Um was geht es? Mit der App Lensa kann man einen Avatar von sich selbst erstellen lassen und das eigene Abbild beispielsweise im Stile japanischer Comics, als Prinzessin oder Astronaut daher kommen lassen. Der «Magic Avatar» wurde Ende November lanciert und ist seither weltweit durchgestartet. Während die App vor der Einführung des neuen Features zwischen 2018 und Dezember dieses Jahres 22.2 Millionen mal heruntergeladen worden war, waren es in den ersten fünf Tagen des Monats Dezember bereits 4 Millionen Downloads, so das US-Techmagazin «Wired».
Während sieben Tagen kann man die App kostenlos, aber eingeschränkt nutzen. Anschliessend gibt es verschiedene Abo-Modelle.
Wie funktioniert die App? Um einen Avatar zu erhalten, muss man zwischen 10 und 20 Bilder von sich hochladen. Die App empfiehlt, Selfies mit unterschiedlichen Hintergründen und Posen zu verwenden. Eine Künstliche Intelligenz (KI) identifiziert dann die Merkmale einer Person – etwa Gesicht, Augen, Haare – und gibt diese im gewünschten Stil wieder.
Was sagen Kritikerinnen und Kritiker? Die Kritik an der App kann grob in drei Kategorien unterteilt werden:
- Kunstraub: Künstlerinnen und Künstler fürchten, dass ihre Arbeit durch die App entwertet wird. Unklar ist auch, wie das Unternehmen seine KI trainiert hat. Vergleichbaren Anbietern wurde in der Vergangenheit Bilderdiebstahl nachgewiesen. Einige Userinnen und User wollen sogar die Signaturen von Künstlern im Hintergrund ihrer Avatar-Bilder entdeckt haben. Das Unternehmen hinter Lensa hat allerdings erklärt, dass es sich dabei um keine echten Unterschriften, sondern ebenfalls um durch die KI generierte Fragmente handelt.
- Sexismus, Rassismus: Besonders viele Frauen berichten, dass ihre Avatare mit viel nackter Haut, grosser Oberweite oder unnatürlich grossen Augen ausgestattet wurden. Selbst Kinderbilder seien sexualisiert worden. Das Unternehmen erklärt, dass weder Nackt- noch Kinderbilder erlaubt seien. People of Color berichten zudem davon, dass ihre Gesichtszüge und ihr Hautton Menschen nordeuropäischer Herkunft nachempfunden wurden.
- Überwachung: Mit Fotos können biometrische Daten einer Person erhoben werden. Offen ist, ob der Anbieter auch Metadaten der Bilder, wie beispielsweise den Aufnahmeort, abspeichert.
Wer steckt dahinter? Lensa wird vom Unternehmen Prisma Labs herausgegeben. Gemäss dem Branchenportal «Tech Crunch» basiert die Technologie auf dem Open-Source-Programm «Stable-Diffusion», welches mittels neuronaler Netze Bilder generiert. Das Unternehmen erklärt, die Daten auf den Servern von Amazon Web Services in den USA zu lagern.
Ist die App sicher? Wie der Gründer von Prisma Labs gegenüber «Wired» erklärt hat, werden Fotos nach dem Hochladen wieder gelöscht. Doch Zweifel sind berechtigt. In den Nutzungsbestimmungen ist festgehalten, dass Nutzerinnen und Nutzer die Besitzrechte an den Avataren behalten, das Unternehmen diese allerdings für eigene Zwecke nutzen kann. Wer will, kann sich per Mail an das Unternehmen wenden, um eine Löschung zu beantragen. Prisma Labs behält sich allerdings vor, dies nicht zu tun.
Fraglich ist auch, was die App sonst noch so sammelt auf dem Handy, was problematisch werden könnte. Man kann jedoch davon ausgehen, dass sich dies in ähnlichem Umfang bewegt wie bei anderen Apps. Ausserdem könnten diese Features teilweise abgestellt werden.
Wieso startet Lensa gerade jetzt durch? Ähnliche Online-Trends gab es in jüngerer Vergangenheit mehrere – zuletzt im Jahr 2020 mit «FaceApp». Für viele ist eine kostenlose App wohl schnell mal heruntergeladen. Gewichtiger dürfte ohnehin die Frage sein, wohin der Weg noch führt. In diesen Tagen sorgt neben Lensa mit dem Textprogramm ChatGPT nämlich noch eine weitere KI-Neuerung für Aufruhr. Die Sorgen werden grösser, dass die künstliche bald die natürliche Intelligenz überholen könnte.