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70. Filmfestival Cannes Höchste Ehre: TV-Serien wie «Twin Peaks» sind jetzt im Kino-Olymp

Zwei Fernsehproduktionen haben es in die offizielle Auswahl von Cannes geschafft. Ein Durchbruch, der längst fällig war. Auch wenn ihn Cannes-Direktor Thierry Frémaux nur widerwillig annimmt.

Noch vor einem Jahr verkündete Festivalleiter Thierry Frémaux stolz: «Cannes – c’est pour le cinéma!» Sprich: In Cannes laufen nur Filme, die für die grosse Leinwand gedreht wurden.

Doch siehe da: Bei der 70. Austragung ist alles anders. Gleich zwei TV-Serien sind im Jubiläumsjahr an der Croisette zu sehen: die dritte Staffel von David Lynchs «Twin Peaks» und die zweite von Jane Campions «Top of the Lake».

Von einem grundsätzlichen Kurswechsel will Festivalleiter Frémaux trotzdem nichts wissen: «Wir zeigen diese TV-Serien nicht einfach so. Wir zeigen sie, weil es Werke von David Lynch und Jane Campion sind. Die beiden sind Freunde des Festivals, Gewinner der Goldenen Palme, Jurypräsidenten vergangener Jahre. Wir würden ihre Werke auch zeigen, wenn es Trickfilme oder Dokumentationen wären!»

70. Filmfestival Cannes

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An der Côte d'Azur findet zum 70. Mal der Wettstreit um die Goldene Palme statt. Wir berichten über die wichtigsten Filme, Stars auf und neben dem roten Teppich und werfen ab und zu einen Blick darauf, was in Cannes abseits des grossen Rummels passiert.

Lynch liebt Cannes – und umgekehrt

Seit den 90er-Jahren ist David Lynch in Cannes ein Stammgast und als solcher bei allen wichtigen Festival-Jubiläen dabei gewesen. Aus gutem Grund: Der 71-jährige Amerikaner feierte hier seinen grössten Triumph. Bei seiner allerersten Wettbewerbsteilnahme anno 1990 gewann er den Hauptpreis: die Goldene Palme für «Wild at Heart».

Im selben Jahr revolutionierte Lynch das Fernsehen – mit der stilbildenden Mystery-Serie «Twin Peaks». Der heutige Serien-Boom ist ein Kind dieser Kult-Saga, die durch ihren eigenwilligen Charakter völlig neu definierte, was TV-Unterhaltung sein und leisten kann.

Goldenes Zeitalter der TV-Serien

Heute sind Fernsehserien wie die neue Staffel von «Twin Peaks» so wichtig, dass man selbst in der Kinohochburg Cannes nicht mehr darauf verzichten will. In Berlin und Venedig hat man schon früher erkannt, dass immer mehr wichtige Regisseure ihr Heil in TV-Produktionen suchen.

Zoff mit Netflix

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Bevor das diesjährige Festival startete, gabs Streit in Cannes . Der Streamingdienst Netflix lehnte es ab, zwei Filme im Kino zu zeigen, die in Cannes im Wettbewerb sind. Bei der Aufführung des ersten Wettbewerbfilms von Netflix gab es dann Buhrufe aus dem Publikum .

Cannes-Direktor Thierry Frémaux erklärt den Trend zum Fernsehen so: «Kino ist teuer. Bei TV-Serien geniessen Regisseure oft mehr Freiheit. Ein Schriftsteller kreiert ja auch Romane, Novellen und journalistische Texte, weil er Lust hat, sich verschieden auszudrücken. Im heutigen goldenen Zeitalter der Serien ist es also nur normal, dass es Cineasten auch einmal probieren wollen.»

Hochwertige Fernsehproduktionen sind grosses Kino

Der latente Widerwille gegen das Konkurrenzmedium Fernsehen ist nicht zu überhören. Ein klares Bekenntnis zu TV-Serien würde jedenfalls ganz anders klingen.

Dennoch macht die Aufnahme von «Twin Peaks» und «Top of the Lake» im Film-Olymp Cannes klar: Hochwertige Fernsehproduktionen sind grosses Kino, das aus der internationalen Festivalszene nicht so rasch verschwinden wird.

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