Sag mir, zu welchem Song du strippst, und ich sage dir, wer du bist! In Steven Soderberghs «Magic Mike» lässt Channing Tatum zu «It’s Raining Men» die Hüllen fallen. Der Ohrwurm der Weather Girls ist wie Tatum ein Kind der frühen 80er. Dem Jahrzehnt, in welchem Männer damit begannen, ihre Muskeln gewinnbringend zur Schau zu stellen.
Dass Tatums Show-Performance 2012 beim weiblichen Zielpublikum für Schnappatmung sorgte, kam nicht von ungefähr. Schliesslich ist «Magic Mike» nicht völlig fiktiver «Sexkapismus», sondern eine recht realitätsnahe Stripstudie aus erster Hand. Der Kassenhit, welcher die Kinokarriere des damals 32-Jährigen ins Rollen brachte, fusst nämlich auf Tatums eigener Vergangenheit im Rotlichtmilieu.
Der aus einer katholischen Familie stammende Bauernsohn hatte als 19-Jähriger in Florida als Stripper erste Erfahrungen im Rampenlicht gesammelt. Als Produzent und Hauptdarsteller von «Magic Mike» münzte Tatum seine teils lustigen, teils schmerzlichen, aber nie traumatischen Erinnerungen in einen Crowd-Pleaser um.
Model, Tänzer, Sexsymbol
Kurz vor seinem 20. Geburtstag legte der Beau seinen Strippernamen Chad Crawford ab und zog nach Miami, wo er prompt von einem Model-Scout entdeckt wurde. Nach Aufträgen für Prestigemarken wie Abercrombie & Fitch oder Dolce & Gabbana und einem Auftritt in Ricky Martins Musikvideo «She Bangs» mündete seine Modeltätigkeit schliesslich in eine Schauspielkarriere. 2004 war er in «CSI: Miami» zu sehen, ein Jahr später folgte mit dem Sportdrama «Coach Carter» sein Kinodebüt.
Als Leading Man hinterliess Tatum erstmals 2008 bleibende Spuren. Die geschmeidige Lässigkeit, mit welcher der Beefcake seinen virilen Körper in «Step Up» bewegte, machte mächtig Eindruck. Nicht nur Schauspielkollegin Jenna Dewan, die er später heiraten sollte, verliebte sich sofort in den fleischgewordenen Frauentraum. Auch das Publikum merkte: Wer Tatum anschmachtet, hat mehr von seinen Auftritten.
Doch erst durch «Magic Mike» mutierte das vermeintlich rein tanzbegabte One-Trick-Pony zu einem der kräftigsten Zugpferde Hollywoods. Der «Sexiest Man Alive» des Jahres 2012 begann, sein Gespür für Takt und Timing auch in Komödien auszuspielen. Die Coen-Brüder brachten dieses 2016 mit «Hail, Caesar!» zur Blüte. Einer Liebeserklärung an die Goldene Ära Hollywoods, in der Tatum dank seines Talents für Slapstick, Stepptanz und Gesang sicherlich auch reüssiert hätte.
Ein Stripper zum Schunkeln und Schmunzeln
Weitere Pluspunkte kriegt der Legastheniker für die kindliche Begeisterung, die er bis 2018 in seine telegenen Lip-Sync-Battles steckte. Als Shakira-Imitator trug er – kaum wiederzuerkennen unter all der Schminke – ganz dick auf, bevor er als Eiskönigin mit schneeweissem Haar die Herzen zum Schmelzen brachte.
Den starken Mann markiert er nach wie vor ab und zu – wenn auch inzwischen meist mit ironischer Brechung wie 2022 in «The Lost City» und «Bullet Train» oder 2024 in «Fly Me to the Moon». Fürs breite Publikum wird Tatum aber wohl immer «Magic Mike» bleiben: Ein Stripper, der jeden Song und jedes Kostüm erotisch aufladen kann.
Anders als im Film riss sich Channing Tatum bei seiner Feuertaufe als Lustobjekt nicht ein wetterfestes Outfit zu «It’s Raining Men» vom Leib. In Wirklichkeit trug der Teenager eine Pfadfinder-Uniform, der er sich zum 60er-Jahre-Schunkelsong «Hello Mother, Hello Father!» entledigte.