Heute sollte die neue Nasa-Mondrakete SLS vom Weltraumzentrum Cape Canaveral im US-Bundesstaat Florida in Richtung Mond fliegen. Doch wegen Treibstofflecks während der letzten Vorbereitungen musste die Mission «Artemis» verschoben werden.
Wir haben vorab mit Thomas Zurbuchen, Wissenschaftsdirektor der Nasa, über die Ziele der Artemis-Mission gesprochen.
SRF Wissen: Nach 50 Jahren nimmt die Nasa wieder Kurs auf den Mond. Warum gerade jetzt?
Thomas Zurbuchen: Zum ersten Mal seit 50 Jahren ist die gesamte internationale Gemeinschaft, sind beide Parteien in den USA, auf der gleichen Ebene. Jetzt ist es Zeit, aus der Erdumgebung herauszukommen und mit Astronauten zurück auf den Mond zu gehen. Aber nicht um dort zu bleiben, sondern weil wir weiterwollen – zum Mars.
Dann wird der Mond eine Zwischenstation?
Genau. So wie wir in der Antarktis unsere Forschungsstationen haben, werden wir auch auf dem Mond bleiben. In den nächsten 20 Jahren wollen wir zum Mars. Und danach sogar noch tiefer ins All.
Es gab eine Art Generalprobe. Wie ist die abgelaufen?
Wir benötigten zwei Versuche. Das ist wie bei einem Theater: Erst die Hauptprobe, an der Dinge schief gehen. Dann folgt eine zweite Hauptprobe. Wir wollten den kompletten Treibstoff in die Rakete einfüllen. Aber diese Rakete ist so viel grösser, als Raketen, die wir bis anhin gehabt haben, da hat nicht alles funktioniert.
Das Herz schlägt schneller, wenn man vor dieser Rakete steht.
Wir hatten allerdings nicht nur ein Problem, wir hatten 34. Also haben wir alles geflickt und es noch einmal versucht. Das zweite Mal mit grossem Erfolg. Ich bin wahnsinnig froh, dass wir endlich bereit sind zu starten. Die SLS-Rakete ist unglaublich mächtig. Das Herz schlägt schneller, wenn man vor ihr steht.
Also ist es in den letzten Jahrzehnten nicht einfacher geworden, auf den Mond zu fliegen?
Es gibt eine Regel bei Raketen: Es gibt nur eine Art und Weise erfolgreich zu sein, aber Tausende um zu scheitern. Eine Rakete zum ersten Mal zu starten, ist unglaublich schwierig.
Macht es die Sache noch viel schwieriger, wenn man weiss, dass auch Menschen mit ins All fliegen?
Es wird komplizierter. Alles muss redundant sein. Wir müssen Systeme haben, die dafür sorgen, dass die Astronauten aus der Rakete rauskommen, wenn beim Aufstieg etwas passiert, eine Explosion zum Beispiel. Sie müssen im Wasser landen können, ohne dass etwas passiert. Das ist viel schwieriger als bei einem Satelliten.
Es gibt heute die Möglichkeit von Robotern, von Sonden. Braucht es bemannte Missionen?
Eine interessante Frage. Wir haben auch auf der Erde Drohnen, Roboter und andere Technologien. Aber trotzdem gehen Geologen immer noch ins Feld; wir gehen in die Berge und meisseln, weil es niemanden gibt, der besser ist als die Menschen, um Entscheidungen zu treffen an einem Ort, den man noch nicht kennt. Aber im Gegensatz zur Apollo-Mission bringen wir Menschen und Roboter zusammen, wir brauchen beide.
Welche Bedeutung hat der Start der Artemis-Mission für die Nasa?
Er ist einer der grossen Meilensteine. Der Endpunkt einer Entwicklung, die ehrlich gesagt zu lange gedauert hat. Es gab viele Schwierigkeiten und wir haben viel gelernt. Gleichzeitig ist es aber auch ein Anfang, weil wir nun endlich die Möglichkeit haben, weg zu gehen von der Erde, zum Mond. Das wird eine neue Phase der Forschung eröffnen.
Die ganze Welt wird ihre Augen auf diese Mission richten. Wie gross ist der Druck, auch für Sie?
Der Druck ist sehr gross. Obwohl das Motto der Nasa «Versagen ist keine Option» ist, wissen wir, dass es möglich ist. Ich weiss, dass alle Leute, die an der Mission arbeiten, ihr Bestes geben. Die Frage ist also nicht, ob es ein Risiko gibt, sondern ob wir alles gemacht haben, um das Risiko so klein wie möglich zu halten.
Wenn die Apollo-Mission erfolgreich ist, geht es also zum Mars. Werden sie das noch erleben?
Also wenn ich es nicht erlebe, dann, weil in meinem Leben etwas passiert. Ich hoffe, die meisten von uns werden das erleben.
Das Gespräch führte Tobias Müller.