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Digitale Landwirtschaft Wenn die Kühe ihr Befinden auf Bauers Handy funken

Die «Swiss Future Farm» bei Aadorf ist seit bald zehn Jahren Kompetenzzentrum für die Digitalisierung in der Landwirtschaft und testet neue Technologien unter realen Bedingungen, um deren Praxistauglichkeit zu überprüfen und den Wissenstransfer in die Landwirtschaft zu fördern. Ein Besuch.

Auf der «Swiss Future Farm» wird schnell klar, was moderne Landwirtschaft bedeutet: Daten. Mehr Daten. Ganz viel Daten: Im Stall etwa jene aus dem Melkroboter. Er analysiert die Werte der Milch jeder einzelnen Kuh. Das ist Standard.

Seit etwa drei Jahren ist nun aber eine Technologie im Einsatz, die mit Echtzeitdaten aus einem Sensor in der Kuh deren digitale Gesundheitsakte noch präziser nachführt. «Bolus» heisst das Gerät, das aussieht wie ein Deo-Stick. Die Bäuerin führt ihn mit einem Röhrchen in den Hals der Kuh, bis deren Schluckreflex einsetzt und den Sensor in den Magen bugsiert. Dort bleibt er wegen seines Gewichts liegen, landet also nicht mit dem nächsten «Fladen» auf der Wiese.

Geballte Digital-Kompetenz im südlichen Thurgau

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Ein Schild, im Hintergrund eine alte Scheune.
Legende: Forschung für die Landwirtschaft vor historischer Kulisse in Tänikon/Ettenhausen bei Aadorf. Reto Widmer/SRF

Die «Swiss Future Farm» ist ein ehemaliger Bundesbetrieb von Agroscope in Tänikon/Ettenhausen bei Aadorf mit 80 Hektaren Fläche, gut 60 Milchkühen und einer grossen Halle voller Maschinen und Technik.

Seit 2017 hat der Kanton Thurgau den Betrieb gepachtet und nutzt ihn, um digitale Technologien in einer realen Umgebung auf ihre Praxistauglichkeit zu testen und dieses Wissen in Kursen an Landwirte weiterzugeben.

Seit Ende 2024 ist auch die Fachhochschule Ost mir dem Institut für Intelligente Systeme und Smart Farming vor Ort und nutzt die Felder für Forschungsprojekte mit Schwerpunkt Robotik.

Sensoren im «Bolus» erheben Daten zu Temperatur, Bewegung, Wiederkäuen und Wasserkonsum. Algorithmen werteten die Daten in Echtzeit aus, erklärt Christian Eggenberger, Betriebsleiter der «Swiss Future Farm».

Ein Mann in einem Stall, im Hintergrund Kühe unscharf, er hält ein weisses Objekt etwa so gross wie ein Deo-Stick.
Legende: Christian Eggenberger mit einem «Bolus» Christian Eggenberger ist Leiter Beratung, Entwicklung und Innovation auf dem Arenenberg, dem Kompetenzzentrum für Landwirtschaft im Kanton Thurgau, das für den Betrieb der «Swiss Future Farm» zuständig ist. Reto Widmer/SRF

Ein Landwirt kann dann auf seinem Handy das «elektronische Patientendossier» jeder Kuh anschauen und merkt so frühzeitig, wenn etwas nicht stimmt. Die Daten führen zu einer schnelleren Behandlung und reduzieren den Einsatz von Antibiotika, denn Tiere können uns ja nicht mitteilen, was ihnen fehlt.

Präzise Unkrautvernichtung dank Drohnen und Robotern

Ortswechsel. Vom Stall in die Maschinenhalle. Hier stehen riesige Traktoren, Sämaschinen, ein Güllewagen und etwas abseits ein unscheinbares Gerät mit zwei seitlich ausklappbaren Balken. Es ist eine Pflanzenschutzspritze. Montiert am Traktor kann sie auf einem Feld Unkrautvernichtungsmittel spritzen auf einer Breite von über zwanzig Metern.

Das Problem: Auf diese klassische Art und Weise wird der ganze Boden mit Chemie benetzt. «Smart» ist anders: Vor dem Einsatz macht eine Drohne Fotos vom Feld. Aus diesen erstellt eine Bilderkennungs-Software präzise Karten der Unkrautverteilung. Danach fährt ein GPS-gesteuerter Traktor los und die Pflanzenschutzspritze besprüht gezielt nur die betroffenen Stellen. So kann die Landwirtin erhebliche Mengen Pflanzenschutzmittel einsparen, erklärt Christian Eggenberger.

Blick in einen Hof.
Legende: Reto Widmer/SRF

Ganz ohne Schutzmittel auszukommen ist die Idee bei einem Forschungsprojekt der Fachhochschule Ost: Auf einem Feld der «Swiss Future Farm» bekämpft ein autonomer Roboter Unkräuter (Placken) mit Heisswasserstrahlen.

Trend zu noch mehr Lohnarbeit

Die Digitalisierung verspricht eine nachhaltigere und effizientere Landwirtschaft. Aber: Die Umstellung ist eine Herausforderung, der Investitionsbedarf ist hoch und die Landwirte müssen sich aus- und weiterbilden.

Orange Datenleitungen.
Legende: Rustikales Holz trifft orange Datenleitungen, ohne die ein moderner Stall nicht funktioniert. Reto Widmer/SRF

Technologien wie der Sensor im Kuhmagen sind relativ günstig und von jedem Bauer, der dies möchte, einsetzbar ohne monatelange Ausbildung. Deswegen habe sich das Produkt in kurzer Zeit etabliert, meint Christian Eggenberger. Bei komplexeren Technologien, die beispielsweise den regelmässigen Einsatz von Drohnen erforderten, ginge die Entwicklung eher dahin, dass die Lösungen von einem spezialisierten Lohnunternehmen angeboten werde.

Ob von der Landwirtin selber eingesetzt oder als Dienstleistung bezogen: Digitale Technologien werden das Tierwohl verbessern und den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln reduzieren, so Eggenberger.

Eine Mutterkuh mit Kalb.
Legende: Frisch gekalbt, ganz analog. Aber dank digitaler Technologie wusste der Bauer den genauen Zeitpunkt viel präziser. Reto Widmer/SRF

Radio SRF 1, 17.04.2025, 14:00 Uhr

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