Das Berghain in Worte und Bilder zu packen – daran sind schon viele gescheitert. Nun wird Berlins berühmtester Technoclub 20 Jahre alt. Warum gibt es bis heute kein konkretes Bild des Clubs in der Aussenwelt? Ganz offensichtlich ist: Die Betreiber haben kein Interesse daran.
«Diese Geheimhaltung wird als Marketingstrategie genutzt», erklärt Kulturwissenschaftler Guillaume Robin. «In einer Zeit der Hypervisibilität, in der nahezu jeder in den sozialen Netzwerken präsent ist, bietet das Berghain einen Raum, der dieser Sichtbarkeit entzogen ist.»
Eine No-Photo-Kultur im Club und eine Presse-nein-Danke-Haltung schützen die Privatsphäre der Gäste. Türsteher, wie der weltberühmte Sven Marquardt, selektieren erbarmungslos das Publikum. So wurden auch Stars wie Britney Spears oder Macklemore abgewiesen. «Dieser Kult des Geheimnisses ermöglicht eine unmittelbare Immersion in das Cluberlebnis, wie es nur wenige andere Clubs in Berlin bieten», sagt Robin.
Lust, Leder, Latex
Betritt man das Berghain, verliert man sich in verwinkelten Gängen. Man passiert abgetrennte Räume, sogenannte Darkrooms, wo sexuellen Praktiken keine Grenzen gesetzt sind. Irgendwann gelangt man auf den Haupt-Technofloor – eine sinnliche Erfahrung der Superlative. Die 18 Meter hohen Säulen erinnern an das ehemalige Heizkraftwerk zurück. Viele vergleichen den fensterlosen Raum mit einem Tempel. Da ist natürlich etwas dran. Nebeldunst. Laserlicht bewegt sich rhythmisch durch die Dunkelheit. Die Bässe graben sich in den Körper ein.
«Man kann für einen Moment der Realität entfliehen», sagt Robin, «aber diese Freiheit gibt es nicht ohne Selbstdisziplin im Publikum.» Auch Stammgäste, die ihren Drogenkonsum nicht unter Kontrolle kriegten, würden regelmässig des Clubs verwiesen.
Bis zu 1500 Menschen haben im Berghain Platz. Piercings und Tattoos verzieren die Körper. Sie sind nackt, in Leder gesteckt, mit Latex verdeckt, in Schwarz gehüllt. Die Körper stampfen, kreisen, schütteln, lecken und streicheln sich.
Robin spricht von einem «subkulturellen Kapital», über das vor allem die Stammgäste verfügen. Verhaltenskodex in der Schlange, Dresscode, Kenntnisse des Line-ups und der DJs unterliegen einem bestimmten Wissen. «Die Exklusivität basiert auf dem Prinzip, dass man die Erfahrung nicht einfach kaufen kann.»
Feiern für die Eliten?
Zugleich kostet der Eintritt mittlerweile 25 Euro. Bei der Jubiläums-Klubnacht geht Robin von rund 60 Euro aus. Dafür werden über 70 DJ-Acts geboten. Aber: «Es ist ein Treffpunkt für Personen aus der gehobenen Mittelschicht geworden», sagt Robin. Aufgrund der steigenden Preise sei das Publikum immer weniger divers geworden.
Das Berghain entstand als Nachfolger des Ostguts, damals richteten sich viele Klubnächte noch an schwule Männer. Heute überwiege ein heterosexuelles Publikum. «Die ursprünglich schwule Identität des Berghains ist zugunsten einer eher diffusen und vielfältigen Identität in den Hintergrund getreten», sagt Robin.
Während im kommenden Jahr Berliner Clubinstitutionen wie das Watergate und die Wilde Renate schliessen müssen, steht das Berghain für Kontinuität. 2011 erwarben die Besitzer das Gebäude. Robin geht davon aus, dass sich das Berghain seine Identität bewahren kann. Sorge bereite ihm die Zusammensetzung des Publikums: Frauen, schwarze Menschen und die mit wenig Geld seien weiterhin in der Minderheit.