SRF zeigt nochmals alle Filme der Krimireihe «Kommissär Hunkeler». Eine Rolle, die Mathias Gnädinger wie auf den Leib geschnitten war.
2013 gab der Volksschauspieler SRF 2 Kultur ein Interview in seinem Feriendomizil an der Costa Brava in Spanien.
Herr Gnädinger, fiel es Ihnen leicht, in die Rolle des schrulligen Kommissärs zu schlüpfen?
Es fiel mir auf jeden Fall nicht schwer, die Figur des Hunkeler zu spielen. Eigentlich ist ja Hansjörg Schneider – der Autor der Romane – der Hunkeler. Er meint sich selber in den Geschichten. Hunkeler ist ursprünglich ein Aargauer, der in Basel einen Kriminal-Kommissär spielt und der das Baseldeutsch nicht angenommen hat. Schneider sagte dann, ich sei eigentlich genauso einer wie der Hunkeler – auch ich könne meinen Schaffhauserdialekt nicht verleugnen.
Wie wurde Schneider auf Sie aufmerksam?
Wir haben bereits früher zusammengearbeitet. Als ich von 1975-1978 im Theater Neumarkt engagiert war, hat er Stücke für uns geschrieben: «Lieber Ausgustin» oder «Die schwarze Spinne» etwa. So hat man sich kennen gelernt. Später sagte er dann, «der Gnädinger muss den Hunkeler spielen!».
Beim Fernsehen hatten sie eigentlich bereits zwei Kandidaten, doch Schneider setzte sich durch. Er schrieb einen Brief und beharrte darauf, dass ich unbedingt den Hunkeler spielen müsse. Ansonsten würden sie die Rechte nicht erhalten. Dieser vehemente Einsatz für mich war natürlich eine Ehre erster Güte! Dann muss man's ja können. Glücklicherweise ist es ist mir sehr leicht gefallen.
Sie sagen selber, Sie seien dem Hunkeler in Vielem ähnlich. Gibt es Unterschiede?
Klar. Hunkeler macht Dinge, die ich als Mathias Gnädiger überhaupt nicht machen würde, wie Gesten, physische Bewegungen. Wenn er beispielsweise irgendwo entlang geht, macht er so eigenartige, schüttelnde Handbewegungen. Das mache ich eigentlich nicht. Wobei – vielleicht hab ich's im Laufe der Zeit doch etwas übernommen...
Die Figur musste ich erst ein wenig finden. Zu Beginn ist es immer eine Suche: An die ersten beiden («Das Paar im Kahn», 2004 und «Tod einer Ärztin», 2005) kann ich mich nicht mehr genau erinnern. Irgendwann während der Dreharbeiten zum dritten Film («Hunkeler macht Sachen», 2008) wusste ich dann wirklich, wie es geht.
Wie bereiten Sie sich auf die Rolle vor?
Ich muss jeweils den Roman einfach gelesen haben, das Drehbuch bildet bloss einen Teil des Romaninhaltes ab. Bei einigen Filmen blieb mehr davon erhalten, bei anderen weniger. Bei «Hunkeler macht Sachen» erhielt ich das Drehbuch und war entsetzt: Drei Viertel waren gestrichen! Was ich am Tollsten fand, war nicht mehr drin.
Trotzdem ist für mich die Lektüre des Buches sehr wichtig.Dabei entwickle ich ein Gespür für den Film und muss dann eigentlich gar nicht mehr viel machen. Auf theoretischer Ebene überlege ich meistens nicht viel. Ich setze mich einfach mit dem Drehbuch auseinander oder mit den vorhandenen Situationen, damit hat's sich's. Ich denke nie, an dieser Stelle könnte der Protagonist da oder dort durchgehen oder dies und das tun. Das kommt einfach beim spielen – ich muss mich nicht gross verrenken.
Beinhaltet dies auch Nachteile, dass sie als Person so nahe an der Figur Hunkeler dran sind?
Ja. Bei den Dreharbeiten zum Bestatter hiess es kürzlich, ich dürfe nun wirklich nicht mehr der Hunkeler sein. Ich musste eine andere Frisur tragen, damit ja nichts zu sehr an den Hunkeler erinnert. Gelegentlich ist das auch fürs Publikum schwierig, wenn man mich jetzt bloss noch als Hunkeler kennt. Das war damals genauso als «Ruedi» bei «Lüthi und Blanc». Da konnte ich ja nicht einmal mehr durch den Zürcher Hauptbahnhof gehen, ohne dass jemand rief: «Ah de Ruedi! Chum mir suuffed e Bier!» Das war wirklich verrückt.
Wie haben Sie in solchen Situationen reagiert?
Ich sagte jeweils, ich hätte keine Zeit, müsse zur Arbeit. Dann klang es: «Aber s'nächscht mal, gell!» Damit muss man halt leben, sonst darf man nicht Schauspieler werden. Aber ich bin gar nicht geil drauf, dass man mich erkennt – oder all diese Fotos macht. Das mag ich nicht. Aber man kommt halt einfach nicht drum herum, oder.
Kommissär Hunkeler ist mitunter ein unbequemer Zeitgenosse. Gegenüber seinen Mitmenschen sagt er meist, was er denkt, ohne Rücksicht darauf, ob er damit nun aneckt oder nicht. Gilt das auch für Sie – sind Sie unbequem?
Da müssen Sie meine Frau fragen! Aber ich denke schon. Auf jeden Fall sage ich meine Meinung. Das liegt in der Familie, ich habe noch vier Brüder. Ich denke, dass jeder von uns seine Meinung sagt. Wir sind alles «stuuri Sieche».
Sind Sie denn auch als Schauspieler stur?
Nein. Bei der Arbeit bin ich nicht der «sture Siech», der unbedingt was durchdrücken muss. Wenn ich sehe, dass es besser so ist, wie der Regisseur sagt, lenk ich ein. Aber das war natürlich nicht immer der Fall. Zu meiner Zeit an der Schaubühne Berlin hat mich der Regisseur Peter Stein einmal ganz schön zurechtgewiesen: Während einer Probe gab er mal wieder die Kritik hinauf zur Bühne. Ich wollte seine Anweisung nicht umsetzen oder fand meine Art zu spielen besser als das, was er von mir wollte. Irgendwann rief er laut:«Matthias, du bist immer so avers!» Und ich polterte hinunter: «Ich bin nicht avers!» Und Stein konterte: «Na bitte!» – Da kann man eigentlich nur noch von der Bühne abgehen.
A propos abgehen: Würden Sie denn nochmals einen Hunkeler machen oder haben Sie damit abgeschlossen?
Offenbar habe ich mal gesagt, ich würde jetzt aufhören. Doch Hansjörg Schneider hat mir versprochen, er schreibe nochmals einen Hunkeler.
Zwei Filme habe ich ja gemacht, nachdem Kommissär Hunkeler bereits pensioniert wurde, bei der Romanvorlage wäre das erst im letzten Film der Fall gewesen. Ich wurde früher pensioniert, da man zu der Zeit noch gar nicht wusste, dass der «Ödipus» noch kommen wird. Man hatte mich da schon begraben, und dann mussten sie mich halt nochmals nehmen! Eigentlich ist das ja kein Problem. So ein Kommissär, der kann halt einfach nicht aufhören. Wie die Schauspieler, die können auch nicht aufhören.
Weshalb Gnädinger nicht aufhören konnte und was er stattdessen tat, Lesen Sie im zweiten Teil des Interviews.