«Wunderbar, wieder ein Trittstein mehr.» Projektleiterin Andrea Haslinger ist sichtlich zufrieden mit dem heutigen Etappenziel. Tümpel Nr. 36 ist fertig – unter einem Strommast.
Zusammen mit vier Zivildienstleistenden und einem Landschaftsgärtner hat sie diesen angelegt. Vierzig weitere Tümpel sollen schweizweit noch folgen.
Nicht nur der Standort ist besonders, der Tümpel ist auch speziell angepasst an die Bedürfnisse der Gelbbauchunke. «Die Gelbbauchunke braucht frisch entstandene Gewässer, die nicht viel Vegetation haben, die klein sind, die sich rasch erwärmen, damit ihre Jungen sich schnell entwickeln können.» Früher waren das häufig mit Wasser gefüllte Fahrrinnen von Traktoren oder niedrige Überschwemmungsflächen. Doch solche Gewässer sind mittlerweile rar in einer zunehmend perfekt kontrollierten Landschaft.
Dramatischer Lebensraumverlust
Der Verlust von Lebensraum ist ein grosses Problem für viele Amphibienarten. In den vergangenen hundert Jahren sind über 90 Prozent der Feuchtgebiete verschwunden. Viele Flächen wurden trockengelegt und versiegelt. Natürliche Fliessgewässer kanalisiert.
Die Folge: 14 der 19 einheimischen Amphibienarten stehen auf der Roten Liste. Sind stark gefährdet. Bei manchen Arten ist in den letzten 30 Jahren über die Hälfte der Tiere verschwunden. Gerade Arten, die auf feuchte Lebensräume angewiesen sind, sind überdurchschnittlich häufig bedroht. Das zeigt der jüngst erschienene Synthesebericht aller Roten Listen.
Amphibien in der Schweiz: Welche sind bedroht, welche nicht?
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Bild 1 von 17. Alpensalamander. Der Alpensalamander (Salamandra atra atra) steht nicht auf der Roten Liste. Er gilt als nicht gefährdet. Bildquelle: Andreas Meyer, info fauna karch.
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Bild 2 von 17. Bergmolch. Der Bergmolch (Ichthyosaura alpestris) steht nicht auf der Roten Liste. Er gilt als nicht gefährdet. Bildquelle: imago.
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Bild 3 von 17. Erdkröte. Die Erdkröte (Bufo bufo) ist auf der Roten Liste als «Vulnerable – verletzlich» eingestuft. Bildquelle: imago.
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Bild 4 von 17. Fadenmolch. Der Fadenmolch (Lissotriton helveticus) ist auf der Roten Liste als «Vulnerable – verletzlich» eingestuft. Bildquelle: SRF.
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Bild 5 von 17. Feuersalamander. Der Feuersalamander (Salamandra salamandra) ist auf der Roten Liste als «Vulnerable – verletzlich» eingestuft. Bildquelle: imago.
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Bild 6 von 17. Geburtshelferkröte. Die Geburtshelferkröte (Alytes obstetricans obstetricans) ist auf der Roten Liste als «Endangered – stark gefährdet» eingestuft. Bildquelle: imago.
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Bild 7 von 17. Gelbbauchunke. Die Gelbbauchunke (Bombina variegata variegata) ist auf der Roten Liste als «Endangered – stark gefährdet» eingestuft. Bildquelle: imago.
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Bild 8 von 17. Grasfrosch. Der Grasfrosch (Rana temporaria temporaria) steht nicht auf der Roten Liste. Er gilt als nicht gefährdet. Bildquelle: imago.
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Bild 9 von 17. Italienischer Kammmolch. Der Italienische Kammmolch (Triturus carnifex) ist auf der Roten Listen als «Endangered – stark gefährdet» eingestuft. Sein natürliches Verbreitungsgebiet in der Schweiz ist das Tessin. Bildquelle: imago.
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Bild 10 von 17. Italienischer Springfrosch. Der italienische Springfrosch (Rana latastei) ist auf der Roten Liste als «Vulnerable – verletzlich» eingestuft. Bildquelle: Andreas Meyer, info fauna karch.
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Bild 11 von 17. Kammmolch. Der Nördliche Kammmolch (Triturus cristatus) ist auf der Roten Liste als «Endangered – stark gefährdet» eingestuft. Bildquelle: imago.
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Bild 12 von 17. Kreuzkröte. Die Kreuzkröte (Epidalea calamita) ist auf der Roten Liste als «Endangered – stark gefährdet» eingestuft. Bildquelle: imago.
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Bild 13 von 17. Laubfrosch. Der Europäische Laubfrosch (Hyla arborea) und der italienische Laubfrosch (Hyla intermedia perrini) sind auf der Roten Liste als «Endangered – stark gefährdet» eingestuft. Beide Arten haben unterschiedliche Verbreitungsareale (nördlich der Alpen bzw. Tessin), sehen sich aber sehr ähnlich. Der Laubfrosch ist ein guter Kletterer. Bildquelle: SRF.
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Bild 14 von 17. Springfrosch. Der Springfrosch (Rana dalmatina) ist auf der Roten Liste als «Endangered – stark gefährdet» eingestuft. Bildquelle: Andreas Meyer, info fauna karch.
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Bild 15 von 17. Teichmolch. Der Teichmolch (Lissotriton vulgaris) ist auf der Roten Liste als « Endangered – stark gefährdet» eingestuft. Bildquelle: Andreas Meyer, info fauna karch.
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Bild 16 von 17. Wasserfrosch/Teichfrosch. Wasserfrosch (Pelophylax lessonae) und Teichfrosch (Pelophylax esculentus) gehören zum Wasserfrosch-Komplex. Sie stehen nicht auf der Roten Liste, werden als «Near Threatend – potenziell gefährdet» geführt. Heisst: Die Art könnte demnächst in die Rote Liste aufgenommen werden. Wasserfrösche sind für die Froschkonzerte im Frühjahr verantwortlich. Bildquelle: SRF.
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Bild 17 von 17. Wechselkröte. Die Wechselkröte (Bufotes viridis balearicus) wird auf der Roten Liste als «Regionally Extinct – regional, bzw. in der Schweiz, ausgestorben» geführt. Bildquelle: imago.
Tümpel und Teiche helfen
Dabei gibt es eine einfache und effektive Massnahme, dem Verlust von Lebensraum entgegenzuwirken: der Bau von Tümpeln und Teichen. Doch die Sache hat einen Haken.
«In unserer Landschaft haben wir zunehmend Mühe, Flächen für die Natur zu finden, wo die Natur Vorrang hat.» So entstand die Idee mit den Strommasten. Andrea Haslinger leitet das pro natura-Projekt. Strommasten böten eine gute Alternative, erklärt sie weiter. Unter ihnen sei eine Bewirtschaftung schwierig. Die Flächen lägen meist brach.
Strominfrastruktur sinnvoll nutzen
Zudem stehen die Masten oft entlang von Flüssen und Wäldern. Also dort, wo sich Frösche, Kröten und Molche ohnehin gern aufhalten. Zudem durchziehen sie die Landschaft wie Perlenschnüre, häufig im Abstand von wenigen hundert Metern und damit in Laufdistanz der meisten Amphibien. So können Tümpel unter Strommasten Lebensräume und Laichgebiete vernetzen und den genetischen Austausch sichern.
Vernetzung ist zentral
Für den Artenschutz ist Vernetzung zentral. «Viele haben das Gefühl, unsere Landschaft ist so schön und grün, da muss es Natur und Artenvielfalt doch wunderbar gehen. Aber die Realität sieht anders aus.»
Weil Vernetzung vielerorts fehlt, hat der Bund das Projekt «Ökologische Infrastruktur» ins Leben gerufen. In allen Kantonen soll ein zusammenhängendes Netz von Flächen für Biodiversität entstehen. Vergleichbar mit einem umfassenden Verkehrswegenetz. Nur eben für Tiere statt Menschen.
Viel hilft viel
Andrea Haslinger hofft, dass das Strommasten-Projekt Nachahmer findet: «Leute können hier diesen Tümpel sehen, die Amphibien beobachten, erleben ein Stück Natur und Artenvielfalt und werden motiviert, zu Hause oder auf ihrem eigenen Land so etwas anzulegen.» Schlussendlich gilt: Jeder Tümpel zählt. Denn auch Masse verstärkt ein Netz.