Auschwitz-Memes und Hitlergrüsse im Chat, Hakenkreuze auf dem Schulweg. Viele jüdische Kinder an Berner Schulen erleben derzeit Antisemitismus in allen möglichen Formen.
Zum Beispiel riefen Kinder muslimischer Herkunft andere Kinder dazu auf, nicht mit einem Kind zu spielen, weil es Beziehungen zu Israel habe. Oder als Kinder von ihren Israel-Ferien erzählten, sagten Mitschülerinnen und Mitschüler: «Ich hasse Israel, in diesem Fall hasse ich auch dich.»
«Ich empfehle allen jüdischen Eltern: Sagt euren Kindern, sie sollen ihre Herkunft verheimlichen. Redet nicht im Geschichtsunterricht darüber, dass eure Vorfahren in Auschwitz umgebracht worden sind oder sonst irgendetwas. Verheimlicht es. Sonst sind diese Kinder nur noch Dreck.»
Das sagt ein Vater von vier Kindern mit jüdischer Herkunft. Er bleibt anonym, um seine Kinder zu schützen. Besonders sein Sohn in der Mittelstufe in der Stadt Bern erlebe solche Fälle.
Liste mit Vorfällen wird immer länger
Lea Kusano führt Buch über Fälle von Antisemitismus an Berner Schulen. Sie vertritt die besorgten Eltern und hat selbst jüdische Wurzeln. Ihre Liste mit Vorfällen wird länger und länger. Sie macht den Behörden Vorwürfe, man hätte schon kurz nach dem 7. Oktober, nach dem Angriff der Hamas auf Israel und dessen Folgen, auf die Eltern zugehen müssen.
«Aus meiner Sicht hat die Stadt Bern klar versagt. Man hätte allen Eltern mitteilen müssen, dass sie sich in jedem Fall melden sollen, eine klare Haltung mitteilen. Aber die Stadt Bern hat Antisemitismus nicht auf dem Radar.» Antisemitismus gebe es seit 2000 Jahren. Was jetzt passiere, sei keine neue Tendenz, damit hätten Jüdinnen und Juden seit jeher zu kämpfen.
Aus meiner Sicht hat die Stadt Bern klar versagt.
In der Stadt Bern läuft derzeit die Antirassismuswoche. Es herrsche Nulltoleranz bei der Stadt gegenüber jeglichen Formen von Rassismus, kontert die zuständige Gemeinderätin, Bildungsvorsteherin Franziska Teuscher: «Wir hatten Antisemitismus immer auf dem Radar. Aber es ist klar, dass seit dem 7. Oktober auch in der Stadt Bern der Antisemitismus zugenommen hat. Deshalb sind wir daran, unsere Rassismusarbeit viel stärker auch auf Antisemitismus zu fokussieren.»
Bisher habe es jedoch keine Fälle gegeben, bei denen eine Intervention der Fachstelle für Migration und Rassismus nötig gewesen wäre, betont Teuscher.
Das Thema sei aber in dieser Grössenordnung neu für die Stadt Bern. Das betonen auch die Schulen. Sebastian Teuscher, Leiter der Schule Bethlehemacker: «Bisher kamen an unserer Schule andere Formen der Diskriminierung viel häufiger vor – und jetzt merken wir, dass es mehr Antisemitismus gibt.»
Sebastian Teuscher bittet darum, dass man alle Vorfälle meldet, sonst könnten sie von der Schule aus nicht eingreifen. Ihm sind zwei Fälle von Antisemitismus an seiner Schule bekannt.
Laut Schilderungen von Betroffenen in der ganzen Schweiz gehen die Fälle auch von Schülerinnen und Schülern mit muslimischen Wurzeln aus.
Das gibt Muveid Memeti, dem Präsidenten des muslimischen Vereins Bern, zu denken. Er sehe da auch die muslimische Community in der Verantwortung. «Deshalb schlage ich vor, dass wir uns zusammen mit den betroffenen Schulen, den Schülerinnen, den Eltern und jeweils einem Vertreter aus einer jüdischen und muslimischen Gemeinschaft zu einem runden Tisch treffen, um die Vorfälle sorgfältig aufzuarbeiten.»