Das Video verbreitete sich rasant im Netz: Eine junge Studentin zieht sich in Teheran bis auf die Unterwäsche aus – aus Protest gegen die extrem strenge Kleiderordnung im Iran. Sittenwächter führen sie mit Gewalt ab und bringen sie in eine psychiatrische Klinik. Dort droht ihr Folter, befürchten Menschenrechtsorganisationen.
Mutige Frauen als Inspiration
Das ist nur das jüngste Beispiel, das zeigt, wie gewalttägig das iranische Regime auf den Freiheitsdrang der Menschen reagiert. Es ist aber auch ein Zeichen des mutigen Aufbegehrens iranischer Frauen gegen die Unterdrückung durch das totalitäre System.
Dieser Kampf inspirierte den iranischen Regisseur Mohammad Rasoulof («There is No Evil») zu seinem aktuellen Thriller «The Seed of the Sacred Fig», «Die Saat des heiligen Feigenbaumes».
Der Film spielt in Teheran zu Beginn der Bewegung «Frau, Leben, Freiheit». Iman wird zum Untersuchungsrichter am Revolutionsgericht befördert – zum Richter über Leben und Tod. Aufgrund der landesweiten Proteste kämpft er zunehmend mit Paranoia und Misstrauen.
Willenloser Teil einer Machtmaschine
Eindrücklich zeigt Rasoulof, was ein Terrorregime mit Menschen macht. «Das Hauptthema des Films ist Unterwerfung unter eine Macht. Ich möchte verstehen, was jemanden dazu bringt, sein Hirn abzugeben und damit ein willenloser Teil einer Machtmaschine zu werden.»
Als Imans Waffe auf mysteriöse Weise verschwindet, verdächtigt er seine Frau und seine beiden Töchter. Und ergreift drastische Massnahmen zu ihrer Züchtigung.
Die Proteste der Strasse aber finden ihren Weg ins Haus. Die Schwestern beginnen entsetzt, soziale Normen und Familienregeln zu hinterfragen. Sie sympathisieren mit den Frauen, die gegen Kopftuchzwang und Unterdrückung rebellieren. Besonders aufwühlend: Gezeigt werden reale Social-Media-Bilder von Protestierenden, die durch die Sittenwächter grausam niedergeknüppelt und abgeführt werden.
Drehen im Geheimen
Der Regimekritiker Rasoulof ist seit Jahren im Iran mit einem Drehverbot belegt, sass auch schon im Gefängnis. Wie schon seine vorherigen Filme mussten er und sein Team das neue Drama heimlich drehen. Immer unter Anspannung und in Angst, entdeckt zu werden: Die Zeit drängte, eine Gefängnisstrafe drohte. Diese Gefühle flossen ins Drama ein – realistisch und mitreissend.
Später floh Mohammad Rasoulof aus dem Iran. Gemeinsam mit seinen jungen Hauptdarstellerinnen schaffte er es gerade noch an die Weltpremiere seines Werkes am Filmfestival von Cannes. Er erntete Standing Ovations von sagenhaften 15 Minuten und gewann den Spezialpreis der Jury.
Er habe sich schweren Herzens fürs Exil entschieden, sagt er. Es sei die einzige Option gewesen, weiterhin seine Geschichten zu erzählen. «Ich könnte natürlich zurückgehen. Aber mich erwartet eine achtjährige Haftstrafe. Und ich könnte nicht arbeiten.»
Erschütternd nah an der Realität
Der Film setzt Willkür und Terror eine bessere Zukunft entgegen: Die Schwestern wehren sich gegen ihren diktatorischen Vater. Das Kammerspiel wird zum Thriller.
«The Seed of the Sacred Fig» zeigt eine Gesellschaft im Umbruch, deren Kampf für Gleichberechtigung, Freiheit und Menschenrechte nicht mehr aufzuhalten ist. Eine packende Würdigung der mutigen Frauen im Iran. Und – wie der aktuelle Vorfall zeigt – erschütternd nah an der Realität.
Kinostart: 14.11.2024