Laura Zimmermann, die sehr junge und sehr fokussierte Co-Präsidentin der Operation Libero, fährt den alten Männern in der SRF-«Arena» an den Karren. Seit sie auf der Welt sei höre sie dieses Abschottungsgeschrei, sagt sie. Dabei sei es an der Zeit, die Schweiz für eine bessere Zukunft zu öffnen.
Bevor die irritierten älteren Herren der Gegenseite zur Replik ansetzen, schneidet Filemacher Dennis Stauffer weg vom Fernseh-Archivmaterial. Die Argumente der Traditionalisten interessieren ihn erst einmal nicht: Stauffer will der Kampagnen-Mechanik der erfolgreichsten jungen Politgruppierung der 2010er-Jahre auf die Spur kommen.
Alltag statt «Arena»
Damit entgeht dem Publikum der «Arena»-Kitzel, die hochgeschaukelte Empörung. Denn um diese geht es nämlich nicht in «Theory of Change». Es geht um politische Knochenarbeit.
Darum werden wir nach dem «Arena»-Auftakt Zeugen einer disziplinierten Kampagnen-Vorbereitungssitzung. Die mehrheitlich jungen Leute büscheln Argumente und Strategien. Unterstützt werden sie von einem Kampagnen-Profi und von Tim Guldimann, dem Spitzendiplomaten und Ex-Nationalrat.
Flavia Kleiner, Laura Zimmermanns Co-Präsidentin und das andere Gesicht der 2014 gegründeten Gruppierung, zeigt auf, wo man sich argumentativ aufrüsten müsste. Adrian Mahlstein, Kampagnenleiter, fasst das Parteien-Dilemma zusammen: «Me muess sich ums Verrecke vo öpperem abgränze…»
«Grosse Ideen brauchen grosse Post-its»
Eine Kampagne braucht formulierbare Ziele und Menschen, die bereit sind, diese mitzutragen. Das ist das Ziel der Kampagne, die den Namen «Wandelwahl» trug: Aus allen Parteien offene, progressive Kandidaten zu gewinnen und mit denen den etablierten Grabenkämpfern fünf Nationalratssitze abzujagen.
Während der deutsche Politprofi meint, klare Forderungen könne man später formulieren, erst brauche man mal «Protopropositionen», die die Stossrichtung vorgeben, fällt der Kamerablick auf eine Notiz an der Tür des Sitzungszimmers: «Grosse Ideen brauchen grosse Post-its».
Viel Fleissarbeit und eine Prise Humor
Es sind kleine Fundstücke wie dieses oder jener «I ♥ Schengen»-Kleber auf einem Laptop-Deckel, welche hin und wieder eine Spur Humor in Dennis Stauffers Dokumentarfilm bringen. Denn im Grossen und Ganzen ist der Film wie seine Protagonisten: fleissig, gründlich, unermüdlich.
Da sind disziplinierte Leute an der Arbeit, die analysieren, verwerfen, entwerfen und möglichst wenig dem Zufall überlassen. Das macht diesen Dokumentarfilm gleichzeitig faszinierend und distanziert.
Heldenreise ohne Happy End
Wirklich nahe kommen einem die Protagonisten erst, wenn sie auflaufen. Wenn sie vor Müdigkeit kaum mehr aufrecht sitzen können. Wenn ihnen die Zeit davonläuft. Und ganz am Ende des Films: 2019 hat die in den Jahren davor so erfolgreiche «Operation Libero» ihr Ziel nicht erreicht.
Wie die Protagonisten damit umgehen, und wie der Film das aufnimmt, das bricht die gewohnte Dokumentarfilm-Dramaturgie der Heldenreise und macht dem Filmtitel «Theory of Change» ziemlich Ehre.