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Schweizer Pionier des Laientheaters: Oskar Eberle
Aus Kontext vom 25.06.2024. Bild: Getty Images / ullstein bild Dtl. / Kontributor
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Reformer der Theatergeschichte Ein unbequemer Schweizer: Oskar Eberle war doch kein Faschist

Oskar Eberle war ein umtriebiger Theatermann. Er erforschte die Wurzeln des Schweizer Laientheaters und wollte es reformieren. Zeitlebens eckte er immer wieder an. Sein Privatnachlass sorgt für neue Erkenntnisse zu den Nazi-Vorwürfen gegen ihn.

Heute kennen seinen Namen nur noch wenige, dabei hat der Regisseur und Theaterforscher Oskar Eberle für vieles, was im Schweizer Theater heute selbstverständlich wirkt, gekämpft.

Die Theaterhistorikerin Heidy Greco-Kaufmann hat nun im Rahmen eines Nationalfonds-Forschungsprojektes zu Oskar Eberle geforscht und erstmals Einblick in seinen Privatnachlass erhalten – und dabei überraschende Erkenntnisse erlangt.

Ein Reformer des Schweizer Theaters

Viermal hat er in den 1930er- und 1950er-Jahren das Einsiedler Welttheater inszeniert. Er hat die Gesellschaft für Theaterkultur gegründet, die grossen Festspiele bei der Landi 39 und der Bundesfeier 1941 gestaltet und er hat sich ein Leben lang für eine Reform des Laientheaters eingesetzt.

Frau erhält eine Urkunde von einem Mann, umgeben von Zuschauern.
Legende: Oskar Eberle nimmt die feierliche Rollenübergabe für das Welttheater in Einsiedeln vor, aufgenommen im April 1950. KEYSTONE/PHOTOPRESS-ARCHIV/Str

In der katholischen Innerschweiz aufgewachsen, wurde Oskar Eberle geprägt von der Theatralität des katholischen Jahreskalenders. Er besuchte die katholischen Kollegien in Sarnen und Schwyz und konnte dank der Unterstützung von Verwandten in Deutschland studieren.

Sein grosses Interesse aber galt immer dem Schweizer Theater. Seine Doktorarbeit schrieb er über die «Theatergeschichte der innern Schweiz von 1200 bis 1800». Sie gilt bis heute als Standardwerk.

Zu katholisch für die einen, zu progressiv für die anderen

Mit seinen nationalen Festspielen stellte er sich in den Dienst der Geistigen Landesverteidigung. Hitler und dem Faschismus wollte er mit christlich-humanistischen Werten entgegentreten.

Dabei geriet er immer wieder zwischen Stuhl und Bank: Als Reform-Katholik kritisierten ihn die Konservativen, als Katholik wurde er an den Stadttheatern und den Universitäten seiner Zeit abgelehnt.

Unter ideologischem Verdacht

Im Zuge der historischen Aufarbeitung der Geistigen Landesverteidigung in den 1990er-Jahren geriet er in Verdacht, sich an faschistischen Theaterformen orientiert zu haben. Nun zeigen aktuelle Forschungen, dass diese formalen Analogieschlüsse unhaltbar sind.

Eine Frau lächelt in einem Museum, Ausstellungsstücke und Schautafeln im Hintergrund.
Legende: Theaterhistorikerin Heidy Greco-Kaufmann in der Berner Theatersammlung SAPA. Sie hat das Leben und Werk von Oskar Eberle erforscht und konnte zeigen, dass die Vorwürfe, dass er faschistische Theatermittel propagierte, unhaltbar sind. SRF / Dagmar Walser

Die Theaterhistorikerin Greco-Kaufmann war die Erste, die den privaten Nachlass von Eberle einsehen konnte: Tagebücher, private Briefe und Agenden aus den 1930er- und 1940er-Jahren.

Buchhinweis

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Heidy Greco-Kaufmann, Tobias Hoffmann-Alllenspach: «Theaterpionier aus Leidenschaft. Oskar Eberle (1902 – 1956)», Chronos Verlag 2024.

Vor allem die Agenden in den Jahren 1932 und 1933 haben sie erstaunt, sagt Greco. Eberle war kurz vor Hitlers Machtübernahme in Berlin und traf sich dort mit jüdischen und antifaschistischen Wissenschaftlern und Theaterschaffenden.

Historischer Metoo-Fall

Ganz rehabilitieren konnte Greco Eberle allerdings nicht. Der private Nachlass zeigt auch seinen schwierigen Charakter.

«Er missbrauchte seine Rolle als charismatischer Regisseur und behandelte die Laiendarsteller und vor allem Frauen übel. Heute würde man von einem MeToo-Fall sprechen», sagt die Theaterhistorikerin.

Ausstellungshinweis

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Eine von Heidy Greco gestaltete Wanderausstellung zu Oskar Eberle tourt derzeit durch die Schweiz. Vom 27. Juni – 27. Juli ist sie in Einsiedeln im Museum Fram zu sehen.

Was bleibt, ist sein unerbittlicher Einsatz für das Laientheater und damit die Geschichte des Schweizer Theaters. Dass es heute Institutionen gibt, die diese erforschen, ist nicht zuletzt seinem unerbittlichen Forschungstrieb zu verdanken. Auch wenn er gerade damit zeitlebens immer wieder aneckte.

Mit nur 54 Jahren starb Oskar Eberle 1956 an einem entzündeten Blinddarm, nur wenige Tage vor der Premiere seiner legendären Tell-Inszenierung in Altdorf.

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Was läuft diesen Sommer im Laientheater?
aus Kultur-Aktualität vom 25.06.2024. Bild: KEYSTONE/Urs Flueeler
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Auch heute floriert die Schweizer Laientheaterszene. Hier eine Auswahl verschiedener Angebote für diesen Sommer.

Welttheater Einsiedeln: Fürs 100-jährige Jubiläum hat der Autor Lukas Bärfuss eine zeitgemässe Neufassung von Don Pedro Calderons «Grosses Welttheater» geschrieben. Auf und hinter der Bühne wirken mehr als 500 Laien. Vorstellungen bis 7. September.

Karl’s Kühne Gassenschau: In den 1980er-Jahren als Strasssenzirkus gestartet, steht Karl’s Kühne Gassenschau für technisch aufwändige Spektakel. Die neue Produktion «Reception» erzählt von einem Grandhotel, das im Wasser steht. Die Vorstellungen dieses Jahr sind schon fast ausverkauft, aber Tickets können schon für Sommer 2025 gebucht werden. Dietikon ZH, Niderfeld, bis 31. August.

Landschaftstheater Ballenberg: Mitten im Freilichtmuseum spielt das aktuelle Stück von Martin Bieri und Francesco Micieli «Bärner Gringe». Die Hauptrolle der Magd Röteli, die gegen Widerstände im Dorf und Dürre kämpft, spielt die Schauspielerin Fabienne Hadorn. Ballenberg, Freilichtmuseum, 3. Juli – 17. August.

Theater Gurten: Auf dem Berner Hausberg widmet man sich dieses Jahr einem aktuellen politischen Thema: Den absurden Fallstricken der hiesigen Einbürgerungsverfahren. Die Realsatire «Da chönnt ja jede cho!» wird den legendären Film «Die Schweizermacher» aus den 1970er- Jahren in die heutige Realität verlängern. Gurten, 27. Juni – 31. August.

Tellspiele Interlaken: Nach mehr als 100 Jahren «Willhelm Tell» nach Friedrich Schiller nimmt dieses Jahr – wohl nicht zuletzt  aus wirtschaftlichen Überlegungen –  zum ersten Mal ein anderer Held Platz in der Tellarena: Robin Hood. Versprochen ist eine rasante Bühnenschau für die ganze Familie. Matten bei Interlaken: Tellspiel-Areal, bis 7. September.

Radio SRF 2 Kultur, Kultur-Aktualität, 25.6.2024, 17:10 Uhr.

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