Was für ein Trip, auf den uns der Film «Bad Luck Banging or Loony Porn» mitnimmt. Dieser «Verrückten-Porno» des Rumänen Radu Jude wurde an der vergangenen Berlinale mit dem Goldenen Bären ausgezeichnet, da er «den Zeitgeist heraufbeschwört, ihn ohrfeigt, zum Duell herausfordert», so die Begründung der Jury.
Der Film beginnt mit einem Sexvideo: Vor dem Filmtitel wird ein mit dem Handy gefilmter Amateur-Porno auf die Leinwand geschmissen. Ein Paar hat Sex. Zwischendurch hört man eine ältere Frauenstimme durch die Zimmertür quengeln, es geht wohl um das Kind des Paares.
Wenn Videos plötzlich auf Pornhub landen
Die Frau in dem Video ist Emi Cilibue (Katia Pascariu), eine engagierte und beliebte Lehrerin an einer renommierten Schule in Bukarest.
Ihr Mann hat arglos seinen Computer zur Reparatur gebracht, und wie es aussieht, hat einer der Servicetechniker auf der Festplatte gestöbert und das private Filmchen auf Pornhub hochgeladen.
Unter Emi Cilibues Schülerinnen und Schülern macht das Video schnell die Runde.
Der Film, ein Entwurf
Der Filmemacher Radu Jude ist nicht an einer komödiantisch verwertbaren Storyline interessiert. Er selbst nennt seinen im Sommer 2020 unter Corona-Bedingungen in Bukarest gedrehten Film einen «Entwurf für einen populären Film».
Er präsentiert tatsächlich eher eine Materialsammlung. Aber eine, die weit über die Diskussion hinausgeht, inwieweit das private Sexleben eines Paares die Öffentlichkeit zu interessieren hat.
Ein Sommerspaziergang durch Bukarest
Nach dem Titelvorspann folgt denn auch erstmal ein fast dokumentarischer Sommerspaziergang durch Bukarest 2020. Emi Cilibue geht zu Fuss durch die Stadt, besucht ihre Schulleiterin, kauft mit Maske ein, telefoniert unterwegs mit ihrem Mann und ist schliesslich unterwegs zu einem ausserordentlichen Elternabend an der Schule. Dort soll ihr «Fehlverhalten» diskutiert werden.
Diese rund zwanzig Minuten in den sommerlichen Strassen und Geschäften von Bukarest sind Momentaufnahmen, die jetzt schon als Zeitdokument gelten: Da gibt es Maskendiskussionen in Geschäften, Abstandsregeln im Strassencafé und zunehmend rüpelhaftes Verhalten der gestressten Städter.
Kolonialoffiziere und Blondinenwitze
Der zweite Teil des Filmes besteht aus «Skizzen und Anekdoten» und ist an grausamer Absurdität kaum zu überbieten. Da folgen im Sekundentakt Filmclips und Bildmontagen zu einer Reihe von alphabetisch dargebotenen Stichwörtern.
Auf Kolonialoffiziere, die mit nackten Eingeborenenfrauen posieren, folgt ein inszenierter Blondinenwitz, der darin gipfelt, dass die vom Stier verfolgte Nackte schliesslich erklärt, sie bekäme doch lieber ein Kalb als einen Herzinfarkt. Nonnen singen einem Popen eine Faschistenhymne, Touristen machen Selfies vor dem einstigen Ceaușescu-Palast.
Dieser zweite Teil lässt einen erschöpfter in sich zusammensinken als eine Stunde swipen auf TikTok. Aber doch auch deutlich angeregter und faszinierter. Die geballte Ladung an Scheinheiligkeit, Absurdität und Verleugnung elementarer Klarheiten fährt satirisch ein.