Traditionsgemäss verkündet die Schweizer Filmakademie an den Solothurner Filmtagen, welche Werke aus dem laufenden Filmjahr für den Schweizer Filmpreis in Frage kommen. Ein Blick auf die Gesamtliste ermöglicht zwar keine klaren Prognosen, bestätigt aber ein paar Trends.
Blicke über den Tellerrand
Verliehen wird der Schweizer Filmpreis im März in Zürich. Starke Karten in der Hand hält aber dieses Jahr die Westschweiz. Viele der nominierten Filmschaffenden blicken auf Ausbildungsgänge an der ECAL (École Cantonale d’art de Lausanne) oder der HEAD – Genève (Haute École d'art et de design Genève) zurück. Oder sie arbeiten mit anderweitigem Hintergrund in der Romandie.
Wobei man zugespitzt sagen könnte: Es ist egal, aus welcher Sprachregion die Filme stammen. Das Schweizer Filmschaffen wirft seit langem gern Blicke über den Tellerrand, und das ist heuer nicht nur eine Feststellung, sondern eine Untertreibung.
Jedem Film seine Sprache
Deutlich wird dies anhand der insgesamt zehn abendfüllenden Filme, die gemäss der Schweizer Filmakademie für den besten Spiel- oder Dokumentarfilm infrage kommen.
Zu den gesprochenen Sprachen in diesen zehn Filmen gehören etwa – unabhängig von ihrem Schweizer Produktionsort: Georgisch («Wet Sand»), Japanisch («Soul of a Beast»), Ukrainisch («Olga»), Albanisch («Réveil sur Mars»), Spanisch («Azor»), Ayoreo («Apenas el sol»), Russisch («Ostrov – Die verlorene Insel») und Serbisch («Dida»).
Grenzenlose Filme
Bevor man diese Sprachliste nun zur billigen Polemik umfunktioniert und behauptet, der Schweizer Film würde gar keine Schweizer Geschichten mehr erzählen: Das stimmt erstens nur halb, und zweitens hat es Gründe.
Um es kurz zu machen: Rund die Hälfte der zehn Filme in den Hauptkategorien spielt zumindest partiell in der Schweiz, und hinter den Filmen stecken vielfach Menschen, bei denen ihr eigener Migrationshintergrund mitspielt, wenn sie Geschichten erzählen.
Zweitens: Kino-Arthouse-Filme müssen von der Festival- und bis zur Video-on-Demand-Auswertung in einem internationalen Kontext funktionieren. Und das wird schwierig, wenn man sich hinter den eigenen Grenzen versteckt.
Unterschätzte vor Prestige-Werken
Kritische Stimmen werfen der Schweizer Filmakademie überdies schon länger vor, dass sie bei ihrer Auswahl erfolgsorientierte Projekte nicht gebührend berücksichtigt. Und tatsächlich: Deutschschweizer Prestige-Spielfilme wie «Stürm – Bis wir tot sind oder frei», «Und morgen seid ihr tot» oder «Monte Verità» fehlen alle in der Königsdisziplin.
Ist das schlimm? Nein. Die Schweizer Filmakademie lenkt mit ihrer Veranstaltung den Fokus hauptsächlich auf Filme, die weniger Beachtung bekommen, als sie verdienen.
Das könnte auch erklären, warum der internationale Kritik- und Festivalerfolg «Das Mädchen und die Spinne» nur für den besten Schnitt nominiert ist: Wer diesen Film sehen wollte, hat ihn wohl bereits gesehen.