Schätzungen für den globalen Kleiderkonsum zeigen ein ernüchterndes Bild: «25 Prozent der produzierten Kleider wird nie verkauft, und 25 Prozent wird verkauft, aber nie getragen», erklärt Nina Bachmann, Nachhaltigkeitsexpertin beim Branchenverband Swiss Textiles. Das ist symptomatisch für unsere Produktions- und Konsumweise.
Die EU will dies mit «New Green Deal» ändern: Produkte sollen in Zukunft länger genutzt, wiederverwendet und dann rezykliert werden.
Durchbruch beim Recycling
Eine wichtige Rolle auf dem Weg zur Kreislaufwirtschaft spielen digitale Produktepässe. Über einen QR-Code an einem T-Shirt soll man in Zukunft zu Produkteinformationen gelangen – Angaben zu den Materialien, zur chemischen Behandlung und zur Herkunft.
Der digitale Produktepass (DPP) komme zum richtigen Zeitpunkt, findet Nina Bachmann, denn Technologien fürs Recycling, die bisher nur im Labor existierten, erreichen nun Marktreife: «Wir können jetzt 100 Prozent Baumwolle rezyklieren und Mischfasern trennen.»
Doch der Teufel steckt im Detail: Wie soll der Code angebracht werden? Wie gelangen die Daten auf den Pass? Die Lieferketten der Textilindustrie sind komplex, es mangelt an einheitlichen Standards zum Datenaustausch. Weil vieles noch unklar ist, musste die EU die für Sommer 2027 geplante Einführung für Textilien verschieben.
Batterien machen den Anfang
Schneller geht es bei Batterien: Ab Anfang 2027 müssen bestimmte Akkus mit einem Produktepass ausgeliefert werden. Das gilt für Batterien aus Elektroautos, E-Bikes und E-Scooters sowie Stromspeicher mit einer Kapazität über zwei kWh.
Über einen Produktepass erhält man schon bald Angaben zu den verwendeten Rohstoffen wie Lithium oder Kobalt und deren Herkunft, eine grosse Hilfe beim Recycling. Auch der Zustand der Batterie lässt sich ablesen, was wiederum eine Zweitverwertung des Akkus ermöglicht: Fällt die Kapazität einer Batterie im E-Auto unter 80 Prozent, so kann man sie immer noch in einer Photovoltaik-Anlage verwenden.
Das Schweizer Start-up BloqSens hat mit dem Centre Suisse Electronique et Microtechnique in Neuenburg eine App entwickelt, die das Verhalten der Batterie auf Zellebene messen kann, ein Novum. Die Daten werden über das Internet übertragen und auf einer Blockchain gesichert.
DPP – mehr als bürokratische Schikane
Anders als bei Textilien gibt es mit Catena-X in der Autoindustrie einen zentralen Datenpool, eine ideale Quelle für den Batterienpass. Lieferanten wie der chinesische Batteriehersteller CATL oder BMW sind daran beteiligt – auch mit dem Ziel, ihre Lieferketten zu optimieren.
Der digitale Pass für Akkus ermöglicht sowohl eine Zweitverwertung als auch eine fürs Recycling. Doch auch Hersteller profitierten davon, ist Peter Krummenacher von BloqSens überzeugt: Alle Daten an einem Ort führten zu Effizienz und Kundennähe.
Weitere Produktpässe sind geplant, zum Beispiel für Elektrogeräte oder die Bauindustrie.