Fast Fashion hat die Textilproduktion revolutioniert. Die weltweite Kleiderproduktion hat sich seit 2000 mehr als verdoppelt. Mit dem wachsenden Konsum nehmen auch die Umweltfolgen zu. Die EU arbeitet gerade eine neue Textil-Strategie aus: Bis 2030 sollen alle Kleider nachhaltig produziert werden.
SRF Wissen: Frau Bachmann, die EU hat eine neue Textil-Strategie vorgelegt, die bis im Jahr 2030 umgesetzt werden soll. Was heisst das konkret?
Nina Bachmann: Die Strategie ist ursprünglich aus dem EU Green Deal heraus entstanden. Diese Öko-Design-Richtlinien geben vor, dass alle Textilien auf dem EU-Markt nachhaltig sein müssen. Das heisst, sie müssen kreislauffähig sein und klimaneutral hergestellt werden. Zudem müssen sie fair produziert werden, also unter der Beachtung der Menschenrechte. Schlussendlich ist das Ziel, einen digitalen Produktpass für Textilien einzuführen, der Transparenz über Herkunft und Verarbeitung liefert.
Kann die Modeindustrie diese Regulierungen überhaupt umzusetzen?
Das ist schwer abzuschätzen, im Moment gibt es noch zu viele Unklarheiten. So steht beispielsweise im aktuellen Strategietext, dass ein Textil «langlebig» sein soll. Aber wie definiert man ein langlebiges Textil? Geht es um die Farbechtheit oder die Abriebfestigkeit eines T-Shirts? Die EU ist gerade daran, diese Detailfragen auszuarbeiten. Darauf ist die ganze Branche gespannt.
Konsum-Kollaps durch Fast Fashion
Auch die Schweiz wird davon betroffen sein. Wie geht Swiss Textiles damit um?
80 Prozent der Produkte von Schweizer Unternehmen landen in EU-Märkten. Es müssen sich also fast alle auf die neuen Richtlinien ausrichten und Rapporte, Tests oder Zertifikate vorlegen. Swiss Textiles hat ein eigenes Programm namens «Sustainable Textiles Switzerland 2030» lanciert. Damit wollen wir unter anderem die Einhaltung der Menschenrechte in der Lieferkette, Kreislaufwirtschaft und Transparenz erreichen. Das ist quasi die Schweizer Antwort auf die EU-Strategie.
Inwiefern ist eine Kreislaufwirtschaft in der Textilbranche realistisch?
Es sind noch viele Fragen offen. Zum Beispiel, wie man die Kleiderrücknahmesysteme sinnvoll organisieren kann oder auch Recycling-Technologien, die erst in Entwicklung sind. Im Moment wird aber viel Zeit und Geld in die Forschung investiert. In den nächsten fünf Jahren wird es vorwärtsgehen.
Aber wäre «weniger ist mehr» nicht auch bei der Textilproduktion ein sinnvoller Lösungsansatz?
Das ist nicht so einfach. Man kann nicht ganze Business-Modelle ändern, die seit 120 Jahren auf Masse setzen und so auch funktioniert haben. Die einen Unternehmen fangen mit kleinen, nachhaltig produzierten Kollektionen an. Andere überlegen sich, wie man mit weniger Kollektionen pro Jahr auf denselben Umsatz kommen könnte. Im Moment werden erst sehr kleine Schritte weg von Fast Fashion getätigt.
Das Gespräch führte Christian Bachmann.