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Insektensterben in der Schweiz: Sind sie wirklich so bedroht?
Aus Einstein vom 06.06.2024.
Bild: SRF abspielen. Laufzeit 35 Minuten 54 Sekunden.

Fehlender Lebensraum Sterben der Schweiz die Insekten aus?

Durch intensive Landwirtschaft, Urbanisierung, Pestizide und den Klimawandel verschwinden Habitate für unsere Insekten. Erste Studien zeigen: Die Insektengemeinschaft verändert sich. Und: Einzelne, spezialisierte Insekten, verschwinden, die Biodiversität also nimmt ab.

Insekten sind die grösste Tiergruppe weltweit und in der Schweiz. Sie tragen viel zur Biodiversität bei und vollführen wichtige Ökosystemleistungen. Aus der Schweiz sind 30'000 Arten bekannt – geschätzt sind aber bis zu doppelt so viele Insekten in der Schweiz heimisch. 

Rote Listen für Insekten

Für gefährdete Arten erstellt der Bund rote Listen, diese roten Listen werden auch regelmässig ergänzt. Bei den Insekten wurden bislang circa 3000 Insektenarten bewertet. Aktuell fehlt aber für viele Arten noch solche Bewertungen. Es gibt eine Vielzahl von Faktoren, welche dazu führen, dass die Artenvielfalt der Schweizer Insekten unter Druck steht. Zersiedelung, intensive Landwirtschaft und klimatische Veränderungen etwa setzen den Sechsbeinern zu.

Rote Listen: Warum gibt es sie und warum sind sie wichtig

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Der Bund (Bundesamt für Umwelt, BAFU) erstellt sogenannte rote Listen. Das sind wissenschaftlich anerkannte Gutachten, in denen der Gefährdungsgrad von Arten dargestellt ist. Gemäss BAFU wurde aber erst 10'844 der 56'009 bekannten Arten (Pflanzengruppen, Tiergruppen, Pilz- und Flechtengruppen) bewertet. Rote Listen dienen als Dokumentation, aber helfen auch für die Interessenabwägung und dienen u.a. auch Grundlage für das Artenförderungskonzept der Schweiz. 

Studien zu Langzeitveränderungen der Insektenfauna in der Schweiz sind selten. Die Forschungsinitiative INSECT soll dem entgegenwirken. «Es fehlen Daten, welche wir vergleichen können», so Kurt Bollmann von der Forschungsanstalt Wald, Schnee und Landschaft WSL. Die Initiative will die konkreten Auswirkungen des Klima- und Landnutzungswandels auf die Insektengemeinschaften untersuchen.

Forschungsinitiative INSECT

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Die Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL), die Forschungsanstalt Agroscope, das Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL), das nationale Daten- und Informationszentrum info fauna (CSCF) und die Schweizerische Vogelwarte Sempach haben das gemeinsame Projekt INSECT lanciert. Ziel ist es, Rückschlüsse über den Zustand und die Veränderungen der Insektengemeinschaften in der Schweiz zu gewinnen, die wichtigsten Gefährdungsfaktoren zu identifizieren und Handlungsempfehlungen herzuleiten. Die Forschungsinitiative läuft von 2021 bis 2026.

Auch der Insektenforscher Felix Neff von Agroscope, des Kompetenzzentrums des Bundes für landwirtschaftliche Forschung, ist Teil der Initiative INSECT. Die Initiative soll zwar auch zeigen, wie sich die Biomasse der Schweizer Insekten in den letzten Jahrzehnten verändert hat, also wie viele Insekten es insgesamt gibt.Hier fehlen aber noch die Daten. «Aber es gab grosse Veränderungen in den Insektengemeinschaften: Für viele Arten fanden wir Abnahmen, ihre Anzahl wurde also geringer!», so Neff. Einzelne, kälteliebende Arten haben es schwer und sind zurückgegangen. Forscherinnen und Forscher haben aber festgestellt, dass zum Beispiel wärmeliebende Arten sich hervorgetan haben. Das führen Neff und seine Kolleginnen und Kollegen auch auf den Klimawandel zurück.

Was heisst das für uns?

Für uns kann das bedeuten, dass wir unter anderem mit einem Verlust der Bestäubungsleistung rechnen müssen, und folglich weniger Obst wächst. Denn auch Wildbestäuber sind unter Druck. «Wildbestäuber tragen erheblich zur Bestäubung in landwirtschaftlichen Kulturen bei und sind damit sehr wichtig», sagt Neff.

Ob wir für Kirschen, Apfelbäume oder Aprikosen schon ein Bestäubungsproblem haben, wird sich zeigen. Fakt ist: Eine Studie an der Agroscope zur Bestäubungsleistung konnte in landwirtschaftlichen Kulturen in der Schweiz ein leichtes Bestäubungsdefizit aufzeigen. Es wird daher weiter intensiv geforscht. Zum Beispiel an sogenannten Blühstreifen, welche explizit Wildbestäuber im Agrarland fördern können.

Einstein, 06.06.2024, 21:05 Uhr

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