Die erste Warnung kommt schon bald, als der ganze Hof von Sant Ignazio bei Venedig rhythmisch in Reih und Glied fällt. Die Wäscherinnen schrubben, schrubben. Die Waisenmädchen lachen, lachen. Die Teppichklopfer klopfen, klopfen.
Und mittendrin die stumme Teresa (Galatéa Bellugi), die das imaginäre Musical dirigiert. Bis eine der Ordensschwestern sie anherrscht, sie solle nicht träumen, sondern arbeiten.
Wir sind in einem Waisenhaus im Jahr 1800. Die jungen Frauen hier bilden eines der zahlreichen Barock-Orchester im Umfeld von Venedig, komplett mit Chor und Solistinnen. Geleitet wird die Institution von Padre Perlina (Paolo Rossi), einem ausgebrannten Priester und Komponisten.
Die Mädchen rebellieren – für den Papst
Teresa ist die Magd für alles: Sie bringt den anderen Mädchen heisses Waschwasser, wechselt Padre Perlino die Bettwäsche und musiziert heimlich in der Werkstatt mit den vielen herumwuselnden Kindern mit Rasseln und Schlaginstrumenten.
Fast gleichzeitig mit der Ankündigung, dass der Papst wohl zu einem Konzert anreisen werde, kommt auch in einer geheimnisvollen Kiste ein neuartiges Instrument an, das Perlina sofort im Keller verschwinden lässt.
Dort findet es Teresa und beginnt auf den schwarzen und weissen Tasten zu improvisieren. Was wiederum die jungen Solistinnen und angehenden Komponistinnen aus ihren Zimmern lockt.
Bald erblüht das nächtliche Kellergewölbe im musikalischen Wettstreit zwischen barocker Kompositionsstrenge von der ersten Geigerin Lucia (Carlotta Gamba) und dem überbordenden, jazzig-bluesigen Pianopop der Autodidaktin Teresa.
«Mean Girls» trifft auf «Amadeus»
Intrigen und Geheimnisse ergänzen die Mischung aus realistischem Kostümfilm und gegen die Musikgeschichte gebürstetem Popmusikschwulst.
Padre Perlina hat einen jungen Liebhaber, der ihn finanziell ausnimmt. Komponieren kann er nicht mehr, auch wenn das angesichts des Papstbesuches von ihm erwartet wird. Zudem verbindet ihn mit Teresa ein weiteres dunkles Geheimnis, mit dem er sich schliesslich erpressbar macht.
In diesen Film sind so viele Vorbilder eingeflossen, dass keines richtig greifen kann. Da ist mehr als eine Spur von «Little Orphan Annie», bzw. «Annie», dem Musical. Da sind Echos von Lindsay Andersons Internatsrevolutionsfilm «If…» von 1968. Da sind die «Mean Girls» und jede denkbare Aschenputtel-Variation, aufgebrezelt mit Anklängen an «Amadeus», aber ohne dessen recherchierte Spekulation.
Doch am Ende setzt sich der Schrecken einer einzigen Erkenntnis durch: Die Easy-Listening Klassik von «Rondò Veneziano» wurde von einem Waisenmädchen auf der Suche nach Gleichberechtigung erfunden.