Chat-Protokoll
Was sind die häufigsten Ursachen von Autismus? Macht es Sinn, wirksame Medikamente nicht einzusetzen, sondern eine rein psychologische Behandlung zu machen?
Peter Weber: Bzgl. der Ursachen sind diese sicher sogenannt multifaktoriell. Eine wichtige Rolle spielt die Genetik – welche Rolle vorgeburtlich Einflüsse spielen ist noch unklar. Ein Medikament gegen Autismus gibt es nicht – es gibt lediglich gegen einige Symptome Medikamente (z.B. bei Hyperaktivität Stimulanzien, bei Agitation Neuroleptika usw.) Das gilt es (neben allfällig verhaltenstherapeutischer Massnahmen) über die Fachperson mit den betroffenen/Eltern zu eruieren
Guten Abend Bei unserem Sohn (bald 8) wurde von einem Jahr starkes ADHS diagnostiziert. Wenn ich jetzt diese Sendung schaue gibt es für mich in seinem Verhalten bzw Sein sehr viele Parallelen zu Autismus. Gibt es parallelen zu diesen beiden Diagnosen oder gibt es oft falsche Diagnosen von ADHS?
Peter Weber: Die Symptomatik beider Diagnose ist teilweise überlappend, da doch einige Kinder mit der Diagnose ADHS assoziiert auch Entwicklungsprobleme im Bereich der emotionalen und sozialen Entwicklung zeigen. Wenn Sie unsicher sind kann die Fachperson, bei der Diagnose des ADHS gestellt wurde sicher auch die Frage nach einer ASS – zumindest im Screening – mit Ihnen anschauen, wobei beide Diagnosen auch kombiniert vorkommen (sowohl als auch nicht nur entweder-oder)
Im Beitrag wird erwähnt, dass autischtische Menschen keine Freude an sozialen Interaktionen haben. Macht es Sinn, Autisten in der Regelschule zu integrieren, damit sie soziale Interaktionen üben? Dies meist auf Kosten der anderen Kinder, welche sehr oft auf die Zuwendung und Aufsicht ihrer Lehrperson verzichten müssen, da diese mit den ausserordentlichen Aufwänden des autistischen Kindes beschäftigt sind. Mir scheint, dass man damit das autistische Kind so wie auch die anderen Schüler gleichermassen «stresst».
Bettina Tillmann: Diese Aussage würde ich so nicht stehen lassen. Menschen mit ASS können sehr wohl Freude an der Interaktion haben. Das schulische Setting sollte sich nach den Ressourcen des Kindes orientieren und ein entsprechendes Umfeld schaffen, damit jedes Kind die Chance hat, sich seinem Potential entsprechend zu entwickeln. Es braucht den Perspektivenwechsel im Umfeld, Sie schaffen das!
Seit ein paar Jahren weiss ich darüber, dass ich evtl. ein ASS habe. Immer wieder nehme ich Anlauf, eine Fachperson zu finden. Ohne Erfolg – niemand hat Zeit. Das kostet mich sehr viel Energie. Dann lasse ich es wieder sein. Mein Leiden ist gross und ich habe mich bei den porträtierten Frauen in SRF PULS wieder erkannt. Zuweilen bin ich sehr müde zum Leben. Wo finde ich eine Fachperson zur Abklärung?
Katja Wichser: Ich kann gut verstehen, dass die Suche nach einer Fachperson ermüdend ist. Möglicherweise können Sie jemanden im Umfeld um Unterstützung bei der Suche nach einer Fachperson bitten. Auch bieten Sozialarbeiter verschiedener Fachstellen Hilfe an, bei der Suche nach Abklärungs-/Therapieplätzen. Adressen für Fachstellen finden Sie auch unter: https://www.autismus.ch/adressen.html
Guten Abend. Ein Feund von mir, ehemaliger Neurochirurg der selber ASS aufweist, hat mir von ein paar Jahren gesagt, dass ich auch «ganz klar auch ein Aspi sei». Dies wuerde zwar einiges aus meiner Vergangenheit erklaeren wie die Unmoeglichkeit mich sozial zu integrieren oder auch die unfaehigkeit zu luegen. Aktuell habe ich eine Arbeit bei welcher soziale Kontakte im Vordergrund stehen. Diese strengen mich natuerlich sehr an und laugen mich aus. Aus der Gesamtsituation bin ich immer wieder versucht, die Diagnose bestaetigen zu lassen, schrecke aber immer wieder davor zurueck, da es «hipp ist an ASS zu leiden». So bin ich hin und hergerissen zwischen beiden extremen. Mittlerweile bin ue. 50 und ein angesehenes Mitglied in der Berufsgruppe. Soll ich eine Abklaerung machen oder ist das fuer mein berufliches Umfeld eher hinderlich. Fuer eine Einschaetzung und kurze praezise Antwort waere ich natuerlich Verbunden. Danke und beste Gruesse
Bettina Tillmann: Ich finde es immer hilfreich, mehr über sich selbst zu erfahren. Was Sie dann mit der Information machen, das liegt in Ihrer Entscheidung. Menschen mit ASS haben eine neurobiologische Besonderheit, das ist kein Grund, Sie in Ihrem beruflichen Werdegang zu behindern. Es gibt zahlreiche berufliche Settings, in denen betroffene Menschen die besten Dienste leisten!
Guten Abend Ich bin zwar ein Mann (Jahrgang 1972), würde Sie aber trotzdem gerne fragen, an wen ich mich wenden kann. Während dem Beitrag erkannte ich viele Parallelen zu meiner Person. Kann man dies testen lassen? Oder kann ich dies mit meiner Psychologin bzw. Psychiater genau besprechen? Vielen Dank.
Peter Weber: So wie ich verstehe befinden Sie sich bereits in psychologisch-psychiatrischer Behandlung – in dem Fall können sie dies dort am besten anbringen
Ich habe vor einem halben Jahr, mit 38, die Diagnose Asperger erhalten. Dies überfordert mich und ich muss mich neu finden. Wie geht das am besten?
Peter Weber: Eine Option ist es Ihren «neuen» Weg mit therapeutischer Unterstützung zu suchen oder im Kontakt mit anderen Betroffenen oder sicher im Kontakt mit Ihnen vertrauten Personen – ich wünsche Ihnen viel Mut
Wohin können wir uns als betroffene Familie (3 Kinder, eines mit ASS) wenden für Unterstützung/Beratung. Und wie wird das finanziert? Wir finden es extrem schwierig, professionelle Stellen, Vereinigungen, etc, Hilfsangebote oder Unterstützungsmöglichkeiten oder Entlastung zu finden.
Bettina Tillmann: In der Regel sind es die kantonalen Dienste der Kinder- und Jugendpsychiatrie. Je nach Wohnkanton ist es unterschiedlich organisiert. Auf der Homepage von Autismus Deutsche Schweiz könnten Sie für Ihren Kanton die passenden Angebote finden. Viel Erfolg!
Hallo unsere Tochter ist 17. Seit 14 jöhrig verdachtsdiagnose ASS. Meine Frage: Wie vorgehen um eine Bestätigung zu bekommen für IV Anmeldung da unsere Tochter komplett (!!) verweigert, sich einer Arztin oder Psychologin zu zeigen. Sie konnte ab 7. Klasse nicht mehr zur Schule gehen. Ist jetzt zuhause. Keine Ausbildung oder Job vorstellbar. Wer kann uns helfen?
Katja Wichser: Eine Verweigerung der betroffenen Personen macht eine ASS-Abklärung tatsächlich schwierig für die Fachpersonen. Ich empfehle Ihnen, sich mit der abklärenden Stelle in Verbindung zu setzen und gemeinsam zu überlegen, wie man Ihrer Tochter entgegenkommen könnte. Gegebenenfalls wäre auch ein Home Treatment möglich, wenn die Fachstelle dies anbietet.
Guten Abend, Was sind typische Autismus Anzeichen bei einem 5-6 Jährigen Jungen und was sind Ähnlichkeiten zum ADHS? Herzlichen Dank für Ihre Antwort Freundliche Grüsse
Peter Weber: Zu den typischen Merkmalen gehört eine eingeschränkte Verhaltensflexibilität (gewisse zwanghafte Züge im Verhalten, Irritierbarkeit durch Wechsel) und ein verändertes Kommunikationsverhalten i.S. der reduzierten sozialen Motivation (wenig Interesse an anderen), sozialen Kognition (Mühe sich in andere einzufühlen). Beim ADHS überwiegt, wie der Name sagt, die Aufmerksamkeitsstörung und ggf. Hyperaktivität – es gibt auch Überlappungen bzw. die Situation, dass ein Kind beide Diagnosekriterien parallel erfüllt
Guten Abend Im Beitrag wird oft erwähnt, dass man die Kinder früh abklären soll. Ist da die Fehlerquote nicht gross? Oder sind die Resultate eindeutig? Gerade Kinder in jungen Jahren haben oft Kommunikations- und Konzentrationsprobleme. Im Beitrag sind das Indikatoren, welche für eine Diagnose sprechen. Gibt es also eine grosse Dunkelziffer? Beste Grüsse von einem Schulleiter
Bettina Tillmann: Die Abklärung wird nach standardisierten, auf Autismus spezifizierte Leitlinien durchgeführt. Diese Abklärungen können und sollen bei entsprechenden Auffälligkeiten bereits im Kleinkindesalter durchgeführt werden. Die Differenzierung zu altersentsprechenden Kommunikationsschwierigkeiten wird im Rahmen der Abklärung vorgenommen. Eine frühe Intervention kann eine Weiche auf dem Bildungsweg eines Kindes sein, daher raten wir im Zweifel auch zu einer frühen Abklärung, denn die frühe Intervention kann den entscheidenden Unterschied machen. Es ist super, dass Sie als Schulleiter das Thema auf Ihrem Radar haben!
Was ist Ihre Meinung bezüglich der «Intense World Theory»? |
Peter Weber: das ist ja eine der «typischen» Merkmale des Autismus – die neuropsychologisch gedachte «andere» Verarbeitung und Wahrnehmung von Sinnes und sozialen Reizeindrücken – in dem Sinne keine neue Erkenntnis – oder ?
Guten Abend, einige der beschriebenen Verhaltensweisen der im Puls vorgestellten autistischen Personen kenne ich von mir sehr gut. Die Angst vor neuen Situationen, das Meiden von Menschen oder ihnen nicht in die Augen sehen können und die Hochsensibilität. Nun bin ich bereits über 70, wäre es jetzt noch möglich, etwas zu verändern? Und wo könnte ich mich im Tessin hinwenden? Herzlichen Dank
Katja Wichser: Als Psychotherapeutin gehe ich davon aus, dass Menschen sich über die ganze Lebensspanne weiterentwickeln. Daher finde ich es wichtig, dass Sie sich bei Bedarf abklären lassen und/oder auch Unterstützung einfordern dürfen. Mögliche Anlaufstellen finden Sie auch unter: https://www.autismus.ch/adressen.html
Kann es sein, dass sich ein Kind bis ca. 1 1/2 Jahre normal entwickelt (unauffälliges Sprach- und Spielverhalten), dann aber eine starke Repression zeigt, welche auf eine ASS hindeutet? Sie spricht nicht mehr, kann nicht spielen, interessiert sich nicht für Gegenstände und zeigt viel Stressreaktionen. Zeigt sich eine ASS immer schon bei Babys und Kleinkindern?
Bettina Tillmann: Dieses regressive Verhalten sehen wir sehr häufig bei Kindern im Frühbereich. Ich würde Ihnen sehr raten, ein Abklärung zu machen. Falls das nicht so schnell geht, könnten Sie den Screening-Fragebogen M-CHAT ausfüllen und ihrer Kinderärztin / Kinderarzt geben, damit eine spezifische Abklärung bei auffälligem Screening zügig in die Wege geleitet und bestenfalls die Möglichkeit einer intensiven Frühintervention geprüft werden kann. Alles Gute!
Leider finde ich trotz dem ganzen Medienhype um das Thema Autismus seit 6 Jahren keinen Psychiater, der davon etwas versteht und mich erst nimmt. Ich habe die Diagnose frühkindlicher Autismus, später wurde es als Asperger bezeichnet. Besonders schlechte Erfahrung habe ich letztes Jahr bei der Arbeitskette, auf dem zweiten Arbeitsmarkt gemacht! Heute bin ich soweit davon auszugehen, dass der Mensch eine Fehlentwicklung der Evolution ist!
Peter Weber: Ich würde Ihnen empfehlen mit der Fachstelle des kantonalen Psychiatrischen Dienstes Kontakt aufzunehmen und bzgl. Arbeitstätigkeit mit der IV-Berufsberatung – das wichtigste: verlieren Sie nicht den Mut
Hallo ich habe einen 29 jährigen Sohn der Anzeichen auf Autismus hat wir möchten schon lange das er sich abklären lässt damit wir wissen wie er Therapie erhalten kann. Wo können wir uns wenden
Katja Wichser: Für eine Abklärung ist es wichtig, dass auch Ihr erwachsener Sohn mit einer Diagnostik einverstanden ist. Mögliche Fachstellen finden Sie auch unter: https://www.autismus.ch/adressen.html
Guten Abend Ich habe eine bald 5 jährige Tochter. Nach dieser Sendung frage ich mich um so mehr, ob sie irgend eine Form von Autismus hat. Allerdings in einer viel milderen Form als die Mädchen in der Sendung. Meine Tochter musste ich vor einem Jahr 3 Monate auf die Spielgruppe vorbereiten. Jetzt ist sie im KIGA und macht es dort sehr gut. Nur zu Hause braucht sie eine extreme Struktur und wehe es läuft mal nicht in der Norm. Sie spielt stundenlang mit Figuren Rollenspiele. Sie tickt manchmal total aus.... zum Teil kann ich den Auslöser nicht eruieren. Es kann ein Wort, eine Geste oder den Tonfall sein. Auch muss ich extrem voraus denken. Wenn wir zum Beispiel einen Routine-Kinderarzt- Besuch haben. Dann erzähle ich ihr mehrmals was geschehen wird. Nur so funktioniert es dann auch. Sind das Indizien? Gibt es ein gutes Buch über das Thema welches nicht zu viel Fachausdrücke hat? Besten Dank zum Voraus!
Peter Weber: Es gibt sehr viele Ratschlag- oder Informationsbücher für Eltern – ein spezielles kann ich nicht empfehlen – ggf. nehmen Sie auch mit der Betroffenenvereinigung Autismus Deutsche Schweiz Kontakt auf – dort haben Sie auch Zugang zu Informationsmaterial.
Autismus sprich asoziales Verhalten, Zurückgezogenheit, starke soziale Inhibition, und auch Entleeren/Zusammenbrechen der Persönlichkeit bei (sozialen) Stress sind stark im Gegenklang zu meinen kognitiven Fähigkeiten. Da ich Privat sehr zurückgezogen lebe, stört es weniger. Aber im beruflichen Alltag ist es ein grosses Hindernis. Ich muss sehr stark eine Rolle vorspielen, was sehr viele Energie aufbraucht und immer auf Messerschneiden steht. Aktuell steht eine Stellenwahl vor mir : die eine auf dem Papier sehr interessant aber wahrscheinlich zu herausfordernd, die andere tiefer eingestuft aber weniger ausgesetzt. Wie stark muss ich dies in die Waagschale legen? Danke
Bettina Tillmann: Das ist aus der Ferne schwer zu beurteilen. Es gibt immer mehr Studien, die sich nicht nur mit dem outcome von Menschen im Autismus-Spektrum beschäftigen, sondern den Fokus auf der quality of life haben. das begrüsse ich sehr und denke, dass eine zu sehr herausfordernde Arbeit vielleicht nicht leistbar ist wegen des grossen eventuell nicht steuerbaren Energieverbrauchs. Vielleicht wäre das niedriger eingestufte Angebot das passendere, dazu vielleicht ein kognitiv anspruchvolleres Hobby, was gut tut. Ich wünsche Ihnen viel Freude bei der Arbeit!
Guten Abend Meine 9-jährige Tochter erhielt vor 2 Jahren eine ASS-Diagnose. Nun äussert die neue Psychologin bedenken bezüglich dieser Diagnose. Sie findet die Abklärungen wurden nicht mit genügend Sorgfalt durchgeführt. Mein Mann und ich sind verunsichert. Was würden Sie uns raten?
Katja Wichser: Ich kann verstehen, dass Sie das als Eltern verunsichert. Daher empfehle ich Ihnen, mit der abklärenden Stelle nochmals Kontakt aufzunehmen. Gegebenenfalls kann die abklärende Person auch mit der aktuellen Psychologin in Kontakt treten und die offenen Fragen klären.
Meine Tochter hat bis 2 1/2 jahre gar nichts gesprochen. Mit 2 Jahren hat sie regelnmässig extreme Wutanfälle bekommen in unregelmässigen sbständen. Wurden ein bisschen weniger mit der Zeit. Dafür intensiver. Mitlerweile ist sie 12. Bald 13 Jahre. Sie ist recht sensibel und nimmt immer alles sehr ernst. Versteht keinen Witz. Sind das evt. anzeichen für Authismus?
Peter Weber: Inflexibles Verhalten ist tatsächlich ein Merkmal einer Autismusstörung, ABER: das allein reicht nicht aus – vielmehr müssen ja auch Merkmale der Kommunikationsstörung dazu kommen. Wenn Sie unsicher sind sprechen sie Ihre Kinderärztin/Kinderarzt darauf an – viele KinderärztInnen verfügen über Screeninginstrumente mit denen es möglich ist zu schauen, ob eine vertiefte Abklärung wirklich Sinn macht – denn jetzt im präpubertären Alter ihrer Tochter sind sensible Reaktionen natürlich auch nicht ungewöhnlich.
Welche Tipps habt Ihr für Kindergartenlehrerinnen wenn man bei einem Kind eine Vermutung auf Autismus hat? Wie unterstütze ich dieses Kind?
Peter Weber: Besprechen Sie die Phänomene mit den Eltern und ggf. empfehlen sie eine Abklärung bei einer Fachstelle/Fachperson/Fachpraxis – diese Adressen kennt ggf. der /die KinderärztIn. Wichtig sind klare Regeln und Strukturen und vorhersehbare Abläufe
Guten abend Kann sich ein ASS erst im erwachsenenalter entwickeln? Und was sind die ursachen? Danke
Katja Wichser: Die Autismus-Spektrum-Störung gehört klinisch gesehen zu den Entwicklungsstörungen. Autismus ist daher seit der Geburt «existent». Jedoch kann sich die Symptomatik, je nach Lebensphase/Entwicklungsanforderungen, anders präsentieren. Auch kann die Ausprägung der ASS über die Lebensspanne variieren.
Guten Abend Wenn ein Verdacht besteht, dass ein Familienmitglied eine autistische Störung haben könnte, wie ist das Prozedere? Wer stellt die Diagnose? An wen muss man sich melden? Danke für ihre Antwort und freundliche Grüsse
Peter Weber: Ich würde – wenn es sich um eine erwachsene Person handelt – mit Ihrem Hausarzt Kontakt aufnehmen, der Sie an die zuständige Fachstelle verweisen kann oder Sie nehmen direkt mit dem Kantonalen Psychiatrischen Dienst Kontakt auf oder lassen sich Abklärungsstellen über die Selbsthilfeorganisation Autismus Deutsche Schweiz nennen.
Ich bin verzweifelt, da meine Ex Frau die Diagnose Asperger bei beiden Kindern (12 + 16) nicht wahrhaben will. Beide Kinder sind ungefähr gleich stark betroffen, allerdings in unterschiedlicher Weise und Ausprägung. Meine Tochter hat meiner Ansicht nach ganz klar ersichtliche Symptome (Sichtkontakt, Sprachverständnis, Empathie, Emotionen, Einnässen) , Dr. Girsberger aus Liestal hat bei ihr eine Disgnose nach IDC 10 gestellt. Mein Sohn hat keine klare Diagnose, sondern er sei laut Abklärung ein «atypischer» Asperger. Ich kann gegen den Willen meiner Ex Frau für beide Kindern keine spezifische Hilfe organisieren wie zB Ergotherapie und Sozialkompetenztraining. Auch ddr SPD ist machtlos. Was könnte ich noch tun?
Bettina Tillmann: Die spezifische Unterstützung der Kinder könnte für den weiteren Bildungsweg Ihrer Kinder eine CHANCE darstellen. Das könnte ein Schlüsselwort sein für die Mutter der Kinder, denn eine Chance lässt man eher nicht verstreichen. Vielleicht nicht mit Reden sondern entsprechenden Büchern erklären (lassen) z.B. «Früher war ich falsch, heute bin ich anders» Regine Winkelmann, Erzählung über die Kinder einer selbst betroffenen Mutter. Im Sinne der Kinder wünsche ich Ihnen gutes Gelingen!
Guten Abend, eine frühe Diagnose sei wichtig- dies wird überall erwähnt und auch unsere Kinderärztin ist dieser Meinung. Leider finden wir für unsere 8-jährige Tochter keine Stelle, welche eine Abklärung macht- alle sind ausgebucht. Wo können wir uns melden? Freundliche Grüsse
Katja Wichser: Leider sind die Fachstellen zurzeit sehr überlastet, was zu längeren Wartezeiten führt. Das ist für die betroffenen Systeme/Personen verständlicherweise frustrierend. Ich empfehle, sich auf die Wartelisten setzen zu lassen. Mögliche abklärende Stellen finden Sie auch unter: https://www.autismus.ch/adressen.html
Guten Tag, danke vielmals für den wichtigen Beitrag über spät diagnostizierte Frauen! <3 Ich bin 32 und habe schon Jahre den Verdacht, im Autismus-Spektrum zu sein, habe aber starkes Imposter Syndrom. Mal bin ich sicher (recherchieren über Autismus fühlt sich an, wie nachhause kommen) und dann denke ich wieder, dass ich mir das vielleicht nur einrede, da ich im Leben versage. Freundschaften fallen mir extrem schwer. Ich habe mehrere Fragen: 1.) Wo kann ich mich als erwachsene Frau abklären lassen in Graubünden? Oder muss ich nach Zürich? 2.) Wie kann ich darauf vertrauen dass da mein Autismus erkannt wird? Ich habe Angst, ohne Diagnose abgewiesen zu werden und darum schiebe ich eine Abklärung schon so lange raus! Nie hat jemand mein Anderssein erkannt hat, da ich immer Maskiere und auch alexithym bin, ich erkenne meine Gefühle nie direkt und brauche manchmal Monate,bis ich erkenne,was das damals für ein Gefühl war. Sprechtherapie hat bei mir nie funktioniert darum, ich kam mir dabei so blöd vor! Kein Arzt, Elternteil, Lehrperson, Psychiater oder Psychotherapeut haben nie einen Verdacht geäussert, nur Depression, Essstörung und ADHS diagnostiziert. 3.) Ich hatte aber noch nie einen Job länger als ein Jahr und bin seit ich 15 bin (im Gymnasium) im autistischen Burnout. Wie komme ich da je wieder raus?
Peter Weber: Nehmen Sie am besten mit dem Kantonalen Externen Psychiatrischen Dienst Kontakt auf – der kann Ihnen helfen oder an eine zuständige Fachstelle verweisen. Eine andere Option ist es mit der Selbsthilfevereinigung Autismus Schweiz Kontakt aufzunehmen und sich Abklärungstellen nennen zu lassen
Ist es möglich, dass jemand mit ASS sich im Alltag so „verstellen“/anpassen kann, dass es kaum auffällt und sich diese Anspannung dann zu Hause entlädt? Auch bezüglich sozialer Interaktion.
Katja Wichser: Viele betroffene Personen berichten davon, dass die erbrachten Anpassungen im Alltag viel Energie kosten und es folglich zu Erschöpfungen / «Entladungen» zu Hause kommen kann. Gerade Frauen im hochfunktionalen AS-Spektrum erbringen vielfach eine hohe soziale Anpassung, welche sie langfristig auch erschöpfen kann. Aber es ist an dieser Stelle auch wichtig zu erwähnen, dass Anpassungen durchaus funktional und wichtig sein können, um den Alltag zu meistern.
Wie kann man Autisten unterstützen.
Bettina Tillmann: Fragen was sie benötigen, bei Kindern deren Eltern fragen. Klare Strukturen, Regeln, Rituale. Sich und Situationen vorhersehbar machen, keine Überraschungen. Betroffene haben oft ein starkes Kontrollbedürfnis, dieses kann gut eingesetzt werden als Ressource im Alltag. Auf Spezialinteressen eingehen, ihnen zeigen, dass sie und ihr Verhalten interessant sind. Offensein für Anderssein, Es könnte alles ganz anders sein, als wir es gewohnt sind zu denken, auf diesen Perspektivenwechsel müssen wir uns als Mitmenschen einstellen. Es ist eine sehr schöne Erfahrung, wenn dies gelingt ;)
Die meisten Fachpersonen kenne sich leider nicht mit Autismus aus. Es gibt keine Therapie. Woran liegt das? Schizophrenie haben auch nir 1% der Menschen, aber dort gibt es viel mehr Fachpersonen. Ich werde von Fachpersonen immer missverstanden, weshalb ich sehr viel Fachwissfn brauche, was fpr mich sehr anstrengen ist. So stelle ich mir eine Therapie nicht vor. Ausserdem mach mir das Angst, weil ich weiss, dass mir niemand helfen kann. Ich habe zwar meine Diagnose mit 12 Jahren erhalten, es wurde mir aber immer wieder gesagt, ich solle zu einem Spezialist gehen (den es nicht gibt oder es gibt eine sehr lange Warteliste). Das ist nicht hilfreich für jemanden mit einer Esstörung und Depressionen.
Peter Weber: Es ist schlecht zu hören, dass Sie bisher keine Stelle gefunden haben, wo Sie sich verstanden fühlen. Ggf kann man Ihnen raten sich mal mit einer Selbsthilfeorganisation in Verbindung zu setzen – ggf. ist das ein Weg, der für Sie im Moment besser passt ? Verlieren Sie nicht den Mut
Guten Abend Tolles Thema! Danke. Ich bin 50j. alt und habe den grossen Verdacht, dass ich ASS habe, da es meine Tochter auch hat. Auch andere könnten sich das vorstellen. Momentan habe ich ein Burnout, ertrage keinen Lärm mehr, stresst mich vieles, bin gereizt, überfordert , bin auch hochsensibel und habe Zwangstörung. Dashalb kann ich nicht mehr arbeiten. Macht es diesbezüglich Sinn, eine Abklärung in dem Alter zu machen? Ist es sinnvoll für eine Integration, wo auf meine Bedürfnisse rpcksicht genommen wird? Möchte arbeiten gehen, habe aber Angst, dass es nicht mehr geht. Zuviele Reize, zuviel Lärm, nicht mehr konzentrieren können. Schlimmer als vorher. Es bessert seit einem Jahr nicht. Besten Dank!
Peter Weber: Guten Abend – ich kann und möchte Sie nur motivieren eine fachärztliche Abklärung anzustreben – leider passiert es immer wieder, dass jahrelang nicht erkannte Grunddiagnosen (ASS oder ADHS) mit dem Jahren zur Überforderung und dann zum burn out führen – im Rahmen der IV-Berufsberatung resp. therapeutischen Unterstützung ergeben sich dadurch ggf. auch andere Möglichkeiten der beruflichen Wiedereingliederung – eine gute Zeit – verlieren Sie nicht den Mut
Bei meiner Tochter wurde eine Autismusabklärung vor 1.5 Jahren bzw. mit 7 Jahren durchgeführt. Die Tests waren nicht eindeutig, letztlich wurde Autismus nicht diagnostiziert, aber schein-autistische Verhaltensweisen. Macht es Sinn diese Abklärung später zu wiederholen, weil sich das verändern kann?
Bettina Tillmann: Wenn Sie eine deutliche Veränderung der Ausprägung im Alltag wahrnehmen, dann könnten Sie die Abklärung im Sinne einer Zweitmeinung wiederholen. Die Förderung des Kindes muss aber ohnehin individuell abgestimmt werden, also können Sie direkt starten, auf die vorhandenen Verhaltensweisen adäquat zu reagieren.
Guten Abend ASS geht manchmal ja auch mit depressiven Zügen/Stimmungen einher. Gibt es hierfür (medikamentöse oder anderweitige) Unterstützung? -Und: Was ist von Metyhlphenidat zu halten in Hinblick auf ASS zur besseren Reizfilterung und dadurch Verbesserung des Wohlbefindens? Freundliche Grüsse
Peter Weber: Das stimmt – im Erwachsenenalter ist die Kombination leider sogar häufig. Bzgl. der depressiven Symptome ist sicher eine kognitive Verhaltenstherapie eine Option, ggf. je nach Beeinträchtigungsgrad zusammen mit einer Medikation mit Stimmungsaufhellern. Methylphenidat ist eine Option, wenn zusätzlich zur ASS Symptome einer Aufmerksamkeitsstörung vorliegen – dies sollte vorher aber fachärztlich beurteilt werden.
Als Schulische Heilpädagogin integriere ich ein Kind mit Sonderschulstatus in einen Regelkindergarten. Eine klare Diagnose steht nicht, doch das Klassenteam ist sich sicher, dass es eine ASS ist. Die Kindesmutter will es nicht wahrhaben und sagt nur, dass ihr Sohn nur Kommunikationsschwierigkeiten und scheu ist. Der Schulpsychologische Dienst hat noch keine Diagnose gestellt. Für eine Abklärung im Kispi müssen wir fast ein Jahr warten. Was können wir tun, als Klassenteam? Wie gehen wir mit der Mutter um?
Bettina Tillmann: Das ist eine oft anzutreffende Situation. Für die Förderung müssen Sie nicht auf eine Diagnose warten, vertrauen Sie Ihrem Fachwissen und gestalten das Setting autismusspezifisch. Den Umgang mit Eltern empfehle ich im Sinne der Bildungspartnerschaft auf Augenhöhe und wertschätzend. Alle Eltern haben ihre Gründe, weshalb sie sich entsprechend verhalten. Eventuell ist es die eigene Betroffenheit an ASS (Teil einer genetischen Ursache) oder der schmerzhafte Prozess der Verarbeitung einer allfälligen Diagnose bzw. Gewissheit, dass etwas mit dem Kind auffällig ist und bleibt. Das kann Eltern Angst machen und verständlicherweise zu Abwehr führen.
Guten Abend. Ich vermute stark, dass meine Freundin eine unentdeckte AS-Störung haben könnte. Unsere Beziehung ist durch vielerlei solcher Symptome stark belastet. Nach aussen, in unser Umfeld, wirkt sie fast schon extrovertiert, aber ich denke es ist angelerntes Verhalten bzw. „Tarnung“. Unser Zusammenleben ist geprägt von Distanz. Ist es sinnvoll, dass ich sie darauf anspreche bzw. das mit ihr diskutiere oder ist es besser das im Rahmen von professioneller Hilfe (z.B. Paartherapie) zu machen? Danke.
Peter Weber: Das hängt sicher sehr von ihrem prinzipiellen Vertrauensverhältnis ab, inwieweit und in welchem Rahmen man schwierige Themen ansprechen kann. Man kann ansonsten ja auch Merkmale ansprechen, die einen irritieren und hilflos machen ohne über Diagnosen zu «spekulieren» – führt ersteres dann zu einer Paartherapie ist ja möglich in dem Rahmen dann weiter zu schauen.
Mein Mann ist ziemlich sicher, dass er Autismus Spektrumsstörung hat. Wie findet man das im erwachsenen Alter heraus?
Katja Wichser: Eine fachlich fundierte ASS-Abklärung an einer Fachstelle / bei einer erfahrenen Fachperson kann Ihrem Mann weiterhelfen. Mögliche Anlaufstellen finden Sie auch unter: https://www.autismus.ch/adressen.html
Unser Sohn ist 8 Jahre alt und vermuten Authismus, wie aber können wir dies abklären lassen, bzw diagnostiziert werden? Danke fürs Feedback
Bettina Tillmann: Sie können die Kantonale Dienststelle der Kinder- und Jugendpsychiatrie kontaktieren.
Guten Abend Inwiefern hängen Autismus und ads (adhs) zusammen. Gibt es da überhaupt einen Zusammenhang? Besten Dank für Ihre Rückmeldung.
Peter Weber: in früheren Klassifikationssystemen waren das Ausschlussdiagnosen, d.h. man konnte nur eine der Diagnosen vergeben/haben. In den aktuellen Diagnose- Klassifikationen (ICD-11 oder DSM-V) ist die Kombination «erlaubt», was auch dem klinischen Eindruck entspricht. Prinzipiell ist das Risiko für eine Diagnose einer Entwicklungsbeeinträchtigung erhöht, wenn bereits eine andere vorliegt – zumindest i.S. der Assoziation.
Mein Enkel, bald 20 Jahre alt, bekam im Alter von ca 7 Jahren die Diagnose Autismus Spectrum. Er hat soeben eine 3-jährige Lehre erfolgreich beendet und seinen Führerschein gemacht. Fragen beantwortet er meistens mit ja und nein, doch finde ich, er hat grosse Fortschritte gemacht. Er hat auch 3 Kollegen, mit denen er viel redet. Kann es sein, dass man die Krankheit mehr oder weniger überwinden kann? Vielen Dank!
Katja Wichser: Schön, dass Ihr Enkel so viele Fortschritte machen konnte. Die Entwicklung von Menschen mit ASS findet über die Lebensspanne, wie auch bei neurotypischen Menschen, stetig statt. Eine Autismus-Spektrum-Störung wird aus fachlicher Sicht nicht «weg-therapiert», Betroffene können lernen mit der Symptomatik umzugehen und sich bei Unsicherheiten/Fragen Hilfestellungen zu holen. Dies hilft den Alltag zu bewältigen und sich immer weiter zu entwickeln.
Bei meiner Tochter ist die mühsam aufgebaute Fassade mit 13, vor gut zwei Wochen mit dem Umzug, verbunden mit der neuen Schule komplett zerbrochen. Seither kommt das ganze Ausmass zum Vorschein. Wir haben schon seit ihrem 3 Lebensjahr gemerkt, dass ihr alle zwischenmenschlichen Dinge sehr schwer fallen. Haben aber nie im Bereich Autismus nach der Ursache gesucht. Erst als die Fassade brach, fiel es uns wie Schuppen von den Augen. Ich habe mich dann an den Autismus Verband Schweiz gewandt und durch Fragebogen wissen wir nun, dass sie tief im Autismus drin ist. Es einfach bisher gut kaschieren konnte. Wir sind alle gerade stark gefordert, da sie nun, ohne Panzer, Horror vor der Schule und vor allem den vielen neuen Menschen hat. Nun meine Frage: Was kann man schulisch nun am besten machen? Wir möchten ja schon, dass sie sich in der Regelschule einleben kann, aber wir sind in der Schulwoche drei und mehr als zwei, drei Stunden täglich, wenn überhaupt, gehen nicht. Aktuell ist die Lehrerin zum Glück sehr hilfsbereit, aber auf Dauer kann sie natürlich auch nicht so viel Fehlzeit akzeptieren.
Bettina Tillmann: Der schrittweise Aufbau scheint mir sehr wichtig. Ihr Kind muss sich sicher fühlen dürfen, mit entscheiden im vorgegeben Rahmen. Eventuell gibt es die Möglichkeit einer Autismus-spezifischen Beratung des Schulteams für Strukturierung und weitere unterstützende Massnahmen. Zu Hause sollte alles so routiniert und klar wie möglich laufen, damit Ihre Tochter die Energie auf die schulischen Herausforderungen aufwenden kann. Was tut Ihrem Kind gut, wie entspannt sie sich, davon mehr. Das entscheidende Gelingensmoment sind die Menschen, die sich einsetzen, damit der Schulwechsel klappt. Gutes Gelingen!
Ich als Selbstbetroffene und Spätdiagnostierte habe heute noch sehr schwer. Weshalb respektiert die Welt der Nichtautisten uns nicht? Die IV sollte den ASS Renten geben, wenn die ASS schon mehrere Burnouts hatten. Danke.
Peter Weber: wenn durch die Symptomatik resp. der Krankheitsverlauf eine deutliche Einschränkung der Erwerbstätigkeit besteht ist das ja auch so – die IV versucht aber natürlich die Selbstkompetenz der Menschen aufrechtzuerhalten und dazu gehört eben auch die eigene Arbeitstätigkeit – vielleicht können Sie mit der IV schauen, was man von Ihnen erwartet, um Ihre Erwerbsfähigkeit zu steigern und ob Sie (ggf. mit therapeutischer Unterstützung) sich in der Lage fühlen, dies zu probieren – ansonsten gibt es ja auch das Instrumentarium der Teilberentung. Ich wünsche Ihnen zumindest viel Mut
Mein Sohn ist Asperger. Seit der Diagnose vor 5 Jahren sehe ich Parallelen bei meinem Mann. Gibt es die Möglichkeit auch ältere Erwachsene auf Autismus abzuklären? Wenn ja, wo gibt es solche Stellen im Kanton Schwyz und wie kann man das angehen? Gibt es auch Hilfsangebote zur Eingliederung bei der Arbeit für solche Fälle?
Peter Weber: Ja – Sie können sich an den zuständigen Kantonal Psychiatrischen Dienst wenden – dort sollte Ihnen eine Abklärung angeboten resp. eine Abklärungsstelle genannt werden. Es gibt zusammen mit der IV-Berufsberatung Hilfen zur Förderung der Erwerbstätigkeit.
Grüezi Ich habe eine 8jährige Tochter Und bin mir zu 99% sicher das sie hochsensibel ist. Kleidung ist sehr schwierig, alle Etiketten müssen immer weg. Sie richt sachen die wir nicht riechen, vieles eckelt sie an, kann sehr schlecht mit „kritik“ umgehen. Ihre Gspändli von der Klasse dürfen jeder Zeit bei uns spielen und sie liebt das, aber sie möchte nie zu jemandem nach Hause weil sie nicht weis was auf sie zu kommt. Immer gleicher Tagesblauf und Struktur ist sehr wichtig. Ist man wenn man hochsensibel ist automatisch Autist??
Bettina Tillmann: Nein, es gibt keinen Automatismus. Aber das Thema Hochsensibilität ist gerade bei Mädchen im Kontext Autismus häufig anzutreffen. Eine entsprechende Abklärung könnte Klarheit verschaffen.
Guten Abend Gibt es in der Schweiz ein Lehrstellen-Verzeichnis für Jugendliche mit Asperger Syndrom?
Peter Weber: Das ist mir nicht bekannt und würde ich in dem föderalen System auch nicht erwarten – Sie können aber mit Ihrer IV-Berufsberatung Möglichkeiten regional schauen und die sind z.T. dann auch ausserkantonal vernetzt
Guten Abend Mein jüngster Sohn ist im Autismus Spektrum. Die Geschwister haben ADHS. Ich vermute bei mir auch eine Mischung von ADS und AS. Wo kann ich eine Autismusabklärung machen mit Kostenübernahme der KK?
Bettina Tillmann: Die ASS-Abklärung erfolgt in der Regel bei einem kantonalen Dienst der Kinder- und Jugendpsychiatrie. Im Falle der Bestätigung wäre die IV die Kosten tragende Stelle.
Ich vermute seit Jahren, dass ich ASS Betroffene bin. Leider habe ich niemanden gefunden, der eine erwachsene Frau abklären würde. Alle sind spezialisiert auf Kinder. Wo finde ich eine Anlaufstelle?
Katja Wichser: Anlaufstellen für Erwachsene finden Sie auch unter: https://www.autismus.ch/adressen.html Fragen Sie bei der Anmeldung nach, ob Erfahrung bei der ASS-Diagnostik von Frauen besteht.
Gibt es viele Kinder mit ASS, die Sport machen und dazu auch noch Team Sport machen? Hat die Ernährung einen Einflus auf ASS? Ich habe selbst ASS und sobald ich Geld bekomme, muss ich es ausgeben. Ist das typisch für ASS?
Peter Weber: Ja – auch Kinder mit ASS nehmen durchaus auch an Teamsport-Arten teil – und das ist gut und häufig hilfreich und sollte unterstützt werden. Bei schwerer betroffenen Kindern bietet Sport plus ein Angebot an. Die Rolle der Ernährung für die Entstehung und den Verlauf der ASS wird diskutiert – abschliessend lässt sich hier nichts eindeutig feststellen, ausser dass darauf geachtet werden sollte, dass nicht im Rahmen des fixierenden Verhaltens eine zu enge Ernährung stattfindet. Das Verhalten der unmittelbaren Lustbefriedigung (Geld ausgeben und etwas kaufen – statt Bedürfnisse aufzuschieben) ist ein Phänomen der sogenannten exekutiven Dysfunktion, dass man bei verschiedenen Entwicklungssyndromen (z.B. auch beim ADHS) findet – gibt es hierfür noch mehr Merkmale ?
Guten Abend Mir, 37j weiblich, wurde bereits ans Herz gelegt ich soll mich bezüglich Asperger ASS abklären lassen. Ich frage mich nun, ob dies in meinem Alter noch Sinn macht und eine Kosequenz hat? Gibt es Therapien mit gutem Behandlungserfolg in diesem Alter, es geht vorwiegend um Einfühlungsvermögen und Unverständnis/Missverständnis bei Gefühlen im Umgang mit Mitmenschen. Ich selber habe keinen Leidensdruck und habe meine Strategien entwickelt, weiss aber auch, dass ich ein einigen Bereichen 'anders ticke'. Vielen Dank
Katja Wichser: Die Entscheidung für/gegen eine Diagnostik liegt ganz bei Ihnen. Ich empfehle dann eine Abklärung, wenn man dahingehend auch Antworten sucht und haben möchte. Sie haben keinen Leidensdruck und Strategien entwickeln können, das ist massgeblich. Vielleicht mögen Sie auch ihr nahes Umfeld (Partner/Partnerin, Familie, enge Freunde) nach deren Meinung fragen, dies kann Ihnen noch einen zusätzlichen Blickwinkel auf die Fragestellung geben.
Guten Abend Ich habe drei Kinder, meine mittlere Tochter (5-jährig) zeigt autistisches Verhalten. z.B. wenn ich eine kurzfristige Planänderung vornehmen muss, hat sie extrem Mühe dies zu akzeptieren, reagiert mit Weinen und Schreien. Habe das bereits bei der Kinderärztin thematisiert, sie meinte ich soll das Verhalten vorerst beobachten. Wie sehen Sie es bezüglich Abklärungen? Macht es Sinn noch zuzuwarten? Ich habe auch schon mal die Aussage gehört: „Alle haben autistische Züge!“ Wie sehen Sie es? Vielen Dank für Ihre Rückmeldung. Freundliche Grüsse
Bettina Tillmann: Mit 5Jahren würde ich nicht länger zuwarten sondern eine Abklärung erwirken. In Ihrem Fall ist die Vorhersehbarkeit für Ihr Kind sicher hilfreich. Ablaufpläne, die ihre Tochter versteht. Wenn sich der Plan ändert ist sie verunsichert, weiss nicht, was von ihr erwartet wird, das kann Angst machen und das von Ihnen genannte Verhalten auslösen. Wenn der Plan sich also mal ändert, dann muss ersichtlich sein, wann es wieder «normal» ist. Oder mit der «zuerst-dann"-Karte erklären, was kommt nacheinander, dies hilft der Orientierung.
Wie könnten zukünftig Twiceexceptionals (Hochbegabt und ASS) früher erkannt werden?
Peter Weber: Die Frage ist sicher sehr wichtig und richtig – eine Möglichkeit ist dass wir mit Blick auf die Entwicklung der Kinder Aspekte der sozialen Entwicklung genauso betrachten, wie Fragen der kognitiven Entwicklung. Die Freude über die gute kognitive Entwicklung verstellt sicher manchmal den Blick auf die emotionale und/oder sozialen Entwicklungskompetenzen der Kinder.
Guten Tag Sind bei einem autistischen Menschen mit Dissoziativer Identitätsstörung (früher Multiple Persönlichkeit) alle Identitäten autistisch? Die «Hardware» Körper bzw das Gehirn bleiben ja autistisch, egal welche «Software» (Persönlichkeiten) gerade aktiv ist. Ich habe verschiedene Meinungen darüber gehört und würde gerne wenn möglich Ihre Ansicht dazu hören. Danke, dass Sie einen Chat zu Autismus anbieten!
Peter Weber: Guten Abend – dass ist eine sehr «logisch» und «interessant» klingende kategoriale Frage – ich weiss nicht ob man das so beantworten kann, vielmehr gehe ich im Rahmen der Spektrumstörung davon aus, dass es auch hier verschiedene Bilder/Schattierungen gibt. Wichtiger erscheint mir aber zu sein zu schauen, was welche alltagsrelevante Beeinträchtigung macht und sich in der therapeutischen Arbeit/Unterstützung darauf zu fokussieren – wenn die Frage eher von theoretischem Interesse motiviert ist müsste man einen Psychiater fragen, der sich speziell mit Fragen der Nosologie beschäftigt
Guten Tag, Wenn man erst mit 30 Jahren diagnostiziert wurde, wie kann mensch sich dann richtig behandeln lassen? Gibt es in der Nähe von Zug eine Stelle an die mensch sich wenden kann?
Peter Weber: Empfehlen würde man den zuständigen externen psychiatrischen Dienst – ansonsten können Sie ggf. auch über den verband Autismus Deutsche Schweiz Adressen erhalten
Sehr geehrte Damen und Herren Ich bin 19 Jahre alt und habe Autismus. Ich möchte wissen, was es für Therapiemöglichkeiten gibt, um im Alltag weniger belastet zu sein. Ich fühle alle Gefühle (vor allem die negativen) sehr extrem, was mich sehr belastet. Was gibt es da für Möglichkeiten. Auch habe ich Probleme beim Lernen. Da ich diesen Detaillefokus habe, brauche ich viel länger um Sachthemen zu verstehen. In der Vorlesung komme ich deshalb kaum mit und muss alles zu Hause alleine nacharbeiten. Deshalb habe ich 15 Stunden Tage. Was haben Sie da für Tipps? LG
Katja Wichser: Eine Hilfestellung / Therapie sollte möglichst praxisnah und für Sie umsetzbar sein. Auch in der Ausbildung ist es möglich, Unterstützung durch die IV zu erhalten (dazu müssten Sie berufliche Massnahmen beantragen). Ein ASS-spezifisches Lerncoaching, eine Studienberatung und/oder eine Psychotherapie können Ihnen helfen, den Alltag passender zu gestalten und mit den von Ihnen beschriebenen Schwierigkeiten umgehen zu lernen.
Ich hatte in meiner Spielgruppe schon drei Autistische Kinder. Was und wie könnte ich solche Kinder besser unterstützen, fördern und begleiten.
Bettina Tillmann: Strukturierung und Visualisierung mittels TEACCH, klare Abläufe, Rituale, äussere Reize vermindern. Wir bieten am 19.10.2023 eine eintägige Weiterbildung «P-ASS-T – Autismus-Spektrum-Störung zwischen Praxis und Theorie» in Aesch / BL an. Programm auf unserer homepage www.gsr.ch
Was halten Sie von Cannabisprodukten für erwachsene ASS-Betroffene? Wie ist da der aktuelle Forschungsstand? Wer hat diesbezüglich wissenschaftlich fundierte Erfahrung in der Schweiz?
Peter Weber: Der Nutzen eines Cannabiskonsums bei Autismus ist im strengen wissenschaftlichen Sinne nicht belegt – die Frage ist ja auch, welche beeinträchtigenden Symptome (Unruhe, soziale Ängste, Zwänge, Depression o.ä.) sich verbessern sollen. In Einzelfällen kann es dennoch zu einer Entspannung v.a. bei Unruhezuständen führen – relevant ist hier auch die frage der Dosierung, wofür es kein allg. Regeln gibt. Empfehlen würde man dies mit Ihrem Arzt anzuschauen – ggf. mit einer Fachstelle oder Fachpraxis für Autismus, die sicher am meisten Erfahrung mit der Thematik hat. Empfehlen würde man immer medizinisch reines CBD einzunehmen – im Cannabis selbst sind viele in der Wirkung z.T. unklare Substanzen
Welchen Therapie-Ansatz bzw. Methode empfehlen Sie bei Kleinkindern mit frühkindl. Autismus. Ich bin absolut gegen ABA, welche Alternativen gibt es?
Bettina Tillmann: In der Intensiven Frühintervention des GSR Autismuszentrum ist die Basis der Beziehungsaufbau. Als Konzepte nutzen wir Floortime und Marte Meo. TEACCH als visualisierendes und strukturierendes Konzept ist aus der Förderung nicht wegzudenken. Kommunikationsaufbau durch PECS ist ein Teil von ABA, der nicht sprechenden Kindern die Möglichkeit eröffnet, die Basis für Kommunikation zu stärken, wen Bilder das Geben und Nehmen im Gegensatz zu Worten deutlich erleichtern. Der Fokus der Intervention muss sicher auf dem Kind und seinen Bedürfnissen sein, nicht auf der einzelnen Methode.
Guten Tag, unser Sohn (15) war immer sehr introvertiert und deshalb haben wir eine Abklärung bei einem Kinderpsychologe vor etwa 5 Jahren gemacht. Die Resultate: einen Verdacht auf Autismus und andere Tests sollte gemacht werden. Der Kinderarzt spez. in Kinderentwicklung hat aber damals gemeint, es ist nicht nötig weiter zu abklären, es wäre sowieso eine leichte und aussergewöhnliche Form von Autismus. Keine weiter Abklärung wurde gemacht. Heute ist er immer noch introvertiert, Freundschaften sind für ihm schwierig zu schliessen. Er ist im Moment auf Lehrstellensuche und scheitert immer bei der Gespräche trotz gute Schulleistungen. Er möchte KV machen. Sund andere Berufe für ihn besser geeignet?Sollten wir für ihn Hilfe holen? Welche Therapie wäre geeignet?
Katja Wichser: Für eine gezielte Hilfestellung bei beruflichen/ausbildungstechnischen Schwierigkeiten/Fragestellungen ist es wichtig zu wissen, ob eine Autismus-Spektrum-Störung vorliegt. So können gegebenenfalls Hilfestellungen durch die IV bzgl. beruflicher Massnahmen beantragt werden. Welche Berufe für Ihren Sohn in Frage kommen könnten, kann eine Fachperson aus dem Bereich Berufsberatung (z.B. bei der IV nach einer gesprochenen Massnahme) mit ihm erarbeiten.
Guten Tag! Ich bin knapp 50 und habe seit ein paar Monaten eine gesicherte Diagnose betreffend ADHS und hochfunktionalem Asperger. Endlich weiss ich, warum ich manchmal etwas «anders» bin... Meine Frage betrifft die folgenden Konstellationen: A) allgemein bei Konflikten; B) in Diskussionen, wenn ich Argumente zwar in meinem Kopf «sachlich-logisch» beantworten/entkräften kann, aber nicht in der Lage bin, sie in Worte zu fassen; C) wenn ich mich dem Gegenüber bei einer Diskussion verbal unterlegen fühle In all diesen Situationen erstarre ich. Ich sitze unbeweglich da (d.h. ich bewege mich tatsächlich kaum einen Millimeter) und fixiere mit den Augen einen Punkt bzw. starre ins Leere. Wenn meine Partnerin mich «zwingt», sie anzusehen oder ihr gar in die Augen zu blicken, verlangt das von mir eine extreme Anstrengung. Ich fühle mich körperlich blockiert, sowohl was das physische Bewegen als auch – bzw. vor allem – das Aufnehmen eines (wenn auch nur kurzen) Blickkontakts angeht. Ich nehme das, was mein Gegenüber sagt, wahr und beantworte/entkräfte es innerlich, sage aber kein Wort. In Gedanken «höre» ich bzw. «produziere» ich zudem unzählige Male dieselbe Melodie (oft nur eine kurze Tonfolge, die dafür dutzende Male) und warte, bis mein Gegenüber fertig ist. Meine Erstarrung löst sich erst dann, wenn das Gegenüber fertig ist, d.h. es aufgegeben hat, auf mich einzureden oder mir Fragen zu stellen. Manchmal bleibe ich noch eine Weile starr sitzen, manchmal bewege ich mich in ein anderes Zimmer. Immer aber vermeide ich weiterhin jeglichen Blick- und Körperkontakt und brauche oft eine Nacht, um mich wieder zu «normalisieren». Hängt diese Blockade bzw. das Erstarren mit meinem Asperger zusammen? Falls Ja: Gibt es einen Trick/eine Technik, damit ich mich in einer solchen Situation sozial angemessener verhalten könnte? Vorab herzlichen Dank für Ihre Einschätzung!
Peter Weber: Guten Abend – das generell zu beantworten ist sicher schwierig – prinzipiell gehe ich aber davon aus, dass es sich um eine Reaktion im Rahmen des Asperger-Syndroms handelt. Ob ein «Trick» hilft, weiss ich nicht – ich denke, dass es aber Sinn machen könnte zu analysieren, was denn die Reaktion konkret auslöst, heisst was die psychische Grundlage dieses Einfrierens ist (z.B. ob Ängste eine Rolle spielen, ob fehlende soziale Flexibilität eine Rolle spielt, welche Situationen dafür prädisponiert sind u.ä.) Diese Analyse kann dann die Grundlage sein, ein «anderes» von Ihnen gewünschtes Verhalten zu trainieren – ggf. ist es hilfreich dies zusammen mit einem/r TherapeutIn zu machen
Stimmt es, dass sich Autismus in seinen Spektren bei Frauen und Mädchen anders zeigt als bei männlichen Betroffenen?
Bettina Tillmann: Ja, Mädchen sind oft her zurückhaltend, introvertiert, suchen sich sozial angepasste Beschäftigungen und Hobbies auf, dadurch fallen sie weniger auf, erhalten später Aufmerksamkeit und Unterstützung.
Wie geht man am Besten mit einer Person um, bei welcher attypischer Autismus diagnostiziert wurde? Jetzt so aus der Sicht des Umfelds gesehen.
Bettina Tillmann: Erforschen, was der Person gut tut, damit der Alltag nicht mehr Energie als nötig verbraucht.
Welche Beratungsstellen für von Autismus betroffene Kinder im Primarschulalter gibt es? (Kanton Aargau)
Bettina Tillmann: PDAG, Windisch
Guten Abend Ich habe vor einer Weile Abklärung für die ASS-Diagnostik bei Erwachsenen durchlaufen, mit der Frage nach einer Asperger-ASS. Die Auswertung der Abklärung, das Abschlussgespräch mit der Besprechung des Berichtes verlief für mich als Patientin sehr unbefridigend. Ich erhielt von der Spezialistin im Abschlussgespräch eine ASS/Asperger-Diagnose und ein Abschlussbericht. Jedoch kann ich bis heute weder die Begründung für den grössten Teil der Diagnose nachvollziehen, noch wurde mir bis Anhin diese für mich verständlich erklärt. Ebenso lösst der Abschlussbericht bei mir viele Fragezeichen aus, neben z.T. Fehlerhaften Angaben. Ich fühle mich mit dem ganzn alleine gelassen ohne wirkliche Ansprechsperson. Durch die vielen Fragezeichen stelle ich vieles der Diagnose in Frage, weil ich sie mit meinem wenigen Wissen über Asperger-Autismus und meiner Realität nicht vereinbaren kann und mir bisjetzt niemand Antwort auf meine vielen Fragen zur Diagnosenherleitung oder den Aussagen im Bericht geben kann. Können Sie mir deshalb: 1. eine wirklich kompetente Fachstelle für eine 2. Meinung im Berich ASS im erwachsenenalter geben, welche zudem über ein fundiertes Fachwissen im Berich ADHS und dessen Abgrenzen zu einem ASS verfügt. Da eine ausgeprägte ADHS bereits vorbestehend und Diagnostiziert ist. 2. eine Anlaufstellen oder Fachperson oder ähnliches in der Region Chur/Sarganserland empfehlen, welche mich grundsätzlich dabei unterstüzten könnte die Diagnose, der Hintergrund der Diagnose, die Bedeutung eines ASS im Alltag, was konkret alles für Symptome/Stolpersteine bei einem ASS im Alltag auftreten können, welche ev. bei einer leichteren Ausprägrung nicht vorkommen etc., zu verstehen und das ganze einzuordnen? Herzlichen Dank für Ihre Hilfe bei meiner leicht komplizierten Frage
Katja Wichser: Viele betroffene Personen berichten davon, dass das Einordnen der Diagnose nach der Diagnosestellung essentiell für sie war. Daher würde ich Ihnen empfehlen, gemeinsam mit einer Fachperson aus dem Bereich ASS den Untersuchungsbericht durchzugehen und so besser zu verstehen, was die Fachpersonen beschreiben / verstanden haben. Dann können Sie gegebenenfalls überprüfen, ob eine Zweitmeinung/erneute Diagnostik sinnvoll wäre. Mögliche Fachstellen/Fachpersonen aus Ihrer Region finden Sie unter: https://www.autismus.ch/adressen.html
Was gibt es nach später Diagnose und bei chronifizierten (Erschöpfungs)-Depressionen für Behandlungsmöglichkeiten?
Peter Weber: Die Behandlung setzt sich oft zusammen aus einer symptomorientierten pharmakologischen und einer psychotherapeutischen Behandlung, die je nach Konzept des behandelnden Psychotherapeuten/in eher kognitiv-verhaltenstherapeutisch orientiert ist (was ich persönlich bevorzuge) oder eine andere psychotherapeutische Methode bevorzugt.
Wie gelingt eine Diagnostik, wenn der Fachperson ADHS und Autismus Symptome auffallen? Das ist doch so gegensätzlich?
Bettina Tillmann: Es gibt eine grosse Schnittmenge an Auffälligkeiten zwischen ADHS und Autismus. Die Diagnosen dürfen heutzutage nebeneinander bestehen und werden auch zeitgleich vergeben.
Ich habe eine Autismusspektumsstörung und leide unter Depressionen. Welche Klinik/Station ist für akute Krisen geeignet? Habe bislang schlechte Erfahrungen gemacht, da das Fachwissen über Autismus fehlte.
Peter Weber: eine konkrete Institution zu empfehlen ist schwierig – zuständig sind die regionalen psychiatrischen Dienste – eien andere Option wäre über die Selbsthilfeverbände (z.B. Autismus Deutsche Schweiz ) sich Kontaktadressen geben zu lassen
Grüezi Puls. Wir haben 2 Asperger-Kids und nehmen einen sehr erheblichen Aufwand aller Facetten auf uns. Ein Antrag auf Hilflosenentschädigung wurde uns verweigert – etwas salopp formuliert: Es gibt andere Personen denen es mit den ASS-Kids noch schlimmer geht – und sind sich der kantonale «Budget-Kuchen» (AG) weder vergrössern noch beliebig teilen lässt. Die IV-Anträge sind derzeit noch hängig – was würden Sie uns empfehlen um den uns bzw. den Kids zustehende Leistungen noch glaubwürdiger geltend zu machen?
Peter Weber: Wenn Sie den Eindruck haben, dass die IV-Sachperson ihre Situation nicht richtig einschätzt stellen Sie zusammen mit einer unterstützenden Institution ein Wiedererwägungsgesuch – anbieten würde sich hier pro infirmis (oder die in Ihrem Kanton diesbzgl. aktive Stiftung) und/oder va. die Rechtsberatung procap
Sehr geehrte Aerztinnen, sehr geehrter Arzt Einen mir nahestehenden Mann (56 J.) habe ich im starken Verdacht für ein leichtes Asperger-Syndrom. Viele bekannte Merkmale treffen zu. Aber es bestehen überhaupt keine kommunikativen Schwierigkeiten. Kann Asperger auch ohne dieses Merkmal vorkommen? Kann es für einen Mann in diesem Alter noch eine Therapie geben (Verhaltenstherapie / Medikamente, usw. ) ? Wie wirksam wäre diese noch? Ist es üblich, dass Menschen mit dem Asperger-Syndrom keine Krankheitseinsicht haben, sie selber nicht sehr darunter leiden jedoch das Umfeld umso mehr? Vielen Dank für die Aufklärung!
Bettina Tillmann: Menschen mit Asperger haben wie alle Menschen mit Autismus ein Spektrum an Auffälligkeiten und Ausprägungen. Der von Ihnen geschilderte Mann hat im Rahmen der Theory of mind keinen Anlass anzunehmen, dass Sie sein Verhalten anders erleben, als er es tut, das erschwert die Krankheitseinsicht. Es sind immer beide Seiten, die sich auf den Weg machen müssen, der Betroffene und auch das Umfeld. Klartext sprechen, eindeutige Sprache, sagen, wie man es gerne hätte, sich selbst vorhersehbar machen für den anderen u.v.m.
Mir wurde im Erwachsenenalter ASS diagnostiziert. Ich habe 45 Jahre gelittten und musste für viele Dinge extra viel Energie auf mich nehmen. Mobbing ist an der Tagesordnung. Freunde und Kollegen habe ich nicht. Ich wäre auf Unterstützung angewiesen, bekomme aber vom Staat keine Hilfe. Weder finanziell noch in anderen Bereichen. Vor allem auch für psychische Unterstützung. Ich habe aus Kostengründen die höchste Franchise. Warum werden hochfunktionale Autisten in einem reichen Staat alleine gelassen?
Peter Weber: Es tut nicht gut zu hören, dass Sie sich allein gelassen fühlen – dass darf sicher nicht sein. Haben Sie Kontakt zu einer Fachperson, die mit Ihnen Ihre spezielle Situation anschaut. Je nachdem wie die beruflichen Möglichkeiten sind sollten sie dass ggf. mit der IV-Berufsberatung anschauen. Die psychische Situation sollten Sie sicher mit einer ärztlichen oder psycholog-therapeutischen Fachperson in Ihrer Region anschauen – inzwischen werden bis zu 30 psychologische Psychotherapiestunden ja via Grundversicherung in einem Anordnungsmodell über ihren Hausarzt von der Krankenkasse finanziert – nutzen Sie die Unterstützung. Ich wünsche Ihnen viel Mut – und die Kraft weiter Ihren weg zu suchen und zu finden.
Was halten Sie von ABA-Methoden? Ich persönlich finde Sie extrem Unethisch und nicht erfolgbribgend, um den Autismus im Kern zu behandeln.
Bettina Tillmann: Wir bevorzugen im GSR Autismuszentrum als Basis für die Förderung den Beziehungsaufbau, um dann den intrinsischen Motor des Kindes zu starten. Das Kind ist Experte für seine Entwicklung. Es macht jeden Schritt nach eigenem Tempo und Interesse, das ist bedeutungsvoll. Wir geben einen fördernden Rahmen und machen uns als Menschen interessant. Fühlen sich die Kinder sicher, können wir sie ihrem aktuellen Entwicklungsstand entsprechend fördern. Verhaltenstherapeutische Interventionen gehören ergänzend zur Förderung.
Guten Abend Wir sind als Familie selbst betroffen. Unsere 4 Jahre alte Tochter ist im Autismusspektrum. Sie hat noch eine Schwester 7J. Wie gelingt es, das sich nicht immer alles um das eine Kind dreht. Sie bestimmt so zu sagen unser Program. Auch Ferien sind sehr schwierig. Wie gelingt es das alle zur Geltung kommen können? Und die Schwester nicht immer zurückstecken muss? Mit freundlichen Grüssen
Katja Wichser: Sie sprechen ein wichtiges Thema an – das familiäre System eines Menschen mit Autismus. Es ist wichtig, dass sich alle Familienmitglieder gesund (weiter-)entwickeln können und nicht «nur» das Bedürfnis des ASS-betroffenen Familienmitglieds berücksichtigt wird. Fachpersonen begleiten Familien in diesen Fragestellungen und können mit Ihnen gemeinsam ausarbeiten, wie Sie mit den verschiedenen Bedürfnissen und Ansprüchen einen Umgang finden können. Diese Strategien sollten zu Ihnen als Familie passen und im Alltag auch machbar sein.
Ich bin w, 61j. und weiss erst seit 10 Jahren, dass ich Asperger habe. Erleichternd zwar, aber belastend, weil ich alleinstehend bin, frühpensioniert wurde und Existenzängste habe. Einen Job möchte ich zwar, aber mit 61 scheine ich zu alt. Mein Homeoffice gibt mir eine Art Tagesstruktur. Leider fehlen mir soziale Kontakte. Alle Versuche, irgendwo anzudocken, schlugen bisher fehl; ich gelte immer als «Intruder». Freunde und Familie habe ich nicht, die Arbeit (Journalismus, Büro) war meine ID. Wie also soll ich positiv in die Zukunft schauen mit einem Existenzminimum? Sehr belastend dieser Zustand, obwohl die Diagnose schlüssig ist. Mein Know-how liegt brach, ein Studium brächte wenig, wegen dem Alter (mit Pensionsalter als Anfänger?). Eine Selbsthilfegruppe schlug mich in die Flucht, weil das zwar alles Asperger waren, aber viel stärker ausgeprägt. Ich habe alles abgegrast, was möglich wäre, ohne eine Lösung zu finden. Ich würde gern Gleichgesinnte finden und einen mir ebenbürtigen Job, der mich finanziell entlastet.
Peter Weber: Das hört sich im ersten Blick wenig positiv und perspektivisch an. Die soziale Isolation ist ja eines der Hauptprobleme bei Erwachsenen mit einem Autismus. Andererseits finde ich es sehr positiv, dass Sie nicht aufgeben und nach Möglichkeiten suchen. Die negative Erfahrung mit einer Selbsthilfegruppe sollte Sie ggf. nicht abhalten hier nochmals einen zweiten Versuch zu starten – ggf. könne Sie aber auch schauen wo Sie sich sich unabhängig von der Diagnose sozial einbringen, z.B. in Möglichkeiten der Freiwilligenarbeit – auch wenn das für Sie sicher eine besondere Herausforderung ist und man dadurch nicht mehr Geld verdient. Welche Optionen Sie ggf. mit der Arbeit haben würde ich empfehlen evt. mit der IV-Berufsberatung zu besprechen – ich wünsche Ihnen viel Mut
Guten Tag Ich bin 43 Jahre alt und habe (hatte) das Gefühl eigentlich «normal» zu sein. Meine Sozialkompetenz ist aber leider eher unterirdisch, was sich wohl bereits in der Schule abzeichnete. Ich habe keine typische autistische Superfähigkeiten wie Rechnen oder so und auch keine grossen Verhaltensaufälligkeiten. Was ich habe, oder zumindest hatte, waren meine raschen und kreative Lösungsvorschläge bei technischen Problemen / Konstruktionen, welche ich bei meinem Beruf auch ausleben kann. Meine Unfähigkeit zu lügen und allgemeine Ehrlichkeit ist wohl noch hervorzuheben. In meinem weiteren Familienumfeld hat es in der Vergangenheit 3 Asberger Diagnosen gegeben, welche mich nun ein wenig zum Nachdenken gebracht haben. Die betroffenen Personen wirken auf mich eigentlich halbwegs normal, was ich auch für mich persönlich das Gefühl habe. Aber irgend etwas ist halt dennoch nicht 100% bei mir ;-) Was wäre der beste / nächste Schritt für eine Abklärung betreffend Asberger? P.S. Ich bin mir bewusst, das Asberger-Diagnosen gegenwärtig fast schon trendig sind und das Thema medial recht ausgeschlachted wird...
Katja Wichser: Menschen mit Autismus zeigen auch viele funktionale Verhaltensweisen. Daher muss für eine Abklärung nicht ein dysfunktionales Verhalten im Vordergrund stehen. Wenn Sie eine ASS-Abklärung machen möchten, melden Sie sich direkt / über Ihren Hausarzt bei einer Fachstelle an, welche Autismus-Diagnostik anbietet. Fachstellen finden Sie z.B. unter: https://www.autismus.ch/adressen.html
Mein 16jähriger Sohn hat vor 4 Jahren die Diagnose atypischer Autismus erhalten. Mir als Mutter (49 jährig) fällt auf das wir uns im Verhalten und Bewältigen vom Alltag und den mit der Diagnose einhergehenden Problemen sehr ähnlich sind,z.B Angst vor Neuem ,schnell überreizt und das benötigen von klaren Strukturen. Zudem das Bedürfnis sich zurückziehen zu können. Habe selber keine Diagnose, aber seit der Kindheit das Gefühl anders zu ticken. Dazu kommt das meine 24 jährige Tochter im letzten Jahr die Diagnose ADHS bekommen hat. Stimmt es das diese Diagnosen häufig in ein und derselben Familie vorkommen? Und wäre es aus Ihrer Sicht sinnvoll mich abklären zu lassen? Ein Leidensdruck im Alltag ist vorhanden.
Peter Weber: Das ist richtig – das Risiko an einem Autismus zu leiden ist familiär deutlich gehäuft. Wenn Sie also ähnliche Symptome bei sich beobachten wäre eine Abklärung mit dem Ziel einer therapeutischen Unterstützung oder auch nur ggf. sich selbst besser zu verstehen ggf. sinnvoll. Abklärungen können über die Fachstellen Autismus in der Erwachsenenpsychiatrie oder ggf. über spezialisierte Praxen erfolgen.
Letztes Jahr wurde mein Freund für Asperger abgeklärt. Ich habe mit ihm zusammen die Fragebögen ausgefüllt. Beim Fragebogen über die Kindheit waren seine Antworten unauffällig; hätte ich aber die Fragen für mich als Kind beantwortet, hätte ich überall das Punktemaximum erreicht. Heisst das, dass ich möglicherweise Asperger habe? Würde es mir etwas bringen, die Abklärung auch für mich selber durchzuführen?
Bettina Tillmann: Eine eigene Abklärung bringt die Chance, das eigene Wahrnehmen und Tun zu verstehen. Dies ist für den Alltag sicher hilfreich.
bitte um adresse, /stelle/ . wer gibt angeörigen ratschläge? betr. umgang mit erwachsenen ass personen.dank und gruss
Katja Wichser: Gerne empfehle ich Ihnen die Fachstellen-Auflistung von autismus schweiz, dort finden Sie viele Fachpersonen/Fachstellen (regional und nach Fachdisziplin geordnet): https://www.autismus.ch/adressen.html
Guten Abend Ich bin Primarlehrerin und habe in einer gerade übernommenen 3. Klasse ein Junge, der sich sehr speziell verhält. Sein um 1.5 Jahre älterer Bruder ist Autist und hat eine Assistenz. Er selber wurde auf Autismus negativ abgeklärt. Der SPD vermutet, dass sein Verhalten eine Imitation seines Bruders ist, was für uns neuen Lehrpersonen nur schwer nachvollziehbar ist. Der Familie wird unter anderem empfohlen, den Jungen mit Ritalin zu behandeln. Dieser Vorschlag stösst da aber auf Widerstand. Der Junge macht zwischendurch laute Geräusche mit der Stimme. Er mag nicht aus seinen Prozessen (z. B. zeichnen) gestört, bzw. unterbrochen werden. Er liebt es, Dinge zu ordnen. Es scheint, als lebe er in einer anderen Welt .. Nur sehr selten mag er etwas mit der Klasse mitarbeiten. Meine Frage: Gibt es Falsch-Diagnosen bezüglich Autismus-Spektrum-Störung?
Bettina Tillmann: Das Phänomen des Imitierens gibt es im Alltag häufig. Allerdings beschreiben Sie das Verhalten des Jungen wie das eines an ASS betroffenen Kindes. Es gibt immer die Möglichkeit einer zweiten Meinung / Abklärung. Dies könnte z.B. nach einem Jahr sinnvoll sein.
Bestehen für Erwachsene mit Asperger Ansprüche auf IV-Leistungen für z. B. lärmmindernde Geräte oder Transport mit weniger Lärm?
Peter Weber: Nach meinem Kenntnisstand prinzipiell ja – die IV kann die Kosten für Hilfsmittel übernehmen, v.a. wenn dadurch die Erwerbsfähigkeit gesteigert/aufrechterhalten wird. Der Sie betreuende Arzt sollte dies mit dem zuständigen regionalen ärztlichen Dienst Ihrer IV-Stelle besprechen und einen entsprechenden Antrag am besten mit Kostenvoranschlag stellen. Bzgl. Transport kann es schwierig werden (z.B. Anspruch mit Einzelbeförderung anstatt ÖV)
Mein 8-j. Sohn hat vor 2 Jahren ein starkes ADHS diagnostiziert bekommen. Mein Mann und ich vermuten aber eher ein ASS oder eine Kombination. Wo liegt da die Trennung und hätte er einen Vorteil (z.B. Anrecht auf Begleitung in der Schule, Hilflosenentsch.), wenn wir nochmals eine Abklärung anstreben würden? Danke für Ihre Antwort
Peter Weber: Die Differenzierung wird über die Symptomatik gestellt – es gibt aber auch die Möglichkeit (nicht selten), dass beide Diagnosen bestehen. Früher wurde eine Diagnose als Ausschluss für die andere gewertet, das hat sich im neuen Klassifikationssystem geändert. Wenn Sie also den Eindruck haben, dass die sozialen Schwierigkeiten Ihres Sohnes über soziale Verhaltensprobleme im rahmendes ADHS hinausgehen (z.B. bzgl. Interesse an Kontakt, Einfühlungsvermögen, geteilte soziale Aufmerksamkeit) sollte man sicher nochmals eine Abklärung initiiere oder zumindest ein Screening mittels Fragebogen durchführen. Vorteile in der Schule können sich ggf. dadurch ergeben, dass andere oder zusätzliche unterstützende Massnahmen mit der Schule diskutiert werden können. Unabhängig davon stellt sich natürlich dann noch eher die Frage einer anders fokussierten/zusätzlichen Therapie.
Guten Tag, Ich (w) 54 habe seit längerem den Verdacht das ich eine Autismus Spectrum Störung habe. Könnten Sie mir ggf eine gute verifizierte Ärztin ( für mich ist es wichtig das es eine Ärztin ist) bzw. Adresse empfehlen,welche sich mit Autismus Spectrum Störungen bei Erwachsenen auskennt und auch allfällige Abklärungen durchführt? Besten Dank!
Bettina Tillmann: Mit dieser Frage möchte ich Sie an Autismus Deutsche Schweiz weiterverweisen, da erhalten Sie vermutlich die zu Ihrem Kanton passenden Adressen.
Guten Abend. Ich weiss, dass ich einige der typischen Eigenschaften, die dem Autismus-Spektrum zugeordnet werden aufweise. Als Kind wurde ich als hochbegabt eingestuft, und nach dem Konzept der Neurodiversität wäre es ja nicht selten, wenn mehrere davon ausgeprägt sind. Wann ist es sinnvoll, eine Abklärung machen zu lassen, wenn es sich vermutlicherweise nur um eine schwache Ausprägung handelt? Manchmal wäre es schon gut zu wissen, ob ich gewisse Eigenschaften deshalb habe und vor allem auch weitere/bessere Tipps mit einigen der Einschränkungen umzugehen.
Katja Wichser: Eine ASS-Abklärung ist dann sinnvoll, wenn Sie sich in der Thematik erkennen und das Bedürfnis nach Klarheit haben. Gerade auch wenn Sie professionelle Unterstützung in Anspruch nehmen möchten, ist es für die Fachperson wichtig zu wissen, was die Thematik ist. So können Sie gezielter an Ihren Anliegen arbeiten, was Ihnen im Alltag weiterhelfen kann.
Bei unserem Sohn wurde beim Eintritt in den Kindergarten Asperger diagnostiziert. Sowohl Kindergarten, als auch Primarschule hat er bisher dank Nachteilsausgleich und weiteren individuell mit der Schule vereinbarten Hilfen gut gemeistert. Nun besucht er die Sek A. Wir haben den Eindruck, dass er auf gutem Wege ist, dereinst ein unabhängiges, selbstbestimmtes Leben zu führen. Etwas bereitet uns jedoch Sorge: Er tendiert dazu, alles aufzubehalten (auch Kassenbons, Bonbonpapiere oder sogar Zeichnungen fremder Kinder, die er aus dem Abfalleimer fischt). Dass es vielen (oder den meisten?) Kindern schwer fällt, das Zimmer ordentlich zu halten, ist vermutlich normal. Da er sich jedoch von nichts trennen kann, bzw. alles aufbehält, befürchten wir, dass er eines Tages zum Messie werden könnte. Wie können wir dem am besten begegnen?
Bettina Tillmann: Hier könnte ihm ein individuelles Regelwerk helfen. Wie viele Papiere welcher Art darf er aufheben in welcher Zeit. Den Rahmen vorgeben, in Form von Ordnern, in die er diese abheften, kleben kann. Mit social comics eventuell arbeiten, um Zusammenhang mit Ordnung, und wofür diese gut ist, zu klären. Dieses Sammeln ist ein häufiges Phänomen, hilft der Selbstregulation und muss nicht zwangsweise ins Messie -Dasein führen. Also ich würde es auf keinen Fall verbieten.
Guten Tag Kenn man die Diagnose PDA (Pathological Demand Avoidance) in der Schweiz schon, resp. Wo kann man eine Abklärung machen?
Peter Weber: ja – die Fachstellen und FachärztInnen kennen diese Diagnose – wie andere Diagnssoen im Bereich der Entwicklungsstörungen auch handelt es sich letztlich um eine beschreibende Diagnssoe, d.h. es gibt nicht EINE Untersuchung (klinisch, Labor o-ä.) mit der die Diagnose gestellt werden kann, vielmehr ist es die Summe von Merkmalen, die – wie beim Autismus – die Diagnose rechtfertigen. In den «offiziellen» medizinischen Diagnosekatalog (und damit auch bei den Versicherungsträgern) ist die Diagnose als solches aber noch nicht hinterlegt. Die Abklärung und Einordnung erfolgt v.a. bei den FachärzInnen für Kinder-/Jugendpsychiatrie und Entwicklungspädiatrie
Ich habe eine Arbeitskollegin, die meistens mürrisch ist, in wenigen Fällen dreht sie auf und spricht wie ein Wasserfall. Danken, wenn man ihr hilft tut sie nie, auch “wie geht’s” fehlt in ihrem Vokabular. Ich habe schon länger das Gefühl, dass mit ihr etwas nicht stimmt. Wie kann ich mit so einem Menschen umgehen? Eine Störung ist ja nicht nur für die Betroffenen schwierig, auch das Umfeld leidet.
Bettina Tillmann: Es hilft zu sagen, wie man es gerne hätte im Umgang. Z.B. sagen, dass man etwas extra gemacht hat und sich dafür über ein «Danke» freut. Das Mürrische wie auch das Reden wie ein Wasserfall sind vermutlich nicht steuerbar. Sie können das kommentieren im Sinne von. «heute sprichst Du viel, nun möchte ich mich konzentrieren, dafür brauche ich Ruhe.
Ich verstehe viele soziale Konstrukte nicht. Ich verstehe weder die Einteilung von Menschen in Geschlechter, noch die Einteilung von Beziehungen in Freundschaften oder romantische Beziehungen. Ich habe Mühe zu merken, wenn ich angelogen/verarscht werde. Ich verstehe nicht, warum Menschen lügen. Ich kann mich oft in Gruppen nicht gut einfinden, weiss nicht was sagen und fühle mich im Alltag schnell überfordert und überreizt. Es fällt mir schwer mit dieser Überreizung umzugehen. Wegen all diesen Sachen, wird mir manchmal gesagt, dass ich vielleicht autistisch sei. Macht es Sinn eine Abklärung zu machen? Was kann mir die Gewissheit und evt. die Diagnose bringen?
Katja Wichser: Eine Abklärung macht sicherlich dann Sinn, wenn Sie selber auch den Wunsch nach einer Diagnostik haben und nach Antworten auf Ihre Fragen suchen. Eine ASS-Diagnose resp. die Gewissheit zu haben hilft vielen Betroffenen, sich besser zu verstehen, auf eigene Bedürfnisse anders/neu reagieren zu können und bei Bedarf Schwierigkeiten und Fragen mit professioneller Hilfe auch konkret anzugehen.
Unser 8-jähriger Sohn mit frühkindlichem Autismus fällt auf. Man rief einmal die Polizei, als er einen Ausraster hatte, und es kam zu Abklärungen bei der Staatsanwaltschaft und der KESB, die nichts ergaben, keine Gefährdung, usw. Wie sollen wir Eltern mit Verständislosigkeit anderer umgehen? Uns in der Öffentlichkeit ständig rechtzufertigen, aufzuklären und zu sensibilisieren kostet viel Kraft. Wir Eltern haben Teamarbeit, ein Teil beruhigt unsern Sohn, der andere geht zu den Anwesenden erklären. Aber wir gehen nie raus ohne Angst dass KESB und Polizei wieder kommen.
Peter Weber: Guten Abend – es gibt die Möglichkeit, dass Sie sich von Ihrem Arzt ein Zeugnis ausstellen lassen, dass Ihr Sohn an einem Autismus leidet – dazu gibt es auch einen Ausweis vom Verband Autismus Deutsche Schweiz