzenproteine», so Ulfert Focken. «Würde man Lachsen wie auch anderen Fischen rohes Sojamehl geben, führt das zu chronischer Darmentzündung.»
Darum muss das pflanzliche Futter industriell aufbereitet werden. Das Sojafutter kommt aus Südamerika in die Fischzuchtanlagen Norwegens, Islands oder des Mittelmeers. Zur Ernährung einer wachsenden Weltbevölkerung sind Raubfische deswegen eher ungeeignet.
Jetzt hat sich die Industrie so weit etabliert, dass Dinge besser sind als früher.
Zudem sei die Lachszucht ein klassisches Beispiel für die Fehler der Vergangenheit, ergänzt Hanel: kippende Fjorde, Antibiotika-Einsatz, Viruserkrankungen. «Jetzt hat sich die Industrie so weit etabliert, dass Dinge besser sind als früher.» Was nicht bedeute, dass heute alles gut sei.
Verbraucher interessieren sich für das Tierwohl
Wie geht es Fischen, wenn sie zu Zehntausenden dicht gedrängt in einem kleinen Netz leben und dann geschlachtet werden? «Das Thema Tierwohl wird immer bedeutender und ist auch ein Hauptgegenstand unserer Forschung», sagt der Institutsleiter. «Mittlerweile geht die Diskussion eher dahin, dass auch Fischen ein Schmerzempfinden zugestanden wird.»
Ohne Aquakultur hätten wir keine Chance, den Menschen zu ernähren.
Die Konsumentenwahrnehmung habe dabei nicht immer etwas mit Rationalität, sondern viel mit Psychologie zu tun. «Es werden Dinge wie die Haltungsdichte, die man von anderen Nutztieren etwa aus der Hühnerhaltung kennt, auf Fische projiziert.» Das in dem Glauben, dass je weniger dicht Fische gehalten werden, umso besser es ihnen gehe. «Was nicht immer der Fall, denn das hängt sehr stark von der Art ab», so die Wissenschaftler.
Speisefisch aus Aquakulturen
Die Aquakultur hat vor allem in Asien einen Stellenwert, der dem der Agrikultur, also der Landwirtschaft, entspricht. «Ohne Aquakultur hätten wir keine Chance, den Menschen zu ernähren», sagt Reinhold Hanel. Die Zahlen sprechen für sich: Jeder zweite Fisch, der weltweit verspiesen wird, kommt inzwischen aus Aquakulturen.