Was haben Arnold Schwarzenegger, Daniela Katzenberger und DJ Antoine gemeinsam? Sie scheinen in den 1990er-Jahren dieselbe US-amerikanische Highschool besucht zu haben. Das jedenfalls legen die Bilder nahe, die vor Kurzem auf den Instagram-Accounts der genannten Personen erschienen sind.
Natürlich sind die Bilder fake, digital generiert. Verantwortlich ist «AI Yearbook», eine KI-gestützte Funktion der Bildbearbeitungs-App Epik.
Besuch beim digitalen Karikaturisten
Wer sich selbst als 90er-Teenie am Ende der Highschool sehen möchte, lädt Epik runter und acht bis zwölf Selfies hoch, gibt das Geschlecht an, zahlt eine Gebühr und erhält schliesslich 60 verschiedene Varianten des eigenen Selbst.
Diese sind sortiert in Kategorien wie «Best Dressed», «Most Intellectual» oder «Most Athletic». So sieht man sich als Schwarm, Streber oder Sportskanone, schön im 90er-Ami-Look.
Aus Sicht der Nutzenden ist Epik die digitale Version eines Karikaturisten: Man liefert das eigene Gesicht als Arbeitsmaterial. Man wartet, während sich eine unsichtbare Magie vollzieht. Und bestaunt schliesslich das Ergebnis: eine fiktive Version des eigenen Ich – verfremdet, aber doch man selbst. Beide, die App Epik und der Karikaturist, lassen sich für ihre Dienste bezahlen.
Idealisierte Versionen des eigenen Selbst
Ähnlich wie die App Lensa «hübscht» Epik die Ergebnisse auf. Das Gesicht erscheint verjüngt, die Haut straff. «Diese Bilder schreiben sich ein in die Geschichte der Filtertechnologien, die auf das Prinzip der Retusche zurückgehen», sagt Estelle Blaschke, Professorin für Fotografische Medien im Digitalen Zeitalter an der Universität Basel.
Die Bilderwelt, die wir selbst produzieren, überblendet sich zunehmend mit der realen Welt.
Die von Epik erstellten Bilder zeigten den Nutzenden «immer idealisierte, einem Bildalgorithmus folgende Varianten von sich», so Blaschke. Als weitere Gründe für den Erfolg der Bilder nennt sie zum einen die prädigitale Ästhetik der 1990er-Jahre, die sich gut nostalgisch verklären lasse.
Zum anderen bezeichne das Ende der Highschool einen «Initiationsmoment». Also einen Zeitpunkt, zu dem noch alles möglich scheint, von wo sich das Leben in alle möglichen Richtungen entwickeln kann.
Schwelgen in Fiktionen
Epik erzeugt damit bildgewordene Tagträume und lässt Nutzende sich sehnsüchtig an eine fiktive Vergangenheit erinnern. Diese hat es zwar nie gegeben, aber sie lässt sich dank der Sozialisierung durch US-amerikanische Filme und Serien gut ausmalen.
Dass man die meisten der Jahrbuchbilder schnell als KI-Schöpfungen erkennt, schmälert ihren Erfolg nicht. «Mit den gegenwärtigen Bildtechnologien suchen wir nicht nach Authentizität im Sinne einer Wahrhaftigkeit oder Realität», sagt Estelle Blaschke.
Vorsicht geboten
Allerdings führen Apps wie Epik auch dazu, dass die Unterschiede zwischen der materiellen und virtuellen Realität verschwimmen. Blaschke: «Diese Bilderwelt, die wir selbst produzieren und mit der wir permanent konfrontiert sind, überblendet sich zunehmend mit der realen Welt.»
Damit kann der Blick in den realen Spiegel reale Unzufriedenheit auslösen. Weil das, was der Spiegel zeigt, nicht mit dem Bild übereinstimmt, das uns Bildbearbeitungsapps vorspiegeln. Aus dieser Unzufriedenheit lässt sich auch der Anstieg an Schönheitsoperationen erklären. Eine Gefahr, die im Fall der Jahrbuchbilder allerdings nicht allzu gross scheint.