Ein Brandanschlag auf eine Synagoge im kanadischen Quebec. Der jüdische Student in London, der Kippah trägt und als «dreckiger Jude» beschimpft wurde. Der Rabbi in Südafrika, dessen Auto absichtlich gerammt und der danach auf der Strasse verfolgt wurde. Oder: Die Rabbinerin in Minnesota, auf deren Auto eine Swastika gesprayt wurde. Sie sind nur einige Beispiele von antisemitischen Übergriffen, die Jüdinnen und Juden weltweit im letzten Jahr erlebt haben.
Zahlen bleiben hoch
Im aktuellen Antisemitismusbericht «Antisemitism Worldwide Report for 2024» trägt die Universität Tel Aviv Zahlen zu Übergriffen aus 22 Ländern zusammen. Sie zeigen eindrücklich, dass der allgemeine Trend weltweit derselbe ist: Der massive Anstieg antisemitischer Vorfälle im Jahr 2023, gefolgt von einem Einpegeln auf sehr hohem Niveau im Jahr 2024.
In Brasilien oder Kanada nahmen die Vorfälle 2024 leicht zu. Andernorts, wie in Deutschland, dem Vereinigten Königreich oder Frankreich gingen sie leicht zurück. Als «besonders alarmierend» bezeichnet die Studie die Situation in Australien und Italien, wo die Vorfälle 2024 deutlich zunahmen.
Der Trend zum Jahresende lässt hoffen
Trotzdem sehen die Studienautoren einen Hoffnungsschimmer. Denn sie vergleichen nicht nur die Zahlen des Gesamtjahres, sondern auch jene von Oktober beziehungsweise von Oktober bis Dezember. Der Grund: Im Jahr 2023 sind die Zahlen in diesem Zeitraum in die Höhe geschnellt – in Frankreich etwa haben sich die Vorfälle mehr als verzehnfacht (von 39 im Jahr 2022 auf 563 Fälle).
Der Vergleich des entsprechenden Zeitraums 2024 mit demjenigen 2023 zeigt nun: Weltweit gingen die Zahlen deutlich zurück. In Deutschland ist dies besonders gut ersichtlich: 3163 Vorfälle im Oktober bis Dezember 2023 stehen 671 Vorfällen im selben Zeitraum 2024 gegenüber. Damit ist fast wieder das Niveau von 2022 erreicht.
Es gibt also Zeichen dafür, dass die Antisemitismus-Welle, die die ganze Welt überrollt hat, abflacht. Das gilt übrigens auch für die Schweiz, allerdings sind die Zahlen für den Oktober 2024 hierzulande mit 22 Vorfällen immer noch deutlich höher als vor der Eskalation der Gewalt im Nahen Osten.
Gründe für die hohen Zahlen
Die Studienautoren kommen zum Schluss, dass die Welle ihren Höhepunkt unmittelbar nach dem Angriff der Hamas hatte – dass der Antisemitismus also «sein hässliches Haupt gerade dann hob, als Israel am verletzlichsten war» und nicht erst später, als die internationale Kritik am Vorgehen Israels im Gaza-Streifen zugenommen habe.
Allerdings lancierte die israelische Regierung den Krieg im Gaza-Streifen bereits unmittelbar nach dem Überfall der Hamas – ein Zusammenhang zwischen der Kriegsführung und dem weltweiten Antisemitismus dürfte also durchaus bestehen.
Entwicklungen beobachten
Aus den Zahlen des Tel Aviver Antisemitismusberichts wird generell nicht ersichtlich, was alles in die Statistiken eingeflossen ist und welche Art der Übergriffe zugenommen hat.
Die Studie liefert dennoch wertvolle Erkenntnisse: Zeigt sie doch, wie sehr sich die Entwicklungen in den verschiedensten Ländern mit unterschiedlichsten rechtlichen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen gleichen.