Zum Inhalt springen
Audio
Frische Äpfel im Juni – aus der Schweiz oder Neuseeland?
Aus Input vom 16.06.2024. Bild: SRF / Michael Bolliger
abspielen. Laufzeit 22 Minuten 12 Sekunden.

Frische Äpfel im Juni Schweizer Äpfel vs. Neuseeland-Import: Was ist klimafreundlicher?

Dass wir im Juni inländische Äpfel essen können, verdanken wir einer monatelangen Lagerung. Diese Lagerung braucht Strom. Würden wir aus Klima-Überlegungen im Frühsommer nicht gescheiter Äpfel aus Neuseeland essen? Dort ist gerade Saison.

Knapp 100'000 Tonnen Tafeläpfel wurden im letzten Herbst in der Schweiz geerntet. Mehr als zwei Drittel der Ernte in der Deutschschweiz verarbeiten zwei grosse Player: die «Tobi Seeobst AG» im Thurgau und die Obsthalle von «Inoverde» in Sursee, LU. Inoverde gehört zum Agrarkonzern «Fenaco».

«Wir schicken sie in den Winterschlaf»

Im Kühlschrank zu Hause werden die Äpfel höchstens ein paar Wochen alt. Wie lagern die Profis, damit die Früchte monatelang frisch und knackig bleiben? In der Obsthalle in Sursee erklärt Beschaffungsleiter Samuel Wyssenbach, wie es geht. Die Äpfel werden in grossen Kühlräumen, sogenannten Zellen, untergebracht.

Mann steht in leerem Lagerraum und schaut nach oben.
Legende: Samuel Wyssenbach in einer leeren Kühlzelle. Michael Bolliger

«Wenn die Zelle voll ist, verschliessen wir den Raum hermetisch und kühlen ihn herunter. Wir versetzen die Äpfel in eine Art Winterschlaf», sagt Samuel Wyssenbach. Ein bis drei Grad Celsius beträgt die Zellen-Temperatur während der Lagerung. Mit einer sogenannt kontrollierten Atmosphäre wird die Reifung der Äpfel blockiert oder zumindest stark verlangsamt. So bleiben die Äpfel fast unbegrenzt frisch und knackig.

Monatelang lagern oder einmal transportieren?

330'000 Kilowattstunden Strom sind bei der «Obsthalle» pro Jahr nötig, um die Kühlung der Zellen sicherzustellen. Diese Energiemenge entspricht dem Verbrauch von knapp 100 Vier-Personenhaushalten in einem Mehrfamilienhaus, sagt die Statistik des Bundesamts für Energie. Ein Viertel des Strombedarfs deckt die «Obsthalle» über die eigene Photovoltaikanlage. «Der Rest kommt zum grössten Teil aus der Wasserkraft», sagt Samuel Wyssenbach.

Studie zur Klimawirkung der Lagerung von Äpfeln

Box aufklappen Box zuklappen

In der italienischen Region Südtirol ist das Klima besonders gut für Apfelplantagen. «Der Apfelkorb Europas» wird die Gegend auch genannt.

Welche Klimawirkung die Lagerung von Äpfeln hat, haben Fachleute der Universitäten Bozen (Südtirol) und Ancona mit zwei Modellen errechnet. Einerseits ein Modell mit Kühl-Strom aus fossilen Quellen (Gas, Kohle etc.) und im Vergleich erneuerbare Quellen (Sonne, Wasser).

Aufgrund dieser Berechnungen kommt Matthias Meier von der Berner Fachhochschule zur Einschätzung, dass ein Schiffstransport aus Übersee, etwa Neuseeland, das Klima eher belaste, als eine monatelange Lagerung von Äpfeln.

Das tönt gut, aber jetzt, im Frühsommer, fragt man sich trotzdem: Soll ich regional oder saisonal einkaufen? Schweizer Äpfel oder doch neuseeländische, die gerade Saison hätten. Lagerung oder Transport? Was ist besser – oder weniger belastend – fürs Klima?

Heute wird die Lagerung als klimafreundlicher eingeschätzt

 «Im Vergleich zum Ausland haben wir der Schweiz einen klimafreundlichen Strommix», sagt Matthias Meier von der Berner Fachhochschule. Meier erstellt an der BFH unter anderem Umweltbewertungen von Lebensmitteln.

Auf der Basis einer Studie von 2019 (s. Kasten) kommt Meier zur Einschätzung, dass die Lagerung von Äpfeln in der Schweiz als klimafreundlicher zu werten ist, im Vergleich zu einem langen Schiffstransport.  «In älteren Studien ging man noch davon aus, dass eine lange Lagerung das Klima mehr belaste als ein Schiffstransport. Unterdessen sind die Lagermethoden effizienter geworden und der Strommix in der Schweiz nachhaltiger».

Mann sitzt an Schreibtisch mit Computer und Monitor im Büro.
Legende: Matthias Meier, BFH-Dozent, an seinem Arbeitsplatz. Michael Bolliger

Darum ist nach Einschätzung von Matthias Meier heutzutage der Kauf eines Schweizer Apfels klimafreundlicher. «Regional vor saisonal» gilt also in diesem Fall.

Allerdings, betont Matthias Meier, dass die Frage von Lagerung oder Transport eines Apfels nur ein kleiner Teil ausmache. Eine echte Ökobilanz müsste viel mehr Aspekte miteinbeziehen. Nicht zuletzt auch die Frage, wie wir beim Einkaufen unterwegs sind. Zu Fuss oder mit dem Auto.

SRF 3 «Input», 16.06.2024, 20:03 Uhr

Meistgelesene Artikel