«Bargeld kann ich in die Hand nehmen, es ist handfest, und vor allem habe ich mit Bargeld eine bessere Übersicht über meine Finanzen», findet Sianka Zürcher, 32. Die Ostschweizerin lebt mit ihrer Familie im Toggenburg (SG). «Ich bin klar im Team Bargeld», sagt sie.
Von «Rega»-Spende bis Lebensmittel, von auswärts essen bis Fischerpatent: Zürcher verteilt ihr gesamtes Haushaltsbudget auf 22 verschiedene Kuverts. Darauf schreibt sie laufend ihre Ein- und Ausgaben. «So habe ich jederzeit für jeden Bereich den aktuellen Kontostand, ohne dass ich immer mühsam nachzählen muss.»
Die greifbaren Vorzüge von Bargeld
So wie Sianka Zürcher halten viele Menschen in der Schweiz noch am Bargeld fest. Es sind vor allem vier Punkte, die als Vorteile von Bargeld genannt werden:
- Es ist einfach zu handhaben, auch für Menschen, die sich zum Beispiel mit digitalen Anwendungen schwertun.
- Dann wird die bessere Budgetkontrolle angeführt, wie es auch Sianka Zürcher beschreibt.
- Anonymität und Datenschutz sind ein weiterer Faktor.
- Zuletzt besticht die technische Zuverlässigkeit: Cash funktioniert auch ohne Strom und Internet.
Und nicht zuletzt ist Bargeld sogenanntes Zentralbankgeld. Anders als das Guthaben bei einer Privatbank, ist es von der Nationalbank geschützt. Für den Fall einer Finanz- oder Bankenkrise ist das für viele ein weiteres wichtiges Argument.
«Kartenzahlung macht weniger Arbeit»
Familie Menzi betreibt in Wattwill (SG) drei Bäckereien mit je einem Café und beschäftigt 40 Angestellte. Hier sieht man eher die Vorteile von Karten- gegenüber Bargeldzahlungen. «Wenn Sie gerade kein Bargeld haben, können Sie auch mit der Karte bezahlen», steht auf einem Zettel an der Ladentür. Josua Menzi, der stellvertretende Geschäftsführer sagt, dass bei ihnen natürlich beide Varianten möglich seien, aber wenn er wählen dürfte, würde er sich nur noch Kartenzahlung wünschen.
Die digitalen Systeme kosten den Bäcker zwar Gebühren. «Aber die Systeme machen am Abend keine Rechenfehler, sind an der Kasse schneller und sie machen uns weniger Arbeit», sagt Menzi. «Pro Woche verwenden wir alleine fürs Zählen und Bereitstellen von Bargeld vier Arbeitsstunden». Und er macht eine weitere Beobachtung: «Mit der Karte werden auch mal grössere Beträge leichter bezahlt, als wenn man das Geld dafür echt in die Hand nehmen muss.» Aus Sicht des Händlers hat die Karte also auch eine potenziell positive Auswirkung auf den Umsatz.
Bezahlen kostet Geld
Bäcker Josua Menzi spricht ein in der Diskussion oft vernachlässigtes Thema an, indem er auf die Arbeitsstunden hinweist, die für das Zählen von Bargeld anfallen. Der Umgang mit Cash ist für ein Geschäft zwar nicht direkt mit Gebühren verbunden, wie sie etwa bei Twint & Co. anfallen, dafür aber mit Aufwand – und damit Kosten.
Das zeigt auch die diesjährige Studie «Die Kosten der Point of Sale Zahlungen in der Schweiz» der Universität St. Gallen (HSG). Sie untersucht, was Zahlungsmittel kosten, damit sie uns im Alltag überhaupt zur Verfügung stehen. Gemäss der Studie belaufen sich die Gesamtkosten für die Her- und Bereitstellung von Bargeld auf bis zu fünf Milliarden Franken. Im Gegensatz dazu sind Debit- oder Kreditkarten mit je rund einer Milliarde deutlich günstiger.
«Bargeld generiert hohe Fixkosten. Der Schalterbetrieb mit Personal zum Beispiel, der Betrieb eines Bankomaten oder der aufwändige Transport, die Feinverteilung von Bargeld gehören dazu», so Studienleiter Tobias Trütsch.
Der Bund berechnet, dass zum Beispiel der Einbau eines Bankomaten bis zu 90’000 Franken, sein Betrieb nachher jährlich bis zu 40’000 Franken kostet. Hinzu kommen aber auch indirekte Kosten an, wie Arbeitsstunden für das Holen, Einzahlen oder Zählen von Bargeld.
Die Karte dominiert im Alltag
Bargeld oder Kartenzahlung: Je nach Perspektive haben beide Systeme ihre Vor- und Nachteile. Fakt ist allerdings, dass der Einsatz von Bargeld im Einkaufsalltag zurückgeht. Der «Swiss Payment Monitor» zeigt das in Zahlen auf. Die Erhebung wird von der HSG und der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) in regelmässigen Abständen durchgeführt, das letzte Mal im Mai 2024.
Im Präsenzgeschäft, also bei Transaktionen vor Ort im Laden oder am Automaten, wird die Debitkarte laut der jüngsten Umfrage mit über 30 Prozent am häufigsten eingesetzt.
Knapp dahinter folgt Bargeld mit leicht unter 30 Prozent. Am dritthäufigsten wird eine Kreditkarte verwendet. Als Gründe für die Wahl einer Karte anstelle von Bargeld nannten viele Befragte die Gewohnheit, aber auch die Schnelligkeit beim Bezahlen.
Bargeld, ja – für kleine Beträge
Gemessen am Gesamtumsatz liegt Bargeld allerdings nur noch an dritter Stelle hinter Kredit- und Debitkarte. Vor vier Jahren lag das Bargeld sowohl beim Umsatz als auch bei den Transaktionen noch deutlich vor der Kreditkarte.
Bargeld wird also nicht nur seltener verwendet als früher, es wird auch eher für kleine Zahlungen eingesetzt. Gemeint sind Summen von bis zu 20 Franken. Mobiles Bezahlen per Handy oder der Smartwatch liegt derzeit immer noch hinter der Karten- oder Barzahlung, holt aber vor allem beim Umsatz gegenüber dem Bargeld auf.
Ein politisches Thema
Die Sicht von Konsumentin Sianka Zürcher und KMU-Betreiber Josua Menzi spiegeln die aktuelle Debatte über Bargeld oder Kartenzahlung in der Schweiz. Immer mehr Menschen schätzen das einfache, schnelle Bezahlen mit einer Karte an der Kasse und nehmen dafür in Kauf, dass sie nicht mehr anonym einkaufen. Händler betonen die grössere Präzision von digitalen Zahlungsmitteln und den verhältnismässig geringeren Aufwand, den sie damit haben. Nach wie vor sind aber viele Menschen umgekehrt überzeugt, dass ihnen Bargeld eine bessere Handhabung biete, Anonymität garantiere und niemanden diskriminiere.
Zwar geht der Einsatz von Bargeld im Einkaufsalltag stetig zurück, aber die Sympathie für unser Münzen und die Banknoten ist immer noch gross. Der aktuelle «Swiss Payment Monitor» zeigt, dass etwa zwei Drittel der Befragten eher oder klar gegen Abschaffung des Bargelds in der Schweiz sind. Ähnlich äussern sich Unternehmen. Die Nationalbank hat diesen Frühling über 700 Unternehmen quer durch alle Branchen befragt. Das Ergebnis: Die grosse Mehrheit findet die Existenz von Bargeld wichtig.
Das ist deshalb relevant, weil das Thema derzeit auch auf der politischen Bühne verhandelt wird. Die Volksinitiative «Ja zu einer unabhängigen, freien Schweizer Währung mit Münzen oder Banknoten (Bargeld ist Freiheit)» wurde im Februar 2023 eingereicht. Für ein zweites ähnliches Anliegen zur Erhaltung von Bargeld in der Schweiz werden derzeit Unterschriften gesammelt.
Aus diesen Überlegungen kommt auch der Bundesrat zu dem Schluss, dass die Abschaffung des Bargelds in der Schweiz kein Thema sein soll. Er hat darum vorgeschlagen, das Anliegen der Volksinitiative mit einem direkten Gegenvorschlag in der Verfassung aufzunehmen. Und in einem Bericht 2022 schrieb der Bundesrat: «In der Schweiz gibt es weder seitens des Bundesrates noch der Nationalbank Bestrebungen, das Bargeld abzuschaffen.»
Gretchenfrage Trinkgeld
Bleibt noch die Frage, die viele im Alltag beschäftigt: Wie gebe ich das Trinkgeld – bar oder geht auch Karte? «Karte geht auch, ich sehe diese Tipps am Ende der Schicht in meiner Abrechnung», sagt Katrina Iwanow, die in Wattwil im Café der Familie Menzi im Service arbeitet.
Aber: «Mir ist bar lieber». Bar sei «echtes Geld» und – auch nicht unwichtig – mit Bargeld seien die Gäste eher grosszügiger. «Karte geht immer so schnell, da kann es sein, dass die Menschen weniger geben oder das Trinkgeld auch mal vergessen.»
Sianka Zürcher bleibt sich auch im Café treu und gibt das Trinkgeld bar. Wenn andere die Karte bevorzugen, weil sie bequem ist oder weniger Fehler macht, klaubt sie Bares aus ihrem Portemonnaie. «Ich mag auch dieses handfeste am Bargeld», sagt sie zum Abschied nochmal.