Die Startboxen für den Schweizer Filmpreis sind aufgestellt: An den 55. Solothurner Filmtagen verkündete die Schweizer Filmakademie, wer kommenden März mit einer Auszeichnung rechnen darf. Der mit Abstand erfolgreichste Schweizer Film des Moments, «Platzspitzbaby», taucht dabei in keiner einzigen Kategorie auf.
Das irritiert: Der Film überzeugte die Kritik und hat mit seinen aktuell 62‘000 Eintritten (Stand 23.1.2020) bereits jetzt gute Chancen, der erfolgreichste Schweizer Film des Jahres 2020 zu werden.
Warum also taucht «Platzspitzbaby» beim Schweizer Filmpreis nirgends auf? Die Antwort ist einfach: Die Zürcher Produktionsfirma C-Films hat ihn bewusst nicht eingereicht.
Als Promo einfach nur wertlos?
Zu den Gründen befragt, meint der Produzent Peter Reichenbach, der Schweizer Filmpreis stehe für ihn von der Relevanz her «sehr weit hinten».
In einer Nomination erkennt er keinen Promotionseffekt: «Das Timing dieser Veranstaltung ist absurd. Wir haben ja gerade erst mit der Auswertung angefangen – und andere Filme in der Auswahl sind noch gar nicht gestartet. Da werden Filme nominiert und prämiert, die kein Mensch gesehen hat.»
«Manser» dreimal nominiert
Eine andere Produktionsfirma hat ihren Pulikumsliebling hingegen eingereicht. «Bruno Manser – Die Stimme des Regenwaldes» ist in drei Kategorien nominiert: bester Spielfilm, bester Darsteller, bester Schnitt.
Das Team hat wohl bessere Erfahrungen mit der Veranstaltung gemacht als Reichenbach: Regisseur Niklaus Hilber war 2016 schon einmal mit «Amateur Teens» nominiert, der Schauspieler Sven Schelker gewann die Quartz-Trophäe bereits 2015 für seine Rolle im Liebesfilm «Der Kreis».
Basman als bester Darsteller nominiert
Auch ein zweiter Anwärter auf den Preis als bester Darsteller hat schon einen Quartz im Regal: Joel Basman, diesmal nominiert für «Der Büezer», gewann bereits letztes Jahr.
Damals verteidigte er die Ehre für Michael Steiners «Wolkenbruch», der ansonsten leer ausging und somit Reichenbachs These stützt, dass Kassenerfolg und Prestige beim Schweizer Filmpreis nichts zählen.
Oder doch ein neues Gesicht?
Würde man die These konsequent anwenden, dann geht der Preis für den besten Hauptdarsteller dieses Jahr an den Nachwuchsdarsteller Luc Bruchez für seine Erstlingsrolle in «Le milieu de l'horizon».
Der 2004 geborene Walliser ist in der Deutschschweiz ein noch unbeschriebenes Blatt. In der Romandie hat der Film aber insgesamt über 10'000 Eintritte verbucht. «Le milieu de l'horizon» hat auch gute Chancen in der Kategorie «Bester Spielfilm».
Starkes Storytelling aus der Romandie
Ebenfalls Chancen auf den besten Spielfilm hat der zweite Beitrag aus der Romandie: «Les particules». Die beiden französischen Produktionen drehen sich zwar nicht konkret um politische, soziale oder historische Belange – wie dies die deutschschweizer Filme meistens tun – aber sie erzählen starke Geschichten und überzeugen auf der gestalterischen Ebene.
Vernünftiger Querschnitt
Ansonsten bieten die Nominationen zum Schweizer Filmpreis einen repräsentativen und vernünftigen Querschnitt durch das Schweizer Filmschaffen der letzten zwölf Monate: Die nominierten Frauen sind zwar fast in allen Kategorien in der Minderzahl, aber das entspricht der tristen Realität in der Branche.
Eine Ausnahme ist immerhin die Nominationliste für den besten Dokumentarfilm: Hier ist das Verhältnis der Geschlechter gewahrt.
Zwei starke Frauen fehlen
Beim Preis für die beste Darstellerin könnte die unbekannte Beren Tuna («AlShafaq») die etablierten Namen Sabine Timoteo und Miriam Stein überflügeln. Zwei starke Frauen fehlen aber in dieser Nominationsliste: Die Schauspielerinnen Sarah Spale und Luna Mwezi, die in «Platzspitzbaby» als Mutter und Tochter brillieren, wären offensichtliche Kandidatinnen gewesen.
Vielleicht gibt ihnen Peter Reichenbach nächstes Jahr eine Chance: Er spielt mit dem Gedanken, «Platzspitzbaby» für 2021 einzureichen.
Sendung: SRF 1, Tagesschau, 22.1.2020, 19:30 Uhr