Der Buntspecht ist der Perkussionist unter den Vögeln. Er singt nicht, er trommelt. Und das schon ganz früh im Jahr. Je nach Ast tönt es wieder anders. Auch Kirchturmspitzen aus Blech tönen nicht schlecht. Relativ neu entdeckt hat der Buntspecht jedoch unsere Hauswände. Denn seit wir immer mehr Bauten von aussen isolieren, bieten sich für ihn unerwartete neue Möglichkeiten.
Vorliebe für Hausecken
Der harte, raue Verputz unserer Häuser ähnelt der Baumrinde, das weiche Dämm-Material darunter klingt wie faules Holz. Da lohnt es, ein wenig tiefer zu gehen, denkt sich der farbige, knapp amselgrosse Klettervogel wohl. Schwarz-weiss ist er, mit einem blutroten Unterbauch.
Und so hackt der Buntspecht immer häufiger Löcher in die modernen Hausfassaden – mit Vorliebe an den Hausecken. Löcher, in denen er zwar nicht brütet, aber gerne übernachtet.
Hausbesitzer haben keine Freude
Die Hausbesitzer haben keine Freude an den lautstarken Untermietern. Bis zu 50 Spechtschäden werden der Vogelwarte Sempach jedes Jahr gemeldet, die Dunkelziffer ist weit grösser. Wenn Baufirmen die Löcher in den Fassaden wieder zumachen, hauen die Spechte oft bald schon wieder neue.
Manche Baufachleute bieten deshalb sogar Abwehrmassnahmen an, geworben wird mit «spechtsicheren Wärmedämmverbundsystemen» oder Spanndrähten, um gefährdete Hausecken zu schützen.
Zum Brüten nur echte Baumhöhlen
Zumindest im Frühling haben Hausbesitzer Ruhe vor dem Specht. Dann fängt nämlich seine Brutsaison an – und als Kinderstube kommen für den Buntspecht nur echte Baumhöhlen infrage.
Etwa fünf Junge zieht ein Spechtpaar gross. Wie ihre Eltern haben die jungen Spechte ein Gehirn, das mit Stossdämpfern versehen ist, damit es beim Trommeln keinen Schaden nimmt. Ab dem Sommer verlassen die Jungen das Revier der Eltern – und ab dann beginnt auch das Picken an den Fassaden wieder.
Baumeister für verschiedene Vogelarten
Übrigens: Wenn die Spechte die Fassadenhöhlen nicht mehr als Schlafplatz nutzen, so übernehmen gerne Spatzen, Mauersegler, Kleiber oder Stare die Löcher. Sie alle leiden akut unter Wohnungsnot in den Städten, weil es in modernen, dicht isolierten Häusern kaum mehr Ritzen und Nischen gibt, wie in alten Bauten.
Der Buntspecht ist also Baumeister für ganz verschiedene Vogelarten – und sogar für Fledermäuse oder Eichhörnchen. Der Buntspecht baut also Stuben und Schlafzimmer für die unterschiedlichsten Tiere.
Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kultur kompakt, 19.04.2017, 07:20 Uhr