Anfang Jahr sorgte eine chinesische Sonde für besonderes Aufsehen: Chang'e 4 landete auf der Rückseite des Mondes. China schreckte damit den Rest der Welt einmal mehr auf. Insbesondere die US-Regierung.
US-Vizepräsident Mike Pence verkündete dann Ende März: «Es ist das erklärte Ziel der Vereinigten Staaten, innerhalb der nächsten fünf Jahre amerikanische Astronauten auf den Mond zu bringen.»
Dann machte er der NASA und der Industrie klar, dass es ihm im Weltraum viel zu behäbig zugehe. Es sei «keine Option», dass der 5-Jahres-Plan scheitere.
Sind 2024 US-Astronauten wieder auf dem Mond?
Damit griff er die legendäre Devise «Failure is not an option» auf, die das NASA-Team 1970 ausgegeben hatte, als man beim Mondflug von Apollo 13 eine dramatische Rettungsaktion planen musste.
Die Vorgabe, bis 2024 auf dem Mond zu landen, ist wohl rein politisch motiviert. Denn so würde US-Präsident Donald Trump im Falle seiner Wiederwahl noch zum Mondpräsidenten.
Doch politischer Druck baut keine Raketen, Kraftmeierei ersetzt keine Sachkenntnis. Planung, Bau und Erprobung von Raumschiffen, in denen Menschen leben sollen, kosten Geld und Zeit.
«Der Mondflug muss kommen – koste es, was es wolle», sagte Mike Pence zwar. Es ist jedoch kaum zu erwarten, dass die NASA die rund 25 Milliarden US-Dollar zusätzlich erhält, die sie für dieses Projekt kalkuliert hat.
Mit dem Orion-Raumschiff auf den Mond
Die NASA plant längst die Rückkehr zum Mond, wenn auch etwas gemächlicher. Gemeinsam mit der Europäischen Weltraumorganisation ESA entsteht derzeit das Orion-Raumschiff. Es soll in zwei Jahren erstmals um den Mond fliegen. Dann werden aus Sicherheitsgründen aber nur Puppen an Bord sein. Etwa 2023 könnten dann Menschen zum Mond fliegen.
«Wir wollen gemeinsam mit der NASA eine Art Basiscamp für den Mond bauen, das Lunar Gateway», erklärt David Parker, ESA-Direktor für bemannte Raumfahrt und Weltraumerkundung. «Es soll aus einigen Modulen bestehen, die um den Mond kreisen und die ein Zwischenschritt für die Landung sind.»
Mit Orion werden die Astronauten aus den USA und Europa in den 2020er-Jahren zum Mond fliegen. Wann genau eine Landekapsel zur Verfügung steht, mit der sich auf der staubigen Oberfläche aufsetzen lässt, ist noch unklar.
Das Besondere an Orion: Zum ersten Mal besorgt sich die NASA unverzichtbare Teile eines Raumschiffs im Ausland. Bisher durften die Partner – bildlich gesprochen – nur Türklinken und Scheibenwischer beisteuern, jetzt liefern sie den Motorblock, die Steuerung und die Versorgung der Menschen an Bord von Orion mit Luft und Wasser.
Apollo 11 war vor allem eine politische Mission
Der neue Wettlauf um den Mond erinnert an Apollo-Zeiten. Ende Mai 1961 hatte der junge US-Präsident John F. Kennedy den Sprung zum Mond verkündet: «Ich denke, diese Nation sollte sich dem Ziel verschreiben, bis zum Ende des Jahrzehnts einen Menschen auf dem Mond zu landen und ihn wieder sicher zurück zur Erde zu bringen.»
Als Neil Armstrong in der Nacht zum 21. Juli 1969 die ersten Fussabdrücke auf dem Mond hinterliess, war das politische Ziel erreicht. Treffender als «Dies ist ein kleiner Schritt für einen Menschen, aber ein Riesensprung für die Menschheit» wäre der Satz «Dies ist ein kleiner Schritt für die Wissenschaft, aber ein Riesensprung für das politische Prestige» gewesen.
Nach Apollo 11 flogen sechs weitere Missionen zum Mond. 1972 wurde das Mondprogramm sang- und klanglos eingestellt – und der Mond geriet in Vergessenheit.
China plant weitere Mondflüge
Kurioserweise hat damit die Menschheit eine wichtige Technik verlernt. Heute gibt es keine Raketen, die Menschen zum Mond bringen könnten. Die legendäre Saturn-V aus Apollo-Zeiten lässt sich nicht einfach nachbauen. Es fehlen die Fachleute, die diese komplexe Maschine verstehen.
Zudem ist die Dokumentation zum Teil verloren gegangen. Ein halbes Jahrhundert nach Apollo müssen Mondmissionen von Grund auf neu konzipiert werden. Es ist ein wenig so, als müsste man heute das Farbfernsehen aus den 1960er-Jahren neu erfinden.
Immerhin gibt es bei automatischen Sonden schon wieder einen regen Verkehr zum Mond: China hat mit Chang'e 3 und 4 in den letzten Jahren zwei Missionen auf dem Erdtrabanten gelandet. Die israelische Sonde Beresheet ging im April beim Landeversuch verloren. Indien plant im Juli einen Start zum Mond und China könnte noch im Dezember mit Chang'e 5 den nächsten Flug wagen, um dann womöglich sogar Gesteinsproben zur Erde zu bringen. Es wäre die erste Lieferung seit 1976. Bisher haben nur sechs Apollo-Missionen und drei sowjetische Luna-Sonden Mondgestein zur Erde gebracht.
Das Rätsel der Mondentstehung
Forscherinnen und Forscher weltweit sehnen sich nach weiteren Proben, vor allem von besonders interessanten Stellen. Denn der Mond sei in vielem wissenschaftlich noch immer ein grosses Rätsel, bedauert Ralf Jaumann, Leiter der Abteilung für Planetengeologie beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt in Berlin-Adlershof: «Die spannendste Frage ist: ‹Wie ist der Mond entstanden?› Und die ist bis heute ungeklärt.»
Vermutlich ist vor mehr als vier Milliarden Jahren die noch rotglühende Erde von einem Objekt, das fast so gross ist wie der Mars, streifend gerammt worden. Dabei wurde viel Material in den Weltraum geschleudert, das sich zum Mond verklumpt hat.
Um diese Theorie zu untermauern, hätten Ralf Jaumann und Co. gerne Proben aus etwa hundert Kilometern Tiefe. Dafür müsse man kein fantastisch tiefes Loch bohren, beruhigt er: «Der Mond ist, nachdem er entstanden ist, auch wieder von einem grossen Körper getroffen worden: im Südpolbereich, aber hauptsächlich auf der Rückseite.» Dabei sei ein Becken mit mehr als 2000 Kilometern Durchmesser entstanden. Dort müsste Material an der Oberfläche liegen, das einst tief im Mondmantel verborgen war.
Die Hoffnung auf neue Mondproben
Binnen fünf bis zehn Jahren könnte es so weit sein. Einer der Auslöser für den neuen Wettlauf zum Mond war Jan Wörner, der Generaldirektor der ESA. Er sprach kurz nach seinem Amtsantritt 2015 von einem Moon Village, einem Monddorf: «Das Moon Village soll robotisch und astronautisch, privat wie öffentlich sein. Dieses Konzept hat einen visionären Charakter. Das ist etwas anderes als eine Raumstation.»
Anfangs von manchen als unbezahlbare Utopie ignoriert, gewann die Idee schnell an Dynamik. Heute wollen fast alle zum Mond. Pläne zur Besiedlung des Mars oder für Bergbau auf Asteroiden sind derzeit reine Luftschlösser.
Der Mond dagegen sei ein ebenso faszinierendes wie realistisches Ziel, erklärt Jan Wörner: «Der grosse Vorteil ist: Der Mond ist nah. Sie kommen da in den Sommerferien hin und zurück.» Das unterscheidet ihn zum Beispiel vom Mars, der bis zu vierhundert Millionen Kilometer entfernt ist.
SpaceX oder Blue Origin? Nein, PTScientists!
Elon Musk verkündete gleich eine Gruppenreise auf den Mond: Der CEO von SpaceX will zahlungskräftige Welttouristen auf den Mond fliegen – ohne dass es dafür schon eine Rakete oder ein Raumschiff gäbe.
Auch Jeff Bezos, milliardenschwerer Gründer des Raumfahrtunternehmens Blue Origin, präsentierte kürzlich das Modell seines Raumschiffs Blue Moon, das irgendwann mal zum Mond aufbrechen soll. Bisher existiert all dies allein in schönen Animationen – Technik, Finanzierung und Zeitplan sind mehr als offen.
Sehr viel konkreter geht es bei manchen kleinen Unternehmen zur Sache. Ein Weg ins All führt nicht über Kalifornien oder Florida, sondern über Berlin-Marzahn. Dort befindet sich das Startup PTScientists.
Der Chef Robert Böhme, gelernter IT-Spezialist, zeigt in der Firmenhalle stolz eine Landefähre von der Grösse eines PKW: «Das ist ein Strukturmodell unseres Mondraumschiffs Alina. Wir wollen 300 Kilogramm zum Mond transportieren.»
Die Firma ist gut zehn Jahre alt, hat mehr als 80 Mitarbeiter und sorgt weltweit für Aufsehen – und sie hat schon die ESA, die Ariane-Gruppe, Nokia, Audi und viele weitere Unternehmen als Partner gewonnen. PTScientists sieht sich als Dienstleister für den Mondflug.
2021 soll Alina erstmals mit einer Ariane-6-Rakete auf die Reise gehen. An Bord werden wissenschaftliche Experimente sein oder was auch immer die zahlenden Kunden zum Mond gebracht haben wollen. Das kleine Raumschiff sorgt für die Stromversorgung, Bilder und die Funkverbindung zur Erde.
Der Flug zur Apollo-17-Stelle
Ziel des ersten Fluges werde die Taurus-Littrow-Region sein, wo 1972 die letzte Apollo-Mission gelandet ist, erläutert Robert Böhme. «Wir werden so auf 200 Meter rangehen. Da ist der Rover geparkt. Den werden wir uns sehr, sehr genau ansehen.»
Bis heute ist völlig unklar, wie sich Klebeband, Kunststoffteile oder Aluminiumbleche an der Apollo-Landestelle nach fast einem halben Jahrhundert Herumstehen auf dem Mond verändert haben.
Alina wird nachsehen, wie die kosmische Strahlung und die enormen Temperaturunterschiede dem Material zusetzen. Bis heute ist nicht einmal sicher, ob auf dem Mond alles einstaubt. Diese Informationen sind unschätzbar wichtig für den Bau künftiger Mondstationen.
Mondstationen als Test für den Marsflug
Der Mond ist extrem trocken und staubig. Dennoch sind im Mondgestein Wassermoleküle gebunden. Vielleicht gibt es dort also auch wertvolle Rohstoffe. Ob es sich wirklich lohnt, wie manche Optimisten meinen, bestimmte Stoffe vom Mond auf die Erde zu holen, ist angesichts der enormen Transportkosten eher fraglich.
In jedem Fall lasse sich dort – kosmisch gesehen nur einen Katzensprung von der Erde entfernt – alles ausprobieren, was für künftige Expeditionen notwendig ist, betont Europas Raumfahrtchef Jan Wörner: «Der Mond kann ein Sprungbrett sein für die Reisen weiter in unser Sonnensystem – zum Mars oder wohin auch immer.»
Bisher waren erst zwölf Menschen auf dem Mond – sie alle waren weisse amerikanische Männer. Es wird spannend, wann der 13. Mensch den Mond betritt, welches Geschlecht er hat und welche Nationalität. Wird es eine Amerikanerin oder ein Chinese sein? Oder gar ein Europäer?