Wie alle Jahre gab die Schweizer Filmakademie an den Solothurner Filmtagen die Nominationen für den Schweizer Filmpreis bekannt. Der vollständigen Liste merkt man den Willen der Nominierungskommission an, möglichst viele Einreichungen zum Zug kommen zu lassen.
Die Pole-Position gesichert hat sich «Der Spatz im Kamin» von Ramon Zürcher (produziert von seinem Bruder Silvan Zürcher) mit sechs Nominierungen, darunter eine als bester Spielfilm und für das beste Drehbuch.
Die Nominierungskommission baut hiermit zweifellos auf den guten Ruf, den sich die Zürcher-Zwillinge seit Jahren in der internationalen Arthouse-Filmbranche aufbauen.
«Tschugger» ist am Rand dabei
Überhaupt, Arthouse: Es schwingt alle Jahre ein wenig der Vorwurf mit, beim Schweizer Filmpreis würden «schwer zugängliche» Filme grosszügiger prämiert als Beiträge aus populären Gattungen. Das ist erneut so, nur liegt die Schuld diesmal kaum bei der Veranstaltung: 2024 lief kein immenser Schweizer Kassenschlager, den sie hätte ignorieren können.
Die Kinoauswertung der vierten Staffel von «Tschugger» zog zwar Menschenmengen an, aber es wäre ein Affront gegenüber der Branche gewesen, dem Crossover-Projekt die Gleichbehandlung mit traditionellen Kinofilmen zu gewähren. Daher bot es sich an, «Tschugger»-Mastermind David Constantin immerhin als besten Schauspieler zu nominieren.
Hat ein Hund die Nase vorn?
Eine Schlüsselposition in der Nominationsliste kommt dem Spielfilm «Le procès du chien» zugute: Die umtriebige Regisseurin, Autorin und Schauspielerin Laetitia Dosch könnte die Auszeichnung für den besten Film oder für das beste Drehbuch in Empfang nehmen.
Der Film erfüllt viele Entscheidungskriterien: Er stammt von einer Frau, er ist eine populäre Komödie – hier wittert die Kommission wohl Aufholbedarf –, er lief in Cannes und hat in der Romandie über 12'000 Eintritte verbucht, er wird zudem international ausgewertet (in Deutschland etwa als «Hundschuldig»), und in der Deutschschweiz kommt er kurz nach der Preisverleihung ins Kino.
Zwei weitere Nominierungen im fiktionalen Bereich haben Asse im Ärmel: Der Regenwald-Animationsfilm «Sauvages» von Claude Barras («Ma vie de courgette») ist ausschliesslich als bester Film nominiert, was aber seine Chancen auf den Preis erhöht: Viele Branchen- und Akademiemitglieder haben das aufwändige Prestige-Projekt begleitet und werden es nicht leer ausgehen lassen wollen.
Die schweizerisch-peruanische Regisseurin Klaudia Reynicke («Reinas») wiederum darf sich Chancen ausrechnen, weil sie sich sowohl in der Romandie als auch im Tessin für die Nachwuchsförderung einsetzt, und weil ihre Filme traditionell in Locarno laufen: Die Sympathien der sonst unterrepräsentierten Tessiner Akademiemitglieder gehören wohl ihr. Zudem wurde das Coming-of-Age-Drama «Reinas» letztes Jahr von der Schweiz ins Oscarrennen geschickt.
Dokumentarfilme: Alles offen?
Im Dokumentarfilmschaffen ist «E.1027 – Eileen Gray and the House by the Sea» (Beatrice Minger, Christoph Schaub) über die titelgebende irische Architektin mit vier Nominierungen der offizielle Favorit – aber da sich das Schweizer Dokumentarfilmschaffen traditionell sehr stark aufgestellt präsentiert, ist hier nichts in Stein gemeisselt.
Die Preisverleihung zum Schweizer Filmpreise 2025 findet am 21. März in Genf statt.