Steine, Muscheln, Abfälle und sogar Bootsrümpfe – sie alle dienen Seeottern als Werkzeuge. Wiederholt schlagen sie damit auf Beutetiere wie Meeresschnecken ein. Bis die Otter deren harte Schale zertrümmert haben. Zwar machen nicht alle Seeotter von Werkzeugen Gebrauch. Aber unter denjenigen, die es tun, profitieren Weibchen überraschenderweise viel stärker als Männchen.
Knappe Beute macht Otter erfinderisch
Grundsätzlich mögen Seeotter Beutetiere, die nicht nur reich an Energie, sondern auch leicht zugänglich sind. Darunter etwa Seeigel oder Seeohren. In Gebieten, in denen eine hohe Dichte an Ottern herrscht, verknappt sich solch leicht zugängliche Beute jedoch rasch.
Während einige Otter trotz Knappheit weiterhin nach ihrer üblichen Beute jagen, weichen andere auf Alternativen aus. Sie spezialisieren sich auf Beutetiere mit härterer Schale: Muscheln, Krebse oder Schnecken etwa. Um diese aufzubrechen, nutzen sie Steine oder andere harte Gegenstände als Amboss oder Hammer.
Welche Vorteile der Werkzeuggebrauch mit sich bringt, hat nun eine US-amerikanische Forschungsgruppe um den Biologen Chris Law untersucht. Ihre Erwartungshaltung: Dank des Einsatzes von Werkzeugen erlegen Seeotter auch Beutetiere mit härterer Schale. Insbesondere solche, die mit Zähnen allein nicht geöffnet werden können.
In Kalifornien haben die Forscherinnen und Forscher knapp 200 mit Funketiketten versehene Seeotter beobachtet. Für jedes Individuum haben sie mindestens 300 Jagdtauchgänge ausgewertet. Die Ergebnisse überraschen: Denn, dass der Werkzeuggebrauch den Speiseplan tatsächlich auch auf Beutetiere mit härterer Schale erweitert, gilt nur für Otter-Weibchen. Männchen, die Werkzeuge nutzen, hingegen bleiben bei ihrer üblichen Beute.
Mit dem Einsatz von Werkzeugen gleichen Weibchen den physischen Nachteil ihrer kleineren Körpergrösse und geringerer Bisskraft aus. Sie kommen dank der Werkzeuge sogar an Beutetiere mit härterer Schale, als es ihre männlichen Artgenossen tun. Unabhängig davon, ob die Männchen Werkzeuge nutzen oder nicht.
Gesündere Zähne dank Werkzeuggebrauch
Lohnen tut sich der Werkzeuggebrauch trotzdem für beide Geschlechter. Denn mit dem Griff zum Stein oder anderem Werkzeug schützen Seeotter ihre Zähne vor Schäden. Dies bestätigt auch die Untersuchung des Forschungsteams in Kalifornien. Unter den Ottern, die Werkzeuge regelmässig nutzen, hat es die wenigsten Zahnschäden festgestellt.
Damit schliessen sich Seeotter einer Reihe von Tieren an, die Werkzeuge verwenden, um Verletzungen vorzubeugen. So bedienen sich zum Beispiel auch einige Grosse Tümmler in der westaustralischen Meeresbucht Shark Bay abgerissener Meeresschwämme. Und zwar, um ihre Schnauzen bei der Jagd zu schützen. Die sogenannten «Schwammstrategen» oder «Spongers» tragen den Schwamm wie einen Handschuh über ihrer Schnauze. Dieser schützt sie vor Verletzungen, während sie nach kleineren Tieren wie Sandbarschen suchen, die sich unter dem Geröll und Sand am Meeresgrund verstecken.