Sie sind stolz, prägen ganze Landschaften - und sind bedroht: Hochstammbäume. Die traditionellen, hochgewachsenen Apfel-, Kirsch- oder Zwetschgenbäume werden im Obstbau immer mehr verdrängt von kleineren, wirtschaftlich attraktiveren Baumsorten. Die Arbeit an den hohen Bäumen ist aufwändig, erzählt der Solothurner Landwirt Heller. Zudem bedroht ein Schädling die Ernte. Haben die Hochstammbäume dennoch eine Zukunft?
1950 gab es in der Schweiz noch 15 Millionen Hochstammbäume. Heute liegt der Bestand gemäss Bund bei noch rund 2.2 Millionen. Mit den Hochstammbäumen verschwinden Lebensräume für Vögel, Insekten und andere Tiere. Und ein Sauerstofflieferant für Menschen: Hochstammbäume nehmen CO₂ auf und geben Sauerstoff ab. Die prägenden Elemente in Landschaften wie dem Aargauer Fricktal, dem Baselbiet, dem Zugerland oder Mostindien (Thurgau) fehlen immer mehr.
Einer, der auf Hochstammbäume setzt, ist Martin Heller, Landwirt aus dem Solothurnischen Nuglar St. Pantaleon. Kirschen, Äpfel, Zwetschgen und Quitten produziert er. Heller ist Co-Präsident des Vereins Hochstamm Suisse. Auf seinem Hof hatte der Verein eine Fachtagung durchgeführt und mit Fachleuten Lösungen für den Erhalt der Bäume diskutiert.
99 Prozent der Ernte weg
Hochstammbäume sind Hagel und Unwettern stärker ausgesetzt als kleinere Bäume, die mit Netzen geschützt werden. Dafür könne ihr grosses Wurzelwerk Wasser besser speichern. In Trockenzeiten ein Vorteil, meint Heller. Das grosse Problem sei ein Schädling, der die Ernte bedroht.
«Die Kirschessigfliege zerstört 99 Prozent der Kirschernte», sagt Martin Heller aus eigener Erfahrung. Sein Verein fordert vom Bund rasche Lösungen, natürliche Spritzmittel oder einen Nützling, wie er anderswo schon eingesetzt wird: «Eine Schwebefliege könnte helfen. Sie frisst die Eier der Kirschessigfliege. In Italien und Frankreich wird das praktiziert, die Schweiz hinkt hinterher.»
Für den Nützling bräuchte es eine Bewilligung des Bundesamts für Landwirtschaft. Dem Verein schwebt vor, dass man Bäume pflanzt, in denen sich der Nützling ansiedeln könnte. Es laufen bereits einzelne Versuche in der Schweiz, mit einer Schlupfwespe die Kirschessigfliege zu bekämpfen.
Gefährliche Arbeit
Wirtschaftlich lohnen, würde sich die Arbeit an den hohen Bäumen selten, sagt Heller. Die Arbeit auf der hohen Leiter ist herausfordernd. Trotzdem erfreuen die blühenden Kirschbäume am Südhang seines Hofes die Bevölkerung. «Gerade jetzt, wo sie wegen der kalten Nächte schon fast einen Monat lang blühen, halten viele an und fotografieren meine Kirschbäume», erzählt er.
Mit Geld kann man das nicht abgelten, was wir leisten.
Bereits Hellers Grosseltern hatten diese Bäume, sie konnten noch von den Einnahmen leben. Das sei vorbei. «Was lohnt sich überhaupt noch in der Landwirtschaft? Hochstammbäume sind Herzblut. Mit Geld kann man nicht abgelten, was wir leisten. Wir machen das für die Natur und aus Liebe zu den Hochstammbäumen.»
Zusätzliche Einkünfte nötig
Bauer Heller hat weitere Standbeine. Mutterkühe, Schafe, Pferde und die Produktion von Heu. Ohne ginge es nicht. 70-Stunden-Wochen seien normal, aber das Arbeiten in der Natur entschädige dafür, findet Martin Heller.
Trotz Hindernissen habe der Hochstammbaum in der Schweiz eine Zukunft, ist Martin Heller überzeugt. «Die Bäume wird es in 20 Jahren noch geben, da bin ich überzeugt. Es wäre schade um die zum Teil hundertjährigen Hochstammbäume.»