Was ist passiert? Das Model Shereen Wu aus den USA erhebt Vorwürfe gegen Modedesigner Michael Costello. Nachdem Wu bei einer Modeschau für Costello auftrat, postete dieser ein Foto von Wus Auftritt. Das Problem: Es ist nicht mehr ihr Gesicht zu sehen, sondern ein angeblich computergeneriertes Gesicht. «Mein Gesicht so zu verändern, ist völlig respektlos», so Wu. Costello sagte Wu gegenüber, er habe das Bild nicht manipuliert, sondern so vom Fotografen bekommen. Der Fotograf widerspricht dieser Aussage. Klar ist: Nach Wu fürchtet nun auch Michael Costello einen Gesichtsverlust.
Was für eine Technologie steckt dahinter? Dass Models durch Bildbearbeitung vermeintlich aufgehübscht werden, ist gang und gäbe in der Modewelt. So beklagte sich beispielsweise das australische Model Meaghan Kausman 2014, dass ihr ungefragt per Photoshop einige Kilos wegretouchiert wurden. Auch bei dem veränderten Bild von Wu könnte man mit Photoshop sowie einer Software, die künstliche Gesichter generiert, gearbeitet haben, so Damian Murezzan, Fachexperte für künstliche Intelligenz bei SRF. Fest steht: KI-generierte Gesichter werden immer menschenähnlicher.
Können auch Laien KI-Manipulationen erstellen? Bei einem Social-Media-Post mit tiefer Auflösung könnten das Laien in kürzester Zeit durchführen. Die Technologie sei mittlerweile sehr fortgeschritten. Nicht nur Standbilder, sondern auch Videos können ohne grossen technischen oder finanziellen Aufwand manipuliert werden, so Murezzan. Schwierig sei es zwar immer noch, mit Hilfe von KI etwas von Grund auf neu zu generieren. Doch ein bestehendes Video zu bearbeiten, sei mit heutigen Programmen nicht mehr sehr herausfordernd. Der Vorfall um Shereen Wu sei keineswegs die Speerspitze der aktuellen Technologie, sondern hätte genauso auch schon vor einigen Jahren auftreten können.
Wie ist der Fall Wu juristisch zu bewerten? Wendla Savić ist Model und Rechtsanwältin. Mit einer Kollegin hat sie die erste Modelgewerkschaft im deutschsprachigen Raum gegründet. In Deutschland wäre für Wu laut Savić eine Unterlassungs- und oder Schadensersatzklage möglich. «Werden die Bilder über das übliche Mass (Retusche, Lichtveränderungen) hinaus manipuliert und die Person verfremdet, ist das Persönlichkeitsrecht des Models betroffen.» Nicht nur angesichts des Einsatzes von KI, sondern durch die immer umfassendere Nutzung von digitalen Medien sei ein Nutzungsrechtevertrag sinnvoll. Dort soll die Nutzung sowie das Bearbeitungsrecht ausdrücklich geregelt werden – vor dem Auftritt.
Was heisst das für die Branche? Gibt es bald nur noch digitale Models? Der Einsatz von KI bedeute für Models laut Savić, dass die persönliche Anwesenheit immer seltener erforderlich sein wird. Schon jetzt werden teilweise computergenerierte Modelkörper eingesetzt, auf denen echte Modelköpfe installiert werden. «Als Model wird man sein Gesicht voraussichtlich häufiger für die Erstellung eines Avatars zur Verfügung stellen.» Dies hätte zur Folge, dass seltener echte Models gebucht werden müssten. Dennoch ist Savić überzeugt: «Das Gefühl, zu sehen, wie die Stoffe an einem echten Menschen fallen und die Wirkung der Ausstrahlung des Models zu spüren: das kann kein Computer imitieren.»