Nein, in die IKEA kommt man normalerweise nicht mit dem Velo. Davon zeugt der verwaiste Fahrradständer links des Haupteingangs.
Auf dem Parkplatz versucht ein Paar, alles, was es gerade eingekauft hat, vom hochaufgetürmten Einkaufswagen in den Kofferraum zu packen. Die Meinungen gehen auseinander, wie das genau vonstattengehen soll und wer die besseren Tetris-Kenntnisse hat.
Nerven und Navigierkünste sind gefragt
Drinnen führt eine lange Rolltreppe aufwärts ins Shoppingparadies. Oder in die Shoppinghölle, je nachdem, wen man fragt. Wer Ikea samstags einen Besuch abstattet, braucht starke Nerven oder eine gesunde Portion Masochismus.
Es herrscht ein Stimmengewirr aus unterschiedlichsten Sprachen, viele sind mit Kindern gekommen, die durch die Gänge lärmen. Wer in der Menge an Einkaufswagen mit Rangierkenntnissen ausgestattet ist, ist im Vorteil.
Pfeile am Boden führen durch den Ausstellungsrundgang. Die perfekt eingerichtete Küche zieht vorbei. Das perfekte Schlafzimmer, das perfekte Wohnzimmer. Sofas. Stoffsofas. Ledersofas. Bettsofas. Schlafsofas. Gestreifte Sofas. Unifarbene Sofas. Sofas mit Blümchenmuster. Sofateile und Sofazubehör, Sofabezüge. Mir schwirrt der Kopf.
Teelichter im Interior-Inferno
Einen grossen Teil des Umsatzes erzielt Ikea nicht mit Möbeln, sondern mit Accessoires. Teelichter dürften zu den Spitzenreitern gehören. Zumindest stehen sie gleich palettenweise in den Ausstellungsräumen herum.
Im Labyrinth aus Heimdekoration, Badezubehör, Teppichen, Pflanzen und Bilderrahmen verliere ich komplett die Orientierung. Es fühlt sich an, als wäre ich schon drei Wochen hier. Ich bin überzeugt, dass ich nie mehr rausfinden, sondern hier als Skelett enden werde. Vielleicht unter dem Tisch Mörbylånga.
Schlafen in der schwedischen Erdnuss
Alle Ikea-Produkte haben klingende, schwedische Namen. Diese werden systematisch nach Kategorie vergeben. Tische und Stubenmöbel heissen wie skandinavische Ortschaften. Mörbylånga ist ein Dorf auf der schwedischen Insel Öland.
Badezimmerartikel tragen den Namen von Gewässern. Der Seifenspender Voxnan ist nach einem Fluss im Osten Schwedens benannt. Bettwäsche bekommt Namen von Blumen und Pflanzen. Wie gut es sich in Jordranunkel (Erdnuss) schläft, könnte allenfalls die Prinzessin auf der Erbse beurteilen.
Massenweise Möbel für wenig Geld
Wahrscheinlich gibt’s hierzulande kaum eine Wohnung, in der nicht mindestens ein Produkt von Ikea steht. Das Prinzip «schönes Design für wenig Geld» ist bestechend, sei aber auch zwiespältig. Das sagt ein Mann, der gerade aus der Halle «Zweite Chance Markt» kommt.
«Die Dinge können nur so günstig sein, weil sie in grossen Mengen produziert werden. Dabei wird auch sehr viel produziert, was niemand braucht», sagt er.
Raus aus der Konsum-Kathedrale
Heureka, Licht am Ende des Shopping-Tunnels! Zuerst muss ich aber noch die Selbstbedienungshalle durchqueren, eine imposante Kathedrale des Konsums, in der sich Kisten und Platten bis unter die Decke stapeln.
Komplett reizüberflutet trete ich wieder ans Tageslicht. Das treue Fahrrad hat geduldig gewartet und freut sich über den Multipack Teelichter, das ich ihm ins Körbchen lege.