Wallace und Gromit waren zuletzt vor 20 Jahren in einem Kino-Abenteuer unterwegs: «Wallace & Gromit: The Curse of the Were-Rabbit» stammt von 2005. Das Kürzertreten danach hat den weltfremden Tüftler aus Yorkshire und seinen treuen vierbeinigen Gefährten allerdings nicht daran gehindert, als Ikonen der britischen Popkultur erhalten zu bleiben.
Jetzt sind sie in alter Frische zurück. Dennoch liegt es nahe, dem neuen Film «Wallace & Gromit: Vengeance Most Fowl» eher skeptisch zu begegnen: Funktioniert das Rezept heute noch? Ist der Charme der früheren Tage geblieben? Bedeutet das Label «Netflix» – wo der Film vermarktet wird – dass die Formel verwässert und der skurrile Humor geglättet wurden?
Hohe Erwartungen
Natürlich wollen die zahlreichen «Wallace & Gromit»-Fans ihre Publikumslieblinge nicht in einem schlechten oder auch nur mittelmässigen Film sehen. Dass die Erwartungen hoch sind, wusste man auch bei Aardman und Netflix. Die Vermutung liegt nahe, dass es gerade deshalb so lange gedauert hat mit diesem neuen Film: Weil alles stimmen musste.
Und? Es stimmt alles. Die Figuren sind weiterhin aus Knetmasse, die Kulissen von Hand gezimmert, und der Humor ist so verschroben wie eh und je.
Verraten sei diesbezüglich, dass gegen Ende im Verlauf einer Verfolgungsjagd per Schiff eine selbstgebaute Stiefelwurf-Maschine zum Einsatz kommt.
Teufel im Detail
Genauso geblieben ist die Fähigkeit bei Aardman Animations, den Knetmasse-Figuren mit allerkleinsten Details eine enorme Ausdruckskraft zu verleihen.
Zum Filmbeginn wird etwa der notorisch kriminelle Pinguin Feathers McGraw hinter Gitter gesteckt. Obwohl er bis auf zwei schwarze Kugeln als Augen und einen orangen Kegel als Schnabel über keine Gesichtszüge verfügt, steht ihm der Ausbrecherkönig schon ins Gesicht geschrieben, bevor er seine Zelle betritt.
Gartenzwerg 2.0
Die «Wallace & Gromit»-Erzählungen verläuft meist nach dem gleichen Schema: Herrchen Wallace macht eine Erfindung, diese gerät ausser Kontrolle, es resultieren Slapstick, Verfolgungsjagden und Materialschäden, bevor Hund Gromit helfend einspringt und dem Trubel ein Happy End bereitet.
Das ist auch diesmal so, aber mit einem Kniff: Es geht um künstliche Intelligenz, und somit um ein topaktuelles Thema. Wallace fabriziert einen lernfähigen Gartenzwerg – doch dieser gerät auf die dunkle Seite der Macht und vervielfacht sich, nachdem Feathers McGraw aus seiner Zelle heraus dessen Software überschrieben hat.
Die Thematik ist komplex und sicherlich selbstbezogen zu verstehen – KI bedroht auch die Animationsfilmindustrie. Gleichzeitig versteht jedes Kind, dass die ausser Kontrolle geratenen Gartenzwerge sinnbildlich dafür sind, dass uns der technische Fortschritt dereinst über die Köpfe wachsen könnte.
Genial ist am Film aber letztlich die Antwort, die er auf diese Problematik bereithält: Mit hausgemachtem Handwerk gelingen ihm absurde Pointen und turbulente Actionszenen, die nur halb so witzig und aufregend wären, wären sie computergeneriert.
«Wallace & Gromit: Vengeance Most Fowl» läuft auf Netflix.