Es war bestimmt kein einfacher Entscheid: Seit 28 Jahren ist Katharina von Zimmern Äbtissin des Zürcher Fraumünsters und die wohl prominenteste Frau der Stadt. Sie sympathisiert mit den Ideen der Reformation, die Huldrych Zwingli in Zürich verbreitet und lässt ihn etwa an Markttagen im Fraumünster zu den Bauern predigen.
Doch diese reformatorischen Ideen bedrohen ihre Lebensweise. Zwingli will die Klöster auflösen und die Besitztümer verstaatlichen. Andernorts ist es deswegen zu wüsten Szenen gekommen. Im Kloster ihrer Cousine im Bernischen etwa – oder im Kloster Ittingen im Thurgau, das gewaltsam gestürmt wurde.
Verhinderung des Bürgerkriegs
Die Gewalt ist auch in Zürich allgegenwärtig: Während ihrer Zeit als Äbtissin werden zwei Klosterfrauen vergewaltigt. Zürich ist in zwei Lager geteilt: die Altgläubigen, die die Reformation ablehnen – und die Unterstützerinnen und Unterstützer der Reformation.
In dieser aufgeheizten Situation also entscheidet Katharina: Sie gibt ihr Kloster auf. Um «grossen Unfrieden … zu verhindern», wie es in der Übergabeurkunde heisst. Sie handelt einen Vertrag aus, der sicherstellt, dass mit den Einnahmen aus den Gütern die Armen unterstützt werden. Und sie sorgt dafür, dass sie eine Pension erhält und nicht bevormundet wird, wie andere Frauen zu der Zeit.
Schub für die Reformation
Katharina von Zimmern ist eine intelligente Frau, die wusste, was sie wollte. Geboren wird sie in ein hochadliges Elternhaus. Doch der Vater fällt beim Kaiser in Ungnade, die Familie wird vertrieben. Für eine vorteilhafte Heirat fehlt das Geld. Also werden Katharina und ihre Schwester nach Zürich ins Kloster geschickt.
Katharina ist 13, als sie eintritt. Mit 18 wird sie Äbtissin, ist verantwortlich für die Besitztümer der Abtei, ist Mäzenin, Bauherrin und repräsentiert die religiöse Macht bei Prozessionen und Umzügen.
Und doch erkennt sie die Zeichen der Zeit und verleiht der Reformation mit ihrer Klosteraufgabe entscheidenden Schub. Danach werden in Zürich alle Klöster aufgehoben und Besitztümer verstaatlicht.
Liebesheirat nach der Aufgabe des Klosters?
Gut möglich, dass bei ihrem Entscheid die Liebe eine Rolle gespielt hat. Denn vieles deutet darauf hin, dass Katharina von Zimmern während ihrer Zeit im Kloster eine Tochter geboren hat. Gut möglich auch, dass der Vater der Söldnerführer Eberhard von Reischach ist. Doch das ist Spekulation, die Quellen sind nicht eindeutig.
Sicher ist: 1525, kurz nach der Aufgabe der Abtei, heiratet sie von Reischach. Die beiden haben zwei eheliche Kinder, obwohl sie bei der Heirat bereits 47 Jahre alt ist. Nach seinem Tod in der Schlacht von Kappel, bei der die Reformierten vernichtend geschlagen werden, lebt sie als verwitwete Frau mit ihrer Familie selbständig in Zürich. Sie stirbt, im Alter von 69 Jahren, als angesehene Bürgerin der Stadt.
Was Katharina gedacht und gefühlt hat, in dieser turbulenten Zeit, und ob sie sich der Tragkraft ihrer Entscheidungen bewusst war – das alles wissen wir nicht. Von ihr selbst ist kein Brief überliefert, kein Schriftstück, das Auskunft geben könnte über ihre Gefühlswelt.
Sicher ist: Katharina von Zimmern hat die Schweizer Geschichte massgeblich mitgeprägt – als sie vor genau 500 Jahren ihr Kloster freiwillig der Stadt übergab.