Die Entstehung von «Die kleine Niederdorfoper» ist, wie für eine Legende angemessen, anekdotenreich und mythenumwoben. Die Wurzeln des Musicals reichen in die Zeiten des Cabaret Cornichon zurück.
1940 verfasste Walter Lesch die Revue «Bi eus im Niederdorf». Eine kurzlebige Sache, denn die Text- und Theatermaschine Cornichon fungierte angesichts der braunen Gefahr aus dem Nachbarland als Durchlauferhitzer für Zeitkritik – und reihte eine Premiere an die andere.
Ein gewisser Robert Walter
Zum dauerhaften Blockbuster wurde der Stoff erst, als Paul Burkhard hinzukam und zahlreiche Gassenhauer komponierte. Am 31. Dezember 1951 wurde «Die kleine Niederdorfoper» im Zürcher Schauspielhaus unter Aufbietung der Crème de la Crème der Pfauenbühne uraufgeführt.
Regie führte Hausherr Oskar Wälterlin, das Bühnenbild besorgte Teo Otto. Der Plot war um eine Lehrtochter vom Land herumgebaut, die sich im Sündenpfuhl Zürich behaupten muss.
Die Stars waren Heinrich Gretler und Anne-Marie Blanc. Ihnen galt der Fokus der NZZ-Premierenkritik, nicht Nebendarstellern wie Walter Roderer oder Margrit Rainer.
En passant wurde auch der Darsteller vom «Bürli» erwähnt, ein gewisser Robert Walter. Man lobte seine Darstellung als «animierte Schwipsfigur».
Das «Bürli» wird zur Hauptfigur
Robert alias Ruedi Walter hatte den Komponisten Paul Burkhard mit den Worten «Ich wött gärn de Gängster spiele» um eine andere Rolle gebeten – er glaubte nicht an sein Potenzial als Sympathieträger. Burkhard schlug ihm diese Bitte empört ab und nötigte ihm den «Heiri» auf.
Die Figur des Bäuerleins entwickelte sich zum Dauerbrenner und Ruedi Walter wurde innert kürzester Zeit zum Publikumsliebling.
Für das Revival 1960 wurde die Vorlage von Max Rüeger und Werner Wollenberger einer Generalüberholung unterzogen: Chansons wurden gekippt, neue kamen hinzu, Gretler war nicht mehr dabei, dafür Zarli Carigiet.
Zur definitiv wichtigsten Figur war aber Heiri geworden – dank Ruedi Walter. Um ihn herum war das Stück am Schauspielhaus umgebaut worden.
Immer wieder der Heiri
1968 zog die Niederdorfoper ins Corso, wo Produzent Edi Baur das Musical zur «Cash-Cow» machte und dem zahlreichen Publikum 1978 zwei weitere Auflagen bescherte. Diese beiden Produktionen wurden vom Schweizer Fernsehen aufgezeichnet.
Nach dem Tod von Margrit Rainer wollte Ruedi Walter den Heiri eigentlich nicht mehr spielen. Erst als seine Ehefrau deren Part übernahm, kehrte Ruedi Walter in seiner Paraderolle zurück, spielte den Heiri 1986, 1988 und 1989 nochmals. 1990 starb der Schauspieler nach einer Operation in Basel.
Sendung: «SRF 1, «Jässodu – 100 Jahre Ruedi Walter», 25.12.2016, 18.10 Uhr.