Sie sind laut, intelligent und sie hinterlassen einen ziemlichen Dreck: Saatkrähen. Eine Vogelart, die bis in die frühen 1960er-Jahre in der Schweiz nicht gebrütet hat. Heute bevölkern über 7000 Brutpaare dieser intelligenten Rabenvögel unsere Städte – meist zum Leidwesen der Anwohner.
Denn Saatkrähen sind Frühaufsteher. Schon eine halbe Stunde vor Sonnenaufgang kommt Leben in die Brutkolonien in den Schweizer Städten. Anwohner können ein Lied davon singen.
Die etwas andere Zierde
Seitdem die Saatkrähen in Deutschland nicht mehr gejagt werden, haben sie von Basel aus nach und nach alle grösseren Schweizer Städte besiedelt. Dort brüten sie in Gruppen in Parks oder ganz oben in Allee-Bäumen entlang der Strassen. Autos, die darunter parken, werden umgehend verziert – mit satten, weissen Kotflecken.
Viele Städter haben keine Freude an den lauten Neuzuzügern. In Basel versuchte man sie mit lauten Klappern zu vertreiben, in Bern mit Plastikhauben, die man über die Brutplätze stülpte und mit Uhus aus Plastik, die den Tieren Angst einflössen sollten. Aber die Saatkrähen sind ziemlich schlau. Sie haben die Tricks durchschaut oder ihre Nistplätze einfach ein bisschen verschoben.
Der freiwillige Fall
Uns Menschen bleibt da nicht viel mehr, als resigniert zuzusehen. Doch Zusehen lohnt sich bei diesen Tieren, denn sie haben einen ziemlich grossen Unterhaltungswert. Einen viel höheren zumindest als ihre häufigeren Verwandten, die Rabenkrähen, die unauffälliger als Einzelpäärchen brüten.
Rabenkrähen sind ganz schwarz, Saatkrähen hingegen haben einen charakteristischen grauen Fleck im Gesicht, dort wo ihr Schnabel beginnt. Und eben: Unterhaltsamer sind sie: Sie bieten zum Beispiel akrobatische Flugspiele. Manchmal lassen sie sich absichtlich fallen oder sie sitzen auf einen Ast und beginnen zu schaukeln wie Kinder.
Grosses Kino in der Baumkrone
Innerhalb der Kolonie streiten die Tiere oft und verteidigen ihren Brutplatz. Sie klauen sich auch ziemlich hemmungslos gegenseitig die Zweige aus den Nestern. Wer fliegt schon gerne weit rum, auf der Suche nach Nistmaterial?
Manchmal legen die Weibchen sogar ein Ei ins Nachbarnest. So können die anderen das Futter suchen für den eigenen Nachwuchs. Männchen und Weibchen aber sind unzertrennlich. Sie bleiben ein ganzes Saatkrähenleben lang zusammen. Grosse Liebe also, Zank und Sport – wer diese Vögel beobachtet, erlebt grosses Kino.
Die Saatkrähe ist eine von wenigen Vogelarten, die deutlich häufiger geworden ist in den letzten Jahren. Und die intelligenten Rabenvögel werden kaum mehr verschwinden aus unseren Städten. Wer also sein Auto nicht putzen will, schaut besser nach oben vor dem Parkieren. Und noch ein Tipp für geplagte Stadtbewohner: Kaufen sie sich einen Feldstecher – und Ohrenstöpsel!
Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kultur kompakt, 12.04.2017, 07:20 Uhr