Heute kennen seinen Namen nur noch wenige, dabei hat der Regisseur und Theaterforscher Oskar Eberle für vieles, was im Schweizer Theater heute selbstverständlich wirkt, gekämpft.
Die Theaterhistorikerin Heidy Greco-Kaufmann hat nun im Rahmen eines Nationalfonds-Forschungsprojektes zu Oskar Eberle geforscht und erstmals Einblick in seinen Privatnachlass erhalten – und dabei überraschende Erkenntnisse erlangt.
Ein Reformer des Schweizer Theaters
Viermal hat er in den 1930er- und 1950er-Jahren das Einsiedler Welttheater inszeniert. Er hat die Gesellschaft für Theaterkultur gegründet, die grossen Festspiele bei der Landi 39 und der Bundesfeier 1941 gestaltet und er hat sich ein Leben lang für eine Reform des Laientheaters eingesetzt.
In der katholischen Innerschweiz aufgewachsen, wurde Oskar Eberle geprägt von der Theatralität des katholischen Jahreskalenders. Er besuchte die katholischen Kollegien in Sarnen und Schwyz und konnte dank der Unterstützung von Verwandten in Deutschland studieren.
Sein grosses Interesse aber galt immer dem Schweizer Theater. Seine Doktorarbeit schrieb er über die «Theatergeschichte der innern Schweiz von 1200 bis 1800». Sie gilt bis heute als Standardwerk.
Zu katholisch für die einen, zu progressiv für die anderen
Mit seinen nationalen Festspielen stellte er sich in den Dienst der Geistigen Landesverteidigung. Hitler und dem Faschismus wollte er mit christlich-humanistischen Werten entgegentreten.
Dabei geriet er immer wieder zwischen Stuhl und Bank: Als Reform-Katholik kritisierten ihn die Konservativen, als Katholik wurde er an den Stadttheatern und den Universitäten seiner Zeit abgelehnt.
Unter ideologischem Verdacht
Im Zuge der historischen Aufarbeitung der Geistigen Landesverteidigung in den 1990er-Jahren geriet er in Verdacht, sich an faschistischen Theaterformen orientiert zu haben. Nun zeigen aktuelle Forschungen, dass diese formalen Analogieschlüsse unhaltbar sind.
Die Theaterhistorikerin Greco-Kaufmann war die Erste, die den privaten Nachlass von Eberle einsehen konnte: Tagebücher, private Briefe und Agenden aus den 1930er- und 1940er-Jahren.
Vor allem die Agenden in den Jahren 1932 und 1933 haben sie erstaunt, sagt Greco. Eberle war kurz vor Hitlers Machtübernahme in Berlin und traf sich dort mit jüdischen und antifaschistischen Wissenschaftlern und Theaterschaffenden.
Historischer Metoo-Fall
Ganz rehabilitieren konnte Greco Eberle allerdings nicht. Der private Nachlass zeigt auch seinen schwierigen Charakter.
«Er missbrauchte seine Rolle als charismatischer Regisseur und behandelte die Laiendarsteller und vor allem Frauen übel. Heute würde man von einem MeToo-Fall sprechen», sagt die Theaterhistorikerin.
Was bleibt, ist sein unerbittlicher Einsatz für das Laientheater und damit die Geschichte des Schweizer Theaters. Dass es heute Institutionen gibt, die diese erforschen, ist nicht zuletzt seinem unerbittlichen Forschungstrieb zu verdanken. Auch wenn er gerade damit zeitlebens immer wieder aneckte.
Mit nur 54 Jahren starb Oskar Eberle 1956 an einem entzündeten Blinddarm, nur wenige Tage vor der Premiere seiner legendären Tell-Inszenierung in Altdorf.