Viele schreiben heute WhatsApp-Nachrichten selbstverständlich auf Dialekt. Sich mit der Mutter zu verabreden, der Freundin zu sagen, dass man sie vermisst. Keine Frage, das geht gut auf Mundart.
In anderen Lebensbereichen aber dominiert das Hochdeutsche. In der Schule zum Beispiel oder in der sogenannten Hochkultur. Einer, der diese Selbstverständlichkeit in Frage stellt, ist der Basler Theatermacher Lucien Haug.
Bühnenklassiker auf Schwiizerdütsch
«Ich finde es wichtig, dass auch im professionellen Theater Mundart gesprochen wird», sagt Lucien Haug. Er ist davon überzeugt, dass sich auf Mundart alles sagen lässt, was ihm als Künstler wichtig ist. Seine Stücke werden derzeit am Schauspielhaus Zürich, am Jungen Theater Basel und am Theater Basel gespielt.
Für das Theater Basel hat Lucien Haug zwei Klassiker auf Schweizerdeutsch übersetzt: Vor drei Jahren hat er das Stück «Onkel Wanja» von Tschechov in die Schweizer Agglo verlegt. Zurzeit steht die antike Tragödie «Antigone» von Sophokles in Basel- und Berndeutsch auf dem Spielplan.
Mundart als Kunstsprache
Stücke auf Mundart haben es schwer auf städtischen Bühnen. Das Publikum erwartet, dass dort Bühnendeutsch gesprochen wird. Hinzu kommt, dass die Schweizer Stadttheater Teil der deutschsprachigen Theaterszene sind. Deshalb sind sie personell, strukturell und auch sprachlich eng mit den Theatern in Deutschland und Österreich verbunden.
Die Mundart ist dagegen im Volks- und Laientheater, im Boulevard oder der Kleinkunst präsent. Von dieser traditionellen Trennung hält der Autor Lucien Haug selbstredend nichts.
Geprägt von Emotionen der Jugend
Dass er sich für mehr Mundart im Stadttheater einsetzt, hat auch mit seiner eigenen Theaterbiographie zu tun. «Das erste Stück, das ich gesehen habe, war eine Produktion des Jungen Theater Basel. Ich habe dort ein Theater kennengelernt, das ganz direkt mit meiner Lebenswelt zu tun hatte.»
Am Jungen Theater Basel wird seit Jahrzehnten innovatives Theater für Jugendliche gemacht. Auf der Bühne stehen junge Spieler und Spielerinnen, die auf der Bühne Mundart sprechen. Die Sprache, die sie auch im Alltag sprechen.
Das hat den Theatermacher geprägt: zuerst als Zuschauer, dann als Spieler und nach dem Studium auch als Autor. Im März feiert am Jungen Theater ein neues Stück von ihm Premiere.
Ausgrenzung durch Mundart?
Der oft gehörte Einwand, dass man mit Dialekt viele, die nicht in der Schweiz aufgewachsen sind, ausschliesst, ist nicht von der Hand zu weisen.
Lucien Haug erwidert pragmatisch: «Wir schauen ja auch internationale Filme mit Untertitel. Das geht auch im Theater». Die Antigone am Theater Basel hat sowohl deutsche als auch englische Übertitel.
Wichtiger ist ihm aber noch ein anderes Argument. Das Theater habe ein Klassismus-Problem. Viele gehen gar nicht erst ins Theater, weil sie denken, dass das, was dort verhandelt wird, nichts mit ihnen zu tun hat. Und das habe auch mit Sprache zu tun.
Dass die Mundart in der Kultur gerade auf Vormarsch ist, lässt sich auch in anderen Kunstgattungen feststellen. In der Literatur und in der Musik etwa.
Es gehe ihm nicht darum, das Deutsche im Theater abzuwerten, sagt Lucien Haug. Im Gegenteil: Er schreibe in beiden Sprachen und sei froh um diesen Reichtum. Ihm geht es um eine Öffnung und Mehrsprachigkeit in der Kunst.