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Katharina von Zimmern – eine Frau prägt die Zürcher Reformation
Aus Zeitblende vom 27.07.2024. Bild: Filmstill «Zwingli» von 2019 / Ascot Elite
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Äbtissin Katharina von Zimmern Sie gab ihr Kloster auf – und schrieb damit Schweizer Geschichte

Sie war Äbtissin, hochadelig, Mutter einer unehelichen Tochter – und sie hat der Zürcher Reformation vor 500 Jahren zu entscheidendem Schub verholfen. Welche Rolle spielte dabei die Liebe?

Es war bestimmt kein einfacher Entscheid: Seit 28 Jahren ist Katharina von Zimmern Äbtissin des Zürcher Fraumünsters und die wohl prominenteste Frau der Stadt. Sie sympathisiert mit den Ideen der Reformation, die Huldrych Zwingli in Zürich verbreitet und lässt ihn etwa an Markttagen im Fraumünster zu den Bauern predigen.

Doch diese reformatorischen Ideen bedrohen ihre Lebensweise. Zwingli will die Klöster auflösen und die Besitztümer verstaatlichen. Andernorts ist es deswegen zu wüsten Szenen gekommen. Im Kloster ihrer Cousine im Bernischen etwa – oder im Kloster Ittingen im Thurgau, das gewaltsam gestürmt wurde.

Verhinderung des Bürgerkriegs

Die Gewalt ist auch in Zürich allgegenwärtig: Während ihrer Zeit als Äbtissin werden zwei Klosterfrauen vergewaltigt. Zürich ist in zwei Lager geteilt: die Altgläubigen, die die Reformation ablehnen – und die Unterstützerinnen und Unterstützer der Reformation.

Bedeutung des Fraumünsters

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Das Kloster Fraumünster wurde 853 vom König Ludwig dem Deutschen gegründet. Als Fürstabtei erhielt das Kloster grosse Ländereien und Privilegien, unter anderem eine eigene Gerichtsbarkeit. Die Äbtissinnen galten als Stadtherrinnen von Zürich, hatten beträchtlichen politischen und wirtschaftlichen Einfluss, durften etwa Münzen prägen.

Zur Zeit von Katharina im 15./16. Jahrhundert war die Blütezeit allerdings schon länger vorbei. Zwar hatte das Kloster noch immer grosse Ländereien (den grössten klösterlichen Besitz auf dem Gebiet der heutigen Schweiz), die Äbtissin hatte in der Stadt jedoch primär noch eine repräsentative Funktion und kaum mehr direkten politischen Einfluss.

In dieser aufgeheizten Situation also entscheidet Katharina: Sie gibt ihr Kloster auf. Um «grossen Unfrieden … zu verhindern», wie es in der Übergabeurkunde heisst. Sie handelt einen Vertrag aus, der sicherstellt, dass mit den Einnahmen aus den Gütern die Armen unterstützt werden. Und sie sorgt dafür, dass sie eine Pension erhält und nicht bevormundet wird, wie andere Frauen zu der Zeit.

Historisches Dokument mit zwei roten Siegeln an weissen Bändern.
Legende: Übergabeurkunde der Äbtissin an den Rat von Zürich vom 8. Dezember 1524. Stadtarchiv Zürich

Schub für die Reformation

Katharina von Zimmern ist eine intelligente Frau, die wusste, was sie wollte. Geboren wird sie in ein hochadliges Elternhaus. Doch der Vater fällt beim Kaiser in Ungnade, die Familie wird vertrieben. Für eine vorteilhafte Heirat fehlt das Geld. Also werden Katharina und ihre Schwester nach Zürich ins Kloster geschickt.

Jubiläumsjahr: Reformation im Fraumünster

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Legende: Der geplante Katharinen-Turm ist das Siegerinnenprojekt von Debora Burri-Marci, freefox Architecture Studio LLC, Lugano Paradiso. Visualisierung Verein Katharinen-Turm

Die Stadt Zürich feiert Katharina von Zimmern im Jubiläumsjahr der Klosterübergabe mit einer Kunstinstallation. Ein Turm soll vom 20. August bis 10. Dezember beim Fraumünster an die gesellschaftliche, wirtschaftliche und politische Präsenz von Frauen in Zürich erinnern. Zudem finden diverse Führungen und Veranstaltungen zu Ehren der letzten Fraumünster-Äbtissin statt.

Katharina ist 13, als sie eintritt. Mit 18 wird sie Äbtissin, ist verantwortlich für die Besitztümer der Abtei, ist Mäzenin, Bauherrin und repräsentiert die religiöse Macht bei Prozessionen und Umzügen.

Und doch erkennt sie die Zeichen der Zeit und verleiht der Reformation mit ihrer Klosteraufgabe entscheidenden Schub. Danach werden in Zürich alle Klöster aufgehoben und Besitztümer verstaatlicht.

Liebesheirat nach der Aufgabe des Klosters?

Gut möglich, dass bei ihrem Entscheid die Liebe eine Rolle gespielt hat. Denn vieles deutet darauf hin, dass Katharina von Zimmern während ihrer Zeit im Kloster eine Tochter geboren hat. Gut möglich auch, dass der Vater der Söldnerführer Eberhard von Reischach ist. Doch das ist Spekulation, die Quellen sind nicht eindeutig.

Das Klosterleben zu Zeiten Katharinas

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Zürich war zu Beginn des 16. Jahrhundert eine Klosterstadt. Sieben Klöster auf engstem Raum. Rund ein Fünftel der 5000 Einwohnerinnen und Einwohner der Stadt waren Mönche, Nonnen oder Geistliche. Allerdings unterschied sich das Klosterleben stark von dem, was wir uns heute darunter vorstellen.

So haben die Chorfrauen im Fraumünster etwa kein Keuschheitsgelübde abgelegt (mit Ausnahme der Äbtissin). Die Frauen durften reisen und hatten eigene Bedienstete. Das Treiben war zum Teil so bunt, dass der Rat wegen des «regen gesellschaftlichen Verkehrs» zwischen den Klöstern eingreifen und zur Mässigung aufrufen musste und den Nonnen des Selnauer Klosters verboten wurde, zu tanzen und weit ausgeschnittene Kleider zu tragen.

Sicher ist: 1525, kurz nach der Aufgabe der Abtei, heiratet sie von Reischach. Die beiden haben zwei eheliche Kinder, obwohl sie bei der Heirat bereits 47 Jahre alt ist. Nach seinem Tod in der Schlacht von Kappel, bei der die Reformierten vernichtend geschlagen werden, lebt sie als verwitwete Frau mit ihrer Familie selbständig in Zürich. Sie stirbt, im Alter von 69 Jahren, als angesehene Bürgerin der Stadt.

Historisch gekleidete Personen in einem Innenraum.
Legende: Wie Katharina von Zimmern ausgesehen hat, ist nicht bekannt. Hier dargestellt von der Schauspielerin Rachel Braunschweig im Film «Zwingli» von 2019. Ascot Elite

Was Katharina gedacht und gefühlt hat, in dieser turbulenten Zeit, und ob sie sich der Tragkraft ihrer Entscheidungen bewusst war – das alles wissen wir nicht. Von ihr selbst ist kein Brief überliefert, kein Schriftstück, das Auskunft geben könnte über ihre Gefühlswelt.

Sicher ist: Katharina von Zimmern hat die Schweizer Geschichte massgeblich mitgeprägt – als sie vor genau 500 Jahren ihr Kloster freiwillig der Stadt übergab.

Buchhinweise

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Irene Gysel: «Katharina von Zimmern. Flüchtlingskind, Äbtissin, Bürgerin von Zürich». Theologischer Verlag Zürich, 2024.

Christine Christ-von Wedel: «Die Äbtissin, der Söldnerführer und ihre Töchter. Katharina von Zimmern im politischen Spannungsfeld der Reformationszeit». Theologischer Verlag Zürich, 2020.

Radio SRF 4 News, Zeitblende, 27.7.2024, 10:03 Uhr

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