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Mit nachhaltigem Verfahren zu sauberem Trinkwasser
Aus Wissenschaftsmagazin vom 28.01.2023. Bild: Keystone / Gaetan Bally
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Verschmutztes Grundwasser Mit einem Aktivkohle-Filter lässt sich Trinkwasser säubern

Im Schweizer Mittelland ist das Grundwasser vielerorts mit den Abbauprodukten eines Pflanzenschutzmittels belastet. Die gute Nachricht: In einem Pilotversuch konnten diese erfolgreich aus dem Trinkwasser herausgefiltert werden. Vor wenigen Jahren schien das kaum möglich.

Roman Wiget beschäftigt sich beruflich schon seit vielen Jahren mit Grundwasser. Doch ob den Resultaten jener Studie aus dem Sommer 2019 war er sehr überrascht: «Ich hätte nicht gedacht, dass die Abbauprodukte von Chlorothalonil in so hohen Konzentrationen gefunden würden.» Chlorothalonil ist ein Pilzbekämpfungsmittel, das fast 50 Jahre lang in der Schweizer Landwirtschaft verwendet wurde. Eine Pilotstudie des eidgenössischen Wasserforschungsinstituts Eawag konnte dessen Abbauprodukte vielerorts im Grundwasser nachweisen.

Chlorothalonil – «wahrscheinlich krebserregend beim Menschen»

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Pflanzenschutzmittel mit dem Wirkstoff Chlorothalonil sind in der Schweiz seit Anfang 2020 verboten. Studien hatten gezeigt, dass Chlorothalonil bei Nagetieren Krebs auslösen kann. Die Substanz gilt seither als «wahrscheinlich krebserregend beim Menschen».

Im Schweizer Grundwasser ist nicht Chlorothalonil selber zu finden, sondern seine Abbauprodukte. Gemäss der Einschätzung des Bundesamtes für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen stehen auch einige dieser Abbauprodukte im Verdacht, gesundheitsgefährdend zu sein. Damit gilt für sie der strenge Grenzwert für Pestizide im Trinkwasser.

Der Agrochemie-Konzern Syngenta, welcher Chlorothalonil herstellt, hat gegen diese Klassierung der Chlorothalonil-Abbauprodukte Beschwerde eingelegt. Der Entscheid des Bundesverwaltungsgerichts steht noch aus. Bis dahin ist unklar, welche Grenzwerte für die Abbauprodukte von Chlorothalonil im Trinkwasser gelten. Die gemessenen Konzentrationen seien immer noch so tief, dass sie gesundheitlich kein Risiko darstellten, sagt das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit BLV auf Anfrage.

Roman Wiget ist Geschäftsführer der Seeländischen Wasserversorgung Worben, die für mehrere Zehntausend Menschen Trinkwasser aus dem Grundwasser gewinnt. Das Wasser aus der Fassung bei Worben ist stark von den Verschmutzungen betroffen: Die unerwünschten Stoffe überschritten den Grenzwert für Pestizide im Trinkwasser um fast das 20-fache. Gesundheitsschädlich sind die Stoffe in den gemessenen Konzentrationen nicht. Darüber sind sich Fachleute des Bundes und aus verschiedenen Kantonen einig.

Unerwünschte Substanzen sollen aus dem Trinkwasser

Trotzdem positionierte sich Wiget früh mit klaren Worten: Diese Abbauprodukte müssten aus dem Trinkwasser herausgefiltert werden. Nur: noch vor wenigen Jahren hatte man dafür kaum eine Lösung. «Die Umkehrosmose war damals das einzig bekannte Verfahren, das es schaffte, die Abbauprodukte von Chlorothalonil aus dem Trinkwasser zu entfernen», sagt er.

Es ist unschön, dass wir jetzt Trinkwasser filtrieren müssen, das jahrhundertelang ohne Qualitäts-Risiken genutzt werden konnte.
Autor: Roman Wiget Geschäftsführer der Seeländischen Wasserversorgung Worben

Doch dieses Verfahren braucht sehr viel Strom und es fallen grosse Mengen an problematischem Abwasser an. Zwar bewilligten die Mitglieder der Seeländischen Wasserversorgung den Baukredit von knapp zwei Millionen Franken – aber Roman Wiget haderte mit den Nachteilen des Verfahrens.

Feinstes schwarzes Pulver mit riesiger Oberfläche

Er und sein Team starteten darum Versuche mit Aktivkohle. «Das Erstaunliche an Aktivkohle ist seine enorm grosse Oberfläche», sagt Wiget. Würde man wenige Gramm davon flach auswalzen, erhielte man die Oberfläche eines Fussballfeldes. «An dieser Oberfläche bleiben die Abbauprodukte des Chlorothalonils kleben», sagt Florence Bonvin, wissenschaftliche Leiterin des Unternehmens Membratec, das zusammen mit Roman Wiget weiter an einem Reinigungsverfahren getüftelt hat.

Aussitzen oder aufwändig filtrieren?

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Die Untersuchung des Schweizer Wasserforschungsinstituts Eawag aus dem Sommer 2019 war die bis dahin umfassendste Analyse des Schweizer Grundwassers. Die Forschenden fanden dabei die Abbauprodukte von Chlorothalonil und auch anderen Pestizid-Wirkstoffen.

Seither versuchen verschiedene Trinkwasserversorger, die Konzentrationen an unerwünschten Rückständen zu senken, indem sie das belastete Grundwasser mit sauberem Wasser mischen. Einige Dutzend Wasserversorgungen würden sich derzeit überlegen, ob sie eine aufwändige Filteranlage bauen sollen, schätzt der Schweizer Verband des Gas- und Wasserfaches.

Die Pläne der Seeländischen Wasserversorgung sind wohl am weitesten fortgeschritten. Im besten Fall filtert jene Anlage auch andere unerwünschte Stoffe aus dem Trinkwasser – allenfalls auch solche, die vielleicht erst in Zukunft gefunden werden. Deswegen gibt es auch Kritik an der Pilotanlage der Seeländischen Wasserversorgung: Sie könnte das Vorsorge-Prinzip schwächen – also die Bemühungen, das Grundwasser von vornherein so gut als möglich zu schützen.

Das Trinkwasser in der Schweiz stammt zu 80 Prozent aus Grundwasser. Bis vor wenigen Jahren galten zwei Drittel davon als so sauber, dass es nach einfacher Filtration oder ganz ohne Aufbereitung direkt getrunken werden konnte. Wegen einer gerichtlichen Klage von Syngenta ist momentan unklar, wie viel Trinkwasser heute die gesetzlichen Anforderungen erfüllt.

«Normalerweise brauchen die Verschmutzungen aber zu lange, bis sie alle auf der Aktivkohle kleben», so Bonvin. Deshalb versuchte sie, die Aktivkohle feiner und feiner zu mahlen. Dadurch wird deren Oberfläche nochmals grösser. In der Pilotanlage in Worben liessen sich die unerwünschten Moleküle damit deutlich effizienter herausfiltern. Die Aktivkohle musste seltener ausgewechselt werden und das Verfahren wurde wirtschaftlich.

Dieser Aktivkohle-Filter soll darum nicht teurer ausfallen als die ursprünglich angedachte, problematischere Umkehrosmose – und könnte noch dieses Jahr in Betrieb gehen. Roman Wiget freut sich, dass er nun doch noch ein umweltfreundlicheres Verfahren gefunden hat. Gleichzeitig sagt er, erneut mit bitterer Stimme: «Es ist unschön, dass wir jetzt Trinkwasser filtrieren müssen, das jahrhundertelang ohne Qualitäts-Risiken genutzt werden konnte. Das zeigt klar, dass der Schutz des Grundwassers nicht genügend ernst genommen wurde.»

Wissenschaftsmagazin, 28.01.2023, 12:40 Uhr

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