Die Situation der Tier-, Pflanzen und Pilzvielfalt in der Schweiz hat sich im letzten Jahrzehnt trotz Massnahmen nicht verbessert. Das ist das Fazit aus zwei Studien des Bundesamts für Umwelt (Bafu). Es ist die erste Auswertung aller Roten Listen gefährdeter Arten in der Schweiz seit zehn Jahren.
«Die Berichte zeigen Entwicklungen, die uns Sorge bereiten müssen», sagte Bafu-Direktorin Katrin Schneeberger am Internationalen Tag der Biodiversität vor den Medien. Bei den Fischen, den Reptilien, den Vögeln und den Gefässpflanzen wie zum Beispiel Farne hat sich die Situation laut den Berichten gar verschlechtert.
Im Vergleich zu den Nachbarländern ist der Anteil gefährdeter oder ausgestorbener Arten in der Schweiz zudem besonders hoch. Von den Arten, die nur oder zum grössten Teil in der Schweiz vorkommen, steht fast die Hälfte auf der Roten Liste.
Artenvielfalt: Keineswegs ein Luxus
«Biodiversität ist nicht einfach ein Luxus. Im Gegenteil: Sie betrifft uns alle ganz direkt», betonte Schneeberger. Gehe es der Biodiversität schlecht, sei unsere Lebensgrundlage bedroht.
So sei es etwa ohne bestäubende Insekten nicht möglich, Landwirtschaft zu betreiben. Auch sei die Artenvielfalt eine der wichtigsten Quellen für neue Wirkstoffe, aus denen Medikamente hergestellt werden.
Biodiversität betrifft uns alle ganz direkt.
Ausserdem erhöhe eine reiche Biodiversität die Chance, dass sich die Natur an Extremereignisse wie Trockenheits- oder Hitzestress anpassen kann. Biodiversität sei damit eine Art Versicherung.
Die Protagonisten des Biodiversitätsverlusts seien nicht nur die bekannten Arten wie Luchs und Bartgeier, sondern oft auch Arten, die kaum jemand kenne, betonte Bafu-Vizedirektorin Franziska Schwarz.
Weniger ökologisch wertvolle Flächen
Neben der Zunahme der gefährdeten Arten zeigen die Berichte, dass die Fläche, Qualität und Vernetzung ökologisch wertvoller Lebensräume seit dem Jahr 1900 stark abgenommen hat. In vielen Fällen sind demnach nur noch Restflächen übrig. Betroffen ist insbesondere das Mittelland.
«Der Platz in der Schweiz ist knapp und in den letzten Jahren immer knapper geworden», sagt SRF-Inlandredaktor Ralph Heiniger. Deshalb hätten sich die Flächen für ökologisch wertvolle Lebensräume weiter verkleinert.
Einzelne Erfolge
Immerhin: Die Schweiz hat schon vor Jahren Massnahmen getroffen und so laut Schwarz einiges erreicht. So habe sich die Gefährdungssituation bei den Libellen und Amphibien verbessert.
Bestimmte Arten haben davon profitiert, dass Lebensräume revitalisiert, aufgewertet oder neu angelegt worden sind.
«Offenbar haben bestimmte Arten davon profitiert, dass in den letzten Jahren viele für sie geeignete Lebensräume revitalisiert, aufgewertet oder neu angelegt worden sind», sagte die Bafu-Vizedirektorin. Auch in den Wäldern sei die Situation ganz allgemein besser geworden, kommen die Studien zum Schluss.
Naturschützer kritisieren Politik
Die Umweltorganisation Pro Natura fordert eine Verstärkung der Massnahmen zum Erhalt der Artenvielfalt. Mit einer Aktion auf dem Bundesplatz in Bern warnte Pro Natura am Internationalen Tag der Biodiversität denn auch vor einem gigantischen Dominoeffekt durch den Verlust von Tier-, Pflanzen- und Pilzarten.
Die Massnahmen der Schweizer Politik gegen die Biodiversitätskrise kritisierte sie als unzureichend.
Der Schweizer Bauernverband betonte in einer Mitteilung die Wichtigkeit der Biodiversität. Die Landwirtschaft gebe sich grosse Mühe, ihre Hausaufgaben zur Förderung der biologischen Vielfalt zu machen.