Die traditionellen Protagonisten mögen nicht mehr: Sie stehen aufgereiht auf der Empore des imposanten Klosterplatzes in historischen Kostümen und sehen keinen Sinn mehr darin, das Welttheater aufzuführen. Die Show soll abgesagt werden. Doch nicht alle sind damit einverstanden.
Fortführung einer Tradition
Emanuela und Pablo begehren auf: «Wenn ihr nicht spielt, dann spielen wir Kinder halt alle Rollen selbst!»
Gleich am Anfang macht Autor Lukas Bärfuss mit dieser Szene klar, um was es ihm in seiner Fassung des Welttheaters geht. Zwar soll die Tradition des Welttheaters für die Zukunft erhalten bleiben. Aber die Entscheidung, wer welche Rolle spielt, kommt nicht mehr «von oben».
Emanuela springt ins kalte Wasser. Sie wird als Bäuerin von Umweltkatastrophen überrollt. Sie wird zur herrschsüchtigen Königin und verliert dadurch ihren Liebsten. Sie probt den Aufstand mit den Armen und verfällt den Versprechungen des Reichtums und der Schönheit.
Die menschliche Vergänglichkeit
Parallel dazu passiert mit ihr das, was mit allen lebenden Wesen geschieht. Aus dem Mädchen wird eine Frau und aus dieser eine Greisin. Das Leben und der Tod bedingen sich gegenseitig.
Welche Rollen spiele ich? Wie will ich leben? Wofür übernehme ich die Verantwortung, und wo sind meine Begrenzungen? Das diesjährige Welttheater verhandelt existenzielle Fragen, die heute so aktuell sind wie in der Vergangenheit.
Engagiertes Laientheater
Seit 100 Jahren spielen in Einsiedeln alle paar Jahre Hunderte von Laien, das sogenannte Spielvolk, das «grosse Welttheater», das auf den spanischen Dichter Pedro Calderón de la Barca zurückgeht. Zum letzten Mal geschah dies vor elf Jahren, da die geplante Ausgabe 2020 wegen der Corona-Pandemie verschoben werden musste.
Die wichtigste Protagonistin spielt dabei traditionellerweise die barocke Klosterkirche und der imposante Platz davor. Hier sitzt das Publikum dieses Jahr auf zwei überdachten Tribünen mit 2000 Plätzen.
Die Jubiläumsinszenierung von Regisseur Livio Andreina und seinem künstlerischen Team schafft beeindruckende Bilder dafür, wie klein und verloren die menschliche Existenz im Angesicht dieser übermächtigen Klosterarchitektur ist. Bewegte Massenszenen, tolle Kostüme und Livemusik verbinden sich dabei mit dem Spiel auf dem Klosterplatz zu einem reigenhaften Schauspiel.
In manchen Szenen hätte man sich einzelne Theatermittel sogar noch etwas pompöser gewünscht: So wäre der Gegensatz zu den Menschen, die den kosmischen Kräften ausgesetzten sind, noch stärker erlebbar geworden.
Wie die Spielenden mit aller Kraft gegen das Vergessen ankämpfen, ist aber wahrlich beeindruckend. Im Spiel sind die dem Verderben Geweihten gross.