Warum es weltweit nur selten Todesfälle mit Spinnen gibt und wie er selbst auch in der Schweiz schon von einer Jagdspinne gebissen wurde, erklärt der Experte Christian Kropf.
SRF: Sind die meisten Spinnen giftig?
Christian Kropf: Fast alle der 50'000 Spinnenarten besitzen ein paar Giftdrüsen, um Kakerlaken, Fliegen, Grillen oder andere Insekten zu töten. Bei den meisten von ihnen ist die Menge des bei einem Biss verabreichten toxischen Wirkstoff aber bei Weitem nicht ausreichend, um einem Menschen gesundheitlich zu schaden.
Einen Monat nach einem Spinnenbiss zu sterben, kann mit Sicherheit nicht stimmen.
Spinnen setzen diesen aufwendig produzierten «Wirkstoffcocktail» nur ein, wenn sie ihre Beute damit lähmen wollen oder sie sich aus irgendeinem Grund verteidigen müssen. Weltweit sind nur wenige Spinnenarten für uns tatsächlich gefährlich. Todesfälle bei Menschen sind äusserst selten und kommen pro Jahr schätzungsweise maximal zehnmal vor.
In Italien sollen gleich zwei Personen Opfer von Violinspinnen geworden sein. Kann das sein?
Bisher fehlt dazu immer noch der Beweis, dass die Spinne die Todesursache war. Violinspinnen wie auch andere sechsäugige Sandspinnen haben zwar ein potentes Gift, welches das Gewebe der menschlichen Haut kaputt macht. Im Extremfall muss beispielsweise ein Stück Finger amputiert werden. Doch dass die sogenannte Europäische Braunspinne «Loxosceles rufescens» tatsächlich dafür verantwortlich sein soll, dass vor Kurzem ein 23-Jähriger sogar einen Monat nach dem Spinnenbiss an einem septischen Schock und Organversagen stirbt, kann mit Sicherheit nicht stimmen.
Weshalb nicht?
Wenn es zu einer solchen starken Reaktion des Körpers kommt, dann passiert dies ein paar Tage nach dem Spinnenbiss. Eine Übersichtsstudie vom Berner Spinnenforscher Wolfgang Nentwig über Bisse mit der Violinspinne hatte vor ein paar Jahren auch gezeigt, dass die zwei damals einzigen, publizierten Todesfälle in Italien sowie in Thailand nicht eindeutig belegt werden konnten.
Kommt die Violinspinne auch in der Schweiz vor?
Nein, davor muss sich niemand fürchten. Hinzu kommt, dass sie nicht aggressiv ist und eine Person etwa in den Ferien in Italien oder Griechenland auch nicht grundlos anfallen würde. Sie verteidigt sich aber, wenn sie selbst in Panik gerät.
Welche Spinnen sind bei uns am giftigsten?
Es sind die beiden Webspinnen, der 1,5 cm grosse Ammen-Dornfinger und der 1 cm grosse Haus-Dornfinger. Mit ihren kräftigen Giftklauen können sie tatsächlich Vergiftungsreaktionen bei Menschen hervorrufen, wenn sie sich angegriffen fühlen und dann zubeissen. Mehrere Stunden oder zum Teil auch einige Tage kann man dann Fieber, Schüttelfrost und Schmerzen von der Bissstelle etwa an der Hand bis zur Schulter bekommen. Diese gehen aber wieder ohne Behandlung weg.
Sind Sie selbst schon mal gebissen worden?
Bei mir war es eine Kräuseljagdspinne, die leider aufgrund ihres Aussehens den völlig reisserischen Namen Nosferatu erhalten hat. Sie hatte sich vor unserem Haus im Milchkasten versteckt. Ich habe dort hineingegriffen, um eigentlich einen Lappen für meinen Velosattel herauszuholen. Obwohl die Zeichnung auf ihrem Vorderleib mit viel Phantasie an einen Vampir erinnert, tut ihr Biss nur etwa so weh wie ein Mückenstich.
Breitet sich die Nosferatu-Spinne in der Schweiz aus?
Das ist so, weil es bei uns immer wärmer wird. Inzwischen ist sie fast überall in den Häusern. Am liebsten hält sie sich in dunklen Badezimmern oder Schlafzimmern auf, manchmal auch in Kleidungsstücken. Obwohl sie für einige gruselig aussieht, ist sie harmlos.
Das Gespräch führte Barbara Reye.