Türmchen, Erker und Riegelbau – so thront die Altstadt von Lichtensteig über dem Tal. Unterhalb vom Städtli, am Ufer der Thur, erinnern alte Fabrikgebäude an die Blütezeit der Textilindustrie.
Mit den Textilfabriken verschwanden in den 1980er-Jahren auch viele Menschen aus dem Städtchen. Banken, Läden und weitere Unternehmen schlossen ihre Türen. Die Fabrikhallen und viele Gebäude in der malerischen Altstadt standen leer.
Mit Optimismus gegen Leerstände
Vor ein paar Jahren hat Lichtensteig sich aufgemacht, gegen diese Leerstände und den Bevölkerungsschwund anzukämpfen. Dafür hat die Gemeinde mit knapp 2000 Einwohnerinnen und Einwohnern nun den Wakkerpreis des Schweizer Heimatschutzes erhalten.
Es entstanden ein Familienverein, neue Wohnungen, ein Kulturlokal und ein 24-Stunden-Laden. Eines der neusten Projekte ist eine Genossenschaft, die eine alte Textilfabrik zum Wohn-, Gewerbe- und Kulturgebäude umnutzen will.
«Wir sind ein urbaner Ort im ländlichen Gebiet», sagt Stadtpräsident Mathias Müller. Das mache Lichtensteig attraktiv für innovative Ideen. «Die Investoren stehen aber nicht Schlange.» Die Gemeinde selbst hat nur wenig Geld, um solche Projekte zu unterstützen – dafür aber viel Wissen, Netzwerke und die nötigen Räume für Ideen. Es brauche viel Engagement aller Akteure.
Weltoffener Geist
Ein Beispiel für eine neue Idee ist der Coworking-Space «Macherzentrum» in der alten Schalterhalle der Postfiliale. Der englische Begriff sei am Anfang vielen zu sperrig gewesen, sagt Mitgründer Tobias Kobelt. «Sobald wir aber jemandem unsere Räume zeigen, stossen wir auf Interesse.»
Der Spirit in Lichtensteig mache den Standort einmalig: «Ich empfinde ihn als sehr weltoffen, fast schon liberal. Ein Geist, der anpackt, der einen motiviert, Neues auszuprobieren und der auch ein Scheitern zulässt.»
Diese Mentalität beschreiben auch die Initianten des «Rathauses für Kultur». Als die Gemeindeverwaltung in ein leeres benachbartes Bankgebäude mit besserer Infrastruktur umzog, überliess man das leere Rathaus dem jungen Gründerteam.
Das Kulturhaus bietet eine Künstlerresidenz, Ateliers, ein Eventlokal und eine Beiz. «Als junger Mensch hatte mir ein solcher Treffpunkt gefehlt», sagt Sirkka Ammann, die im Nachbardorf aufgewachsen ist und nun in der Geschäftsleitung des Rathauses für Kultur arbeitet.
Messbarer Erfolg
Die Zahlen geben der Zukunftsstrategie von Lichtensteig recht. Die Bevölkerung wächst leicht und wird im Schnitt jünger. Viele leere Gebäude konnten wiederbelebt werden. Er sei stolz auf den Wakkerpreis für seine Gemeinde, sagt Stadtpräsident Mathias Müller.
Die Herausforderungen bleiben dennoch hoch: Die Klubschule Migros hat kürzlich ihren Standort geschlossen und der grösste Laden der Innenstadt, ein Möbelgeschäft, zieht aus.
Der Stadtpräsident schaut trotzdem optimistisch in die Zukunft: «Wir wissen jetzt, wie wir mit dem Wandel umgehen.»