Der Schweizer Astrophysiker Adrian Glauser von der ETH Zürich ist begeistert: «Die Reichhaltigkeit der Informationen, die das Teleskop liefert, ist revolutionär.»
Glauser hat mitgearbeitet an einem der Infrarot-Augen, mit denen James Webb ins All schaut. Fast täglich werden neue Dinge entdeckt. Verschiedene Erklärungsmodelle müssten revidiert werden. «Jetzt beginnt das grosse Aufräumen», so Glauser. «Es ist wirklich eine interessante Zeit».
Wieso nicht nur die farbigen Weltraumbilder begeistern
Auch Paul Mollière, Forschungsgruppenleiter am Max-Planck-Institut für Astronomie in Heidelberg sieht das so: «Für mich ist James Webb wirklich eine Revolution, das Teleskop hat unsere Erwartungen übererfüllt.»
Mollière beschäftigt sich vor allem mit Exoplaneten: Planeten, die ausserhalb unseres Sonnensystems um andere Sterne kreisen. Mit dem James-Webb-Teleskop lässt sich aus grosser Distanz bestimmen, wie diese Planeten oder ihre Atmosphären chemisch zusammengesetzt sind. Dies funktioniert über sogenannte Spektrografen, mit denen das Licht in seine Bestandteile aufgespalten wird.
Es sind also nicht die schönen, farbigen Weltraumbilder, die Mollière begeistern. Sondern die Spektren, aus denen sich wissenschaftlich enorm viel herauslesen lässt. «Wir haben zum Beispiel herausgefunden, dass es viele Exoplaneten gibt, die Schwefeldioxid in der Atmosphäre haben», sagt Mollière. «Das haben wir vorher mit dem Hubble-Teleskop so nicht gesehen. Und das hat uns sehr überrascht.»
Plötzlich lässt sich weiter zurückblicken
Unter Astronominnen und Astronomen ist ein grosses Gerangel im Gang: Wer kriegt wie viel Beobachtungszeit? «Noch nie gab es so viele Anträge wie beim James-Webb-Teleskop», bestätigt Pascal Oesch. Er ist Astronom an der Universität Genf und arbeitet oft mit dem neuen Teleskop. Der Grund für die vielen Anträge: Dank dem «Infrarotblick» des Teleskops kann man neu nicht nur durch staubige Gebiete hindurchschauen. Es ist jetzt auch möglich, in der Zeit weiter zurückzuschauen.
Erste Sterne leuchteten früher
Sterne, die in der Frühzeit des Universums entstanden sind, bewegen sich wegen der stetigen Ausdehnung des Universums schneller von uns weg als die näheren. Sie sind deshalb nur noch im Infrarotlicht sichtbar. «Jetzt sehen wir auf einmal, dass es schon viel früher Galaxien gab, als wir bisher wussten», sagt Oesch, «und es sind viel mehr, als wir dachten».
Heute ist unser Universum 13,8 Milliarden Jahre alt. Die älteste bisher datierte Galaxie ist bereits 300 Millionen Jahre nach dem Urknall entstanden. Es gab aber wohl noch frühere. «Auch das erste Licht im Universum, die ersten Sterne, das war wohl schon etwa 150 Millionen Jahre nach dem Urknall», sagt Oesch. Und eine weitere kosmologische Überraschung: «Wir haben viel mehr schwarze Löcher im frühen Universum gefunden, als wir gedacht hätten.»
Überarbeiten – aber nicht über den Haufen werfen
Die bisherigen Modelle der Astronomen müssen nun überarbeitet werden. «Ganz grundsätzlich über den Haufen werfen, müssen wir sie aber wohl nicht», sagt Oesch. Dennoch ist er – wie die anderen befragten Astronomen – fest davon überzeugt, dass das James-Webb-Teleskop unser Bild vom Universum weiter stark verändern wird.