Der Literatur-Flop: Nobelpreis für einen Provokateur
Eine Wesensverwandte wie Margaret Atwood hätte man sich an Olga Tokarczuks Seite gut vorstellen können. Die Literaturnobelpreise 2018 und 2019 wären an zwei Frauen gegangen, die welthaltige, kluge, formvollendete und immer auch feministische Bücher schreiben.
Zum Zug für 2019 kam stattdessen Peter Handke. Handke hat unbestritten literarische Verdienste, gefällt sich aber seit vielen Jahren in der Rolle des selbsternannten Hohepriesters der Hochkultur und provoziert mit revisionistischen Ansichten zu den Jugoslawienkriegen.
Diskussionen hierzu pariert er mit Provokation und Gesprächsverweigerung: Anonyme «Scheisse» – die er tatsächlich zugeschickt bekam – ziehe er «leeren und ignoranten Fragen» vor.
Nun hat sich Peter Handke den Nobelpreis nicht selbst verliehen. Das tat eine Jury, die 2018 in Ausstand treten musste. Wegen Korruption, Betrugs, sexuellen Missbrauchs und Vergewaltigung in ihrem Umfeld.
Redet noch jemand davon? Nein. Dem diesjährigen Preisträger sei Dank!
(Franziska Hirsbrunner)
Philosphie-Flop: Milkshakes sind keine Meinung
Im Dezember attackierte eine Gruppe Linksextremer im Zürcher Café Sphères die SVP-Politiker Christoph Mörgeli und Roger Köppel und schütteten ihnen einen Milchshake ins Gesicht, als sie eine «Weltwoche»-Sitzung abhielten. Als Begründung führte die Revolutionäre Jugend Zürich auf ihrem Instagram-Account an, dass die «Weltwoche» menschenfeindliche Hetze verbreite. Die «gern zitierte Meinungsäusserungsfreiheit» sei kein Argument.
Abgesehen davon, dass unklar blieb, wofür sie eigentlich «kein Argument» sein soll, ist dieses Gebaren äussert unphilosophisch und kurzsichtig. Das kann man bei keinem besser nachlesen als beim Philosophen John Stuart Mill: Er prangerte Ungleichheit lauthals an und kämpfte mit seiner Frau Harriet Taylor Mill mit deutlichen Worten für mehr Gleichberechtigung.
Dennoch trat er in seiner Schrift «Über die Freiheit» (1859) mit Verve für die Meinungsfreiheit ein: Da sich die Wahrheit allein durch den «Widerstreit mit dem Irrtum» ergebe, sei jedes Redeverbot eine «Anmassung von Unfehlbarkeit».
Wer an der Wahrheit interessiert ist, kämpft mit Argumenten, nicht mit Milchshakes.
(Barbara Bleisch)
Kino-Flop: «Gut gegen Nordwind» gehört in die Vergangenheit
Vor 14 Jahren transferierte der Österreicher Daniel Glattauer den klassischen Briefroman mit «Gut gegen Nordwind» ins Email-Zeitalter – und landete einen Bestseller. Tausende lachten und liebten mit Emmi Rothner und Leo Leike, Email um Email, Seite um Seite.
Aber 14 Jahre sind eine Ewigkeit im digitalen Zeitalter. Und darum kann die 2019er-Verfilmung von Vanessa Jopp die Magie der Email-Beziehung nicht in die Gegenwart beamen – trotz Nora Tschirner und Alexander Fehling mit ihrem ganzen Charme.
Heute ist jede Beziehung, auch die realste, zugleich eine virtuelle. Smartphones haben der zeitversetzten Kommunikation den Garaus gemacht. Die überholte Intimität des E-Mail-Romans überlebt die Aktualisierung nicht.
(Michael Sennhauser)
Kunst-Flop: Die «Banana» von Miami
1913 provozierte ein unbekannter Künstler die Kunstwelt mit einem Pissoir, das er als Kunst deklarierte. Das Kunstwerk als «Readymade» war entstanden. Etwas mehr als 100 Jahre später provoziert einer der weltweit bekanntesten Künstler an einer Kunstmesse die Welt mit einer Banane.
Was sagt das über die Kunstwelt aus? Nicht etwa, dass da eine alte Kunstform neu interpretiert wurde. Sondern dass die Marke eines berühmten Künstlers alles ist und das, was er produziert, wenig Bedeutung hat.
Was bedeutet es für die Kunst? Dass der Wert der Kunst schon länger nichts mehr mit der Qualität zu tun hat.
(Stefan Zucker)
Bühnen-Flop: Klotzen auf Kosten des Klimas?
Die Gruppe Coldplay verzichtet auf eine Tour, um das Weltklima nicht zusätzlich zu belasten. Das Helsingborgs Symfoniorkester spielt nur noch an Orten, die auf Gastspielreise per Bahn und Schiff zu erreichen sind.
Langsam bildet sich im Kulturbetrieb ein stärkeres Bewusstsein aus für nachhaltige Produktionsbedingungen und ökologische Vertriebswege – erst langsam. Und im Theaterbetrieb: zu langsam.
Denn dem umweltfreundlichen Wechsel entgegen stehen Kostenerwägungen: ein Bühnenbild mit der Bahn zu transportieren ist teurer als «schmutzige» Alternativen, auch Ökostrom kostet mehr. Das belastet das Budget, gerade bei Theatern, die zugleich immer stärker auf Eigeneinnahmen angewiesen sind.
Es gibt aber auch inhaltliche Konflikte: Gastspiele und Festivaleinladungen bringen Prestige und Publikum. Aber gerade Festivals mit weitgereisten Produktionen machen ökologisch eine schlechte Figur.
Der Deutsche Bühnenverein will jetzt einen Massnahmenkatalog entwickeln, und Veranstalter wie zum Beispiel das Berliner Theatertreffen oder die Documenta verpflichten sich zu klimafreundlichen Richtlinien, wie sie die EU empfiehlt. Hoffentlich schliessen sich dem viele an, auch in der Schweiz
(Andreas Klaeui)
Der Musik-Flop: Wo blieben die Dirigentinnen?
Nach wie vor dominieren Männer den Platz am Dirigierpult. Immerhin hat sich in der Schweiz der Anteil der von Dirigentinnen geleiteten Konzerten erhöht – auf etwa zehn Prozent. Bis zu einer Ausgeglichenheit am Dirigierpult ist es noch ein weiter Weg.
Viele hochkarätige Dirigentinnen sind andernorts in die Position der Chefdirigentin gewählt worden. Demgegenüber hat zur Zeit keines der grossen Schweizer Orchester eine Chefdirigentin. Allein Kristiina Poska wirkt in der laufenden Saison interimistisch und nur für eine Saison als Musikdirektorin des Theater Basel.
Die diesjährigen Programme der drei grossen Schweizer Klassikfestivals suggerieren eine rein männliche Dirigierwelt. Weder das Gstaad Menuhin Festival noch das Verbier Festival und auch nicht das innovativste der drei, das Lucerne Festival, haben 2019 eine Frau ein grosses Sinfoniekonzert dirigieren lassen. Es besteht also weiterhin grosser Nachholbedarf in dieser Sache.
(Moritz Weber)
Sendung: «Pech und Pannen im Studio von Radio SRF 2 Kultur 2019», Musik Vorabend, 26.12.2019, 16:05 Uhr